Menschenrechtler droht lange Haftstrafe

Der Menschenrechtsverteidiger Kyaw Hla Aung wird mehr als drei Monate nach seiner Festnahme weiterhin willkürlich festgehalten. Er steht wegen Vorwürfen vor Gericht, die mit seiner friedlichen Menschenrechtsarbeit zusammenhängen. Ihm droht eine lange Haftstrafe und es besteht ernsthafte Sorge, dass er keinen Zugang zu seinem Rechtsbeistand hat.

Appell an

STAATSANWALT
Dr. Tun Shin
Office of the Attorney General
Office No. 25, Nay Pyi Taw
MYANMAR
(Anrede: Dear Dr. Tun Shin / Sehr geehrter Herr
Dr. Tun Shin)
Fax: (00 9567) 404 146

INNENMINISTER
Lt. Gen. Ko Ko
Ministry of Home Affairs
Office No. 10
Nay Pyi Taw
MYANMAR
Fax: (00 9567) 412 439

Sende eine Kopie an

MENSCHENRECHTSKOMMISSION MYANMAR

U Win Myan

27 Pyay Road, Hline Township
Yangon

MYANMAR

BOTSCHAFT DER UNION MYANMAR
S. E. Herrn Soe Nwe
Thielallee 19
14195 Berlin
Fax: 030-2061 5720
E-Mail: info@botschaft-myanmar.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Birmanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 16. Dezember 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

LUFTPOSTBRIEFE ODER FAXE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Sie Kyaw Hla Aung umgehend und bedingungslos frei und lassen Sie alle Anklagen gegen ihn fallen.

  • Sorgen Sie bitte dafür, dass die Haftbedingungen von Kyaw Hla Aung den internationalen Standards entsprechen. Gewähren Sie ihm bitte umgehend Zugang zu medizinischer Versorgung, einem Rechtsbeistand seiner Wahl und seiner Familie.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass alle Gefangenen, die nur wegen der friedlichen Wahrnehmung ihres Rechts auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit inhaftiert sind, umgehend und bedingungslos freigelassen werden. Lassen Sie bitte die Anklagen gegen all diejenigen fallen, die nur wegen der Organisation und Teilnahme an friedlichen Protesten vor Gericht stehen.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Immediately and unconditionally release Kyaw Hla Aung and drop all charges against him.

  • Ensure that Kyaw Hla Aung’s conditions of detention meet international standards, and that he is given access to his lawyer, visits from family members and adequate medical treatment.

  • Ensure that all those imprisoned solely for peacefully exercising their human rights to freedom of expression, association and peaceful assembly are immediately and unconditionally released, and dismiss the charges against those facing trial solely for organizing or participating in peaceful protest.

Sachlage

Kyaw Hla Aung steht derzeit vor dem Bezirksgericht Sittwe im myanmarischen Bundesstaat Rakhine vor Gericht. Er wurde am 15. Juli festgenommen und zunächst ohne Anklage inhaftiert. Es erfolgte Anklage gemäß Artikel 148 wegen Beteiligung an Krawallen mit einer tödlichen Waffe, Artikel 150 wegen Anheuerns bzw. Duldung der Anheuerung von Personen mit der Absicht, eine unerlaubte Versammlung zu besuchen, und Artikel 333 des Strafgesetzbuchs wegen vorsätzlicher schwerer Verletzung eines Staatsbediensteten, um diesen von der Arbeit abzuhalten. Nach Beginn des Verfahrens am 14. August wurden der Anklageschrift weitere Vorwürfe hinzugefügt, darunter Straftaten gemäß Artikel 332 (vorsätzliche Verletzung eines Staatsbediensteten, um diesen von der Arbeit abzuhalten), Artikel 395 (bewaffneter Raubüberfall), Artikel 109 (Beihilfe), und Artikel 505(b) (unruhestiftende Meinungsäußerungen). Insbesondere Artikel 505(b) wird von den Behörden häufig zur Unterdrückung der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit im Land angewandt.

Amnesty International geht davon aus, dass Kyaw Hla Aung ins Visier genommen wurde, weil er ein bekannter Menschenrechtsverteidiger ist, der Verbindungen zur internationalen Gemeinschaft hat, und dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe keine Rechtsgrundlage haben. Es besteht Sorge, dass Kyaw Hla Aung keinen angemessenen Zugang zu seinem Rechtsbeistand hat. Spannungen rund um das Verfahren sollen Berichten zufolge seinen Rechtsbeistand daran gehindert haben, den Anhörungen vor Gericht beizuwohnen. Zuletzt war dies am 25. Oktober geschehen. Der Zugang zu einem Rechtsbeistand ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren und ein wichtiges, international verankertes Menschenrecht. Die Rechtsbeistände von Kyaw Hla Aung haben Berichten zufolge beim Obersten Gerichtshof von Myanmar die Verlegung des Verfahrens nach Yangon beantragt. Bislang soll es am 8. November in Sittwe fortgesetzt werden.

Kyaw Hla Aung befindet sich derzeit in Gefängnis von Sittwe in Haft. Er war am 9. August von der Polizeiwache Nr. 1 dorthin verlegt worden. Kyaw Hla Aung ist bei schlechter Gesundheit und wird Berichten zufolge einmal wöchentlich von einem Arzt im Gefängnis besucht.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Kyaw Hla Aung wurde am 15. Juli 2013 festgenommen. Er war zuvor mehrere Monate lang aus Furcht vor einer Festnahme untergetaucht. Seine Festnahme erfolgte, nachdem die myanmarischen Behörden im Zuge von Protestveranstaltungen einige hochrangige VertreterInnen der muslimischen Gemeinde festgenommen hatten. Die Proteste richteten sich gegen eine im April im Bundesstaat Rakhine durchgeführte Regierungsinitiative zur Bevölkerungsregistrierung. Es war zu Spannungen gekommen, nachdem Angehörige der muslimischen Rohingya sich geweigert hatten, sich als "Bengalen" auszuweisen. Viele sind der Meinung, dass dieser kontroverse Begriff verwendet wird, um den Rohingya in Myanmar die offizielle Anerkennung zu verweigern, indem impliziert wird, dass alle Rohingya MigrantInnen aus Bangladesch sind. Infolge der Proteste war die Regierung gezwungen, die Registrierung auszusetzen. Kyaw Hla Aung war jedoch bei den Protesten nicht anwesend, sondern versuchte, andere einflussreiche VertreterInnen der muslimischen Gemeinde zu kontaktieren, um gewaltsame Ausschreitungen im Zuge der Proteste zu verhindern.

Kyaw Hla Aung wurde zunächst auf die Polizeiwache Nr. 1 im Bundesstaat Rakhine gebracht, von wo aus er am 9. August dann in das Gefängnis von Sittwe verlegt wurde. Am 31. Juli war er dem Bezirksgericht von Sittwe vorgeführt und zunächst wegen drei Verstößen gegen das Strafgesetzbuch unter Anklage gestellt worden. Nach Beginn des Verfahrens am 14. August 2013 wurden der Anklageschrift weitere Vorwürfe hinzugefügt. Am 13. August 2013 besuchte der UN-Sonderberichterstatter über die Lage der Menschenrechte im Myanmar, Tomás Ojea Quintana, im Rahmen seiner Reise nach Myanmar Kyaw Hla Aung in Haft. In einer Erklärung an die UN-Generalversammlung am 24. Oktober 2013 berichtete er, dass in Myanmar weiterhin etliche gewaltlose politische Gefangene inhaftiert sind, und forderte den Präsidenten des Landes dazu auf, Kyaw Hla Aung und Dr. Tun Aung, ein weiterer gewaltloser politischer Gefangener aus dem Bundesstaat Rakhine, im Rahmen der für Ende dieses Jahres zugesicherten Freilassung aller politischer Gefangenen, aus der Haft zu entlassen.

Kyaw Hla Aung ist Angehöriger der muslimischen Rohingya, ein bekannter Rechtsanwalt und ehemaliger Mitarbeiter einer humanitären NGO. Er hat wegen seiner friedlichen Aktivitäten bereits über 16 Jahre seines Lebens in Myanmar im Gefängnis verbracht. Amnesty International erhält nach wie vor Berichte über die Festnahme, Inhaftierung, Einschüchterung und Schikanierung von MenschenrechtsverteidigerInnen und friedlichen politischen Aktivisten in Myanmar.

Die Rohingya erfahren in Myanmar seit Jahrzehnten Diskriminierung. Sie werden nicht als offizielle ethnische Gruppe anerkannt und genießen nach wie vor keine Bürgerrechte. Ihre Rechte auf Bildung, Arbeit, Religionsfreiheit und Gesundheitsversorgung sowie das Recht zu reisen und zu heiraten sind alle in unterschiedlicher Weise eingeschränkt.