Amnesty Journal Bangladesch 04. April 2024

Er trotzt den Stürmen

Ein sehr breiter Fluss, inmitten dessen Fischernetze aufgespannt sind; am Ufer dümpelt ein Holzboot, das an einem kleinen Baum am Ufer mit einem Seil angebunden ist.

Menschen im Südwesten Bangladeschs sind einem hohen Risiko durch die Auswirkungen des Klimawandels ausgesetzt:  Ein Fischerboot in Shyamnagar, Satkhira, Bangladesch, September 2021

Immer wieder haben Orkane Teile Bangladeschs zerstört. Der Klimaaktivist Shahnewaz Chowdhury setzt sich gegen ein Kohlekraftwerk ein und wurde deshalb inhaftiert.

Von Bernhard Hertlein

Shahnewaz Chowdhury war noch Schüler, als 1999 ein schwerer Zyklon seinen Heimatort Gondamara im Süd­osten Bangladeschs heimsuchte. Die Frage, wie es zu solchen Naturkatastrophen kommt, ließ ihn seither nicht mehr los und machte ihn zum Klimaaktivisten. Für den heute 38-Jährigen steht fest: Die zunehmende Zahl heftiger Orkane ist der weltweiten Klimakrise geschuldet, die durch den Ausstoß an Kohlendioxid verursacht ist.

Bangladesch ist wegen seiner geografischen Lage besonders betroffen. Bei einem Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter würde ein Fünftel des Landes dauerhaft überschwemmt. Umso unverständlicher ist es für den Ingenieur, dass nahe Gondamara das Kohlekraftwerk Banshkhali gebaut wurde, das wie jedes Kohlekraftwerk seinen Teil zur menschengemachten Klimakrise beiträgt.

Zwölf Tote durch Polizeigewalt

Shahnewaz, der bei seinem Vornamen genannt werden möchte, gehört zu den Gründer*innen des Banshkhali Student Forum, einer Organisation, die im  April 2016 eine friedliche Protestveranstaltung gegen das Kraftwerk organisierte. ­Dabei starben vier Menschen durch Polizeikugeln. Bei den ­ebenfalls friedlichen Folgedemonstrationen wurden weitere Menschen getötet. Insgesamt starben zwölf Menschen durch ­Polizeigewalt.

Im Mai 2021 suchte der Zyklon Yaas seine Heimat heim. Die gesamte Region stand unter Wasser, eine wichtige Brücke in Gondamara wurde zerstört. All dies hatte katastrophale Folgen für die lokale Bevölkerung, die überwiegend von Landwirtschaft und Fischerei lebt. Auf Facebook drückte Shahnewaz seine Bestürzung aus und mobilisierte die Jugend zum erneuten Protest gegen Banshkhali. 

Ein Klimaaktivist aus Bangladesch im Wald, er trägt ein kariertes Hemd, seine Haare zurückgekämmt.

Der Klimaaktivist Shahnewaz Chowdhury setzt sich gegen ein Kohlekraftwerk ein und wurde deshalb inhaftiert.

Daraufhin erstattete der Betreiberkonzern des Kraftwerks, die S. Alam Group, Anzeige gegen ihn und berief sich dabei auf den Digital Security Act (DSA). Shahnewaz habe durch die Verbreitung eines Gerüchts in Online-Netzwerken ­Unruhe gestiftet; er zerstöre den guten Ruf des Unternehmens. Laut den Paragrafen 25, 29 und 31 des DSA sind Falschmeldungen und Beleidigungen im Internet strafbar, die geeignet sind, den Staat oder den religiösen Frieden zu gefährden. Möglich sind bis zu zehn Jahre Haft, im Wiederholungsfall 14 Jahre. 

Am 27. Mai 2021 wurde Shahnewaz inhaftiert. Seine Familie erhielt eine Botschaft, in der ihr "gravierende Folgen" angedroht wurden, sollte sie mit den Medien sprechen. 80 Tage verbrachte Shahnewaz in Haft. Zunächst befand er sich mit 80 weiteren Häftlingen in einer engen Zelle. Nach 15 Tagen folgte die Überstellung in das Zentralgefängnis in Chattogram (früher: Chittagong). Dort gibt es nur eine Dusche für 200 Inhaftierte. Das Essen ist sehr schlecht. Wenigstens durfte er die Zelle für ­einen täglichen Hofgang verlassen.

Nach internationalen Protesten erging am 16. August 2021 die gerichtliche Anweisung, Shahnewaz gegen Kaution freizulassen. Mindestens einmal im Monat muss er seither vor einem Gericht in Chattogram erscheinen. Shahnewaz ist frei – und doch nicht frei. Sein Verfahren dauert an und ist nun vor dem High Court anhängig. Sein Anwalt Abdullah Al Noman sagt: "Shahnewaz Chowdhury hat nur von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Dies ist durch die Verfassung Bangladeschs und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte geschützt, den auch Bangladesch unterzeichnet hat." Im Herbst 2023 wurde der Digital Security Act zwar durch den Cyber Security Act ersetzt, Amnesty wies ­jedoch nach, dass sich an den Bestimmungen so gut wie nichts geändert hat. Die Organisation hat immer wieder willkürliche Inhaftierungen und Polizeigewalt gegen Demonstrierende kritisiert. 

Der Klimaschützer Shahnewaz ist inzwischen auch ein Verteidiger der Meinungsfreiheit. Privat durchläuft er eine schwere Zeit, weil er infolge der Haft seinen Job verloren hat. Mit Gelegenheitsarbeiten hält er sich gerade so über Wasser.

Bernhard Hertlein ist in der Amnesty-Kogruppe Bangladesch aktiv. Mehr Informationen: amnesty-bangladesch.de 

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