Aktuell Iran 19. Oktober 2023

Iran: Johan Floderus muss umgehend freigelassen werden!

Das Bild zeigt das Porträtfoto eines Mannes

Der schwedische Staatsbürger und EU-Mitarbeiter Johan Floderus befindet sich seit dem 17. April 2022 in iranischer Haft, wo er gefoltert und misshandelt wurde (undatiertes Foto).

Der schwedische Staatsangehörige Johan Floderus wurde am 17. April 2022 im Iran festgenommen und befindet sich seither willkürlich in Haft. Es wird befürchtet, dass die iranischen Behörden ihn als Geisel halten. Die schwedischen Behörden sollen offenbar dazu bewegt werden, ihn gegen einen in Schweden inhaftierten ehemaligen iranischen Beamten auszutauschen. Amnesty International fordert die sofortige Freilassung von Johan Floderus.

Angehörige der iranischen Sicherheitskräfte sowie Personen, die vermutlich dem Geheimdienstministerium angehörten, nahmen Johan Floderus am 17. April 2022 fest. Zu dem Zeitpunkt hielt er sich mit Freund*innen im Iran auf. Er wurde mehr als sechs Wochen lang Opfer des Verschwindenlassens, was ein Verbrechen unter dem Völkerrecht darstellt. Während dieser Zeit erhielten weder seine Familie noch die schwedische Regierung Informationen über sein Schicksal oder seinen Verbleib.

Die iranischen Behörden müssen Johan Floderus vor Folter und anderweitiger Misshandlung schützen und dafür sorgen, dass er regelmäßig mit seiner Familie telefonieren kann. Er muss angemessen medizinisch versorgt werden und Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl sowie zu uneingeschränktem konsularischen Beistand durch die schwedischen Behörden erhalten. Die iranischen Behörden müssen umgehend unabhängige, wirksame und unparteiische Ermittlungen gegen alle Personen einleiten, denen rechtswidrige Handlungen wie Folter und Geiselnahme vorgeworfen werden. Die mutmaßlich Verantwortlichen müssen in fairen Gerichtsverfahren zur Rechenschaft gezogen werden.

Seit Johan Floderus willkürlich inhaftiert wurde, haben ihn die iranischen Behörden gefoltert und anderweitig misshandelt. Er verbrachte unter anderem längere Zeit in einer winzigen Zelle in Einzelhaft. Am 14. September 2022 gab Johan Floderus bei seinem ersten Konsularbesuch des schwedischen Botschafters an, dass er in den ersten drei Wochen seiner Haft in Einzelhaft gehalten wurde. Von Mai/Juni 2022 bis Anfang Januar 2023 befand er sich erneut in verlängerter Einzelhaft. Derzeit befindet er sich in Trakt 209 des Teheraner Evin-Gefängnisses, das dem Geheimdienstministerium untersteht. Er wird zusammen mit anderen Gefangenen in einer Zelle festgehalten, in der rund um die Uhr grelles Licht brennt. Johan Floderus hat dem schwedischen Botschafter und seiner Familie gegenüber wiederholt geäußert, dass die Einzelhaft für ihn sehr belastend war. Er berichtete zudem von den Auswirkungen des ständigen grellen Lichts, das ihm das Gefühl für Tag und Nacht raubt und ihm starke Schmerzen, Ängste und Schlafschwierigkeiten bereitet. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass die Behörden ihm ein Bett verweigern und ihn zwingen, nur mit Decken auf dem Boden zu schlafen. Er hat außerdem nur dreimal pro Woche für jeweils dreißig Minuten Zugang zu Tageslicht und frischer Luft.

Amnesty-Posting auf X (ehemals Twitter):

Twitter freischalten

Wir respektieren deine Privatsphäre und stellen deshalb ohne dein Einverständnis keine Verbindung zu Twitter her. Hier kannst du deine Einstellungen verwalten, um eine Verbindung zu den Social-Media-Kanälen herzustellen.
Datenschutzeinstellungen verwalten

Johan Floderus wird überdies der regelmäßige Kontakt zu seiner Familie verwehrt. Sein erstes Telefonat mit seiner Familie fand am 20. Februar 2023 statt, mehr als zehn Monate nach seiner willkürlichen Inhaftierung und unter strengen Kontrollen durch Geheimdienst- und Sicherheitskräfte. Diese bestanden unter anderem darauf, dass er nur auf Englisch mit seiner Familie kommuniziert.

Seit diesem ersten Telefonat darf Johan Floderus nur noch selten und unter ähnlichen Bedingungen telefonieren. In einem Telefongespräch mit seiner Familie am 7. Juni 2023 sagte Johan Floderus, dass er aus Protest gegen die Verweigerung regelmäßiger Telefonate in einen 48-stündigen Hungerstreik getreten sei, was Anlass zu großer Sorge um sein Wohlergehen gab. Im August 2023 trat er erneut in den Hungerstreik, um dagegen zu protestieren, dass ihm der regelmäßige Kontakt zu seinen Familienangehörigen weiterhin verwehrt wurde. Laut einer gut informierten Quelle hatte Johan Floderus seit seiner Inhaftierung im Jahr 2022 keinen Zugang zu medizinischer Versorgung mehr und sah in zwei kurzen Videogesprächen so aus, als hätte er sehr stark an Gewicht verloren.

Am 8. März 2023 wurde Johan Floderus ohne Vorankündigung und ohne Rechtsbeistand oder schwedischen konsularischen Beistand vor die Abteilung 26 des Teheraner Revolutionsgerichts gebracht und darüber informiert, dass er wegen Verstößen gegen die nationale Sicherheit angeklagt sei. Am 19. Juni 2023 musste er erneut vor demselben Revolutionsgericht erscheinen. Wieder wurde ihm das Recht auf eine angemessene Verteidigung verweigert. Ihm wurde im Vorfeld der Verhandlung nur ein kurzes Treffen mit seinen Rechtsbeiständen gestattet, welches Anfang Mai 2023 stattfand. Dabei waren zwei Personen anwesend, bei denen es sich vermutlich um Geheimdienst- und Sicherheitskräfte handelte. Johan Floderus berichtete seiner Familie, dass der Richter ihn vor Gericht zu seinen Reisen und seiner Arbeit als Mitarbeiter der EU befragt und von ihm verlangt habe, auf Englisch zu antworten.

Die Untersuchungen von Amnesty International zeigen immer wieder, dass die Revolutionsgerichte nicht unabhängig sind und harte Urteile gegen Personen verhängen, die von den Sicherheits- oder Geheimdienstbehörden aus politisch motivierten Gründen festgehalten werden. Häufig ergehen die Urteile nach summarischen Gerichtsverfahren, die zumeist heimlich verhandelt werden und bei Weitem nicht den internationalen Standards für faire Verfahren entsprechen. Ende Juli 2022 hatte das iranische Geheimdienstministerium bekanntgegeben, dass es einen ungenannten schwedischen Staatsangehörigen wegen "Spionage" inhaftiert habe, womit vermutlich Johan Floderus gemeint war. Im September 2023 meldeten die staatlichen Medien im Iran, dass Johan Floderus wegen "Spionage für Schweden" inhaftiert sei, was seine Familie und er selbst wiederholt bestritten haben.

Amnesty International ist der Überzeugung, dass Johan Floderus willkürlich inhaftiert ist, da ihm seine Verfahrensrechte vorenthalten werden. So wurde wiederholt gegen seine Rechte verstoßen. Diese betreffen den Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl, das Recht auf eine angemessene Verteidigung, das Recht auf Schutz vor Folter und anderer Misshandlung, auf Unschuldsvermutung, auf wirksame Anfechtung der Rechtmäßigkeit seiner Inhaftierung sowie auf ein Verfahren vor einem unabhängigen, zuständigen und unparteiischen Gericht.

Öffentliche Stellungnahmen iranischer Staatsbediensteter und private Äußerungen iranischer Behördenvertreter*innen gegenüber Johan Floderus nähren die Vermutung, dass er von den iranischen Behörden als Geisel gehalten wird. Die schwedischen Behörden sollen offenbar so zur Herausgabe des ehemaligen iranischen Staatsbediensteten Hamid Nouri bewegt werden. Dieser verbüßt wegen Verbrechen in Verbindung mit den iranischen Gefängnismassakern von 1988 eine lebenslange Haftstrafe in Schweden.

Amnesty-Posting auf X (ehemals Twitter):

Twitter freischalten

Wir respektieren deine Privatsphäre und stellen deshalb ohne dein Einverständnis keine Verbindung zu Twitter her. Hier kannst du deine Einstellungen verwalten, um eine Verbindung zu den Social-Media-Kanälen herzustellen.
Datenschutzeinstellungen verwalten

Am 28. Mai 2023 wurde in den iranischen Staatsmedien ein Interview mit Askar Jalalian, dem stellvertretenden Direktor für Internationales und Menschenrechte des iranischen Justizministeriums, ausgestrahlt. Darin erwähnte er, dass man sich um die Freilassung von Hamid Nouri bemühe. Er sagte, dass die Verhandlungen mit Schweden weiter andauerten und er hoffe, "im Fall von Hamid Nouri bald gute Nachrichten zu haben". Diese Aussage kam zwei Tage nachdem ein anderer ehemaliger iranischer Beamter, Assadollah Asadi, der eine 20-jährige Haftstrafe in Belgien verbüßte, im Rahmen eines Gefangenenaustauschs zwischen Belgien und dem Iran freigelassen und in den Iran zurückgebracht worden war.

Am 20. Juni 2023, dem Tag nach der Anhörung von Johan Floderus vor dem Revolutionsgericht, erklärte ein Sprecher der Justiz, die iranischen Behörden würden weiterhin alles daran setzen, die Freilassung von Hamid Nouri zu erwirken. Zudem merkte er an, dass klar geworden sei, "dass die Folgemaßnahmen im Fall von Assdahollah Assadi zu seiner Freilassung führten". Der Sprecher drückte zudem seine Überzeugung aus, dass Hamid Nouri "bald [in den Iran] zurückkehren werde".

Darüber hinaus riet das schwedische Außenministerium am 29. April 2022, nur wenige Tage nach der willkürlichen Inhaftierung von Johan Floderus, seinen Staatsangehörigen aufgrund der Sicherheitslage von nicht unbedingt notwendigen Reisen in den Iran ab. In der Reiseempfehlung hieß es: "Die Aktivitäten der Strafverfolgungsbehörden und die Auslegung der Gesetze sind möglicherweise rechtswidrig. Aus dem Ausland Einreisende können willkürlich festgenommen und ohne klare Gründe strafverfolgt werden."

Die schwedischen Behörden erkennen mit dieser Empfehlung und ihrem Veröffentlichungszeitpunkt implizit an, dass ihre Staatsangehörigen Gefahr laufen, im Iran willkürlich inhaftiert und von den Behörden als Druckmittel eingesetzt zu werden. Die Beziehungen zwischen dem Iran und Schweden sind angespannt, seit Hamid Nouri im Juli 2022 vor einem schwedischen Gericht wegen Verbrechen im Zusammenhang mit den iranischen Gefängnismassakern von 1988 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Hamid Nouri hat gegen seine Verurteilung und das Strafmaß Rechtsmittel eingelegt. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts wird für Ende November 2023 erwartet.  

Die willkürliche Festnahme von Johan Floderus geschah im Kontext der ausführlich dokumentierten Praxis der iranischen Behörden, Doppelstaatsangehörige und/oder ausländische Staatsangehörige als Druckmittel willkürlich zu inhaftieren. Sowohl der UN-Sonderberichterstatter über die Menschenrechtssituation in der Islamischen Republik Iran als auch die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen kritisieren diese Praxis immer wieder. Angesichts dieser Situation appelliert Amnesty International erneut an alle Staaten, deren Staatsangehörige im Iran inhaftiert sind oder waren, unverzüglich zu prüfen, ob der entsprechende Freiheitsentzug einer Geiselnahme gleichkommt. Falls dies der Fall ist, müssen entsprechend dem Internationalen Übereinkommen gegen Geiselnahme alle angemessenen Maßnahmen ergriffen werden.

Weitere Artikel