Mehrere Inhaftierungen

Deng_Xiaoming

Deng_Xiaoming

Vier bekannte Aktivist_innen, die sich für Arbeitsrechte einsetzen, sind inhaftiert worden. Offenbar stehen ihre Inhaftierungen mit einem systematischen Vorgehen der Behörden gegen Organisationen in Zusammenhang, die im Bereich der Arbeitsrechte in der südöstlichen Provinz Guangdong tätig sind. Dort eskalieren derzeit die Spannungen im industriellen Sektor. Der Verbleib von vier anderen Aktivisten ist derzeit unbekannt. Zahlreiche weitere sind verhört worden.

Appell an

DIREKTOR DER HAFTEINRICHTUNG NR. 1 IN GUANGZHOU
Guangzhou City No. 1 Detention Centre
No. 9 Shigang Beijie

Chatou Guanghailu

Baiyunqu, Guangzhou
VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Dear Director / Sehr geehrter Herr Direktor)

DIREKTOR DER HAFTEINRICHTUNG VON NANHAI
Nanhai District Detention Centre
Shishan Zhaoda Guanliqu
Foshan City
Guangdong province

VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Dear Direktor / Sehr geehrter Herr Direktor)

Sende eine Kopie an

DIREKTOR DER BEHÖRDE FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT DER PROVINZ GUANGDONG
Li Chunsheng
Guangdong Provincial Public Security Department, No. 97 Huanghualu, Guangzhou City
Guangdong Province
VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Dear Director / Sehr geehrter Herr Direktor)
E-Mail: xf@gdga.gov.cn oder info@gdga.gov.cn

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
S. E. Herrn Mingde Shi
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: presse.botschaftchina@gmail.com

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 19. Januar 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Sie Zeng Feiyang, Zhu Xiaomei, He Xiaobo Und Deng Xiaoming unverzüglich und bedingungslos frei.

  • Sorgen Sie bitte dafür, dass Zeng Feiyang, Zhu Xiaomei, He Xiaobo und Deng Xiaoming bis zu ihrer Freilassung uneingeschränkten Zugang zu ihren Familien und Rechtsbeiständen erhalten und vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt sind.

  • Ich fordere Sie zudem auf, sofort Auskunft über den Verbleib und die Rechtslage von Peng Jiayong, Meng Han, He Minghui und Tang Jian zu geben.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Demanding the authorities immediately and unconditionally release Zeng Feiyang, Zhu Xiaomei, He Xiaobo and Deng Xiaoming.

  • Pending their release, urging them to grant Zeng Feiyang, Zhu Xiaomei, He Xiaobo and Deng Xiaoming regular, unrestricted access to their family and lawyers, and ensure they are not subjected to torture and other ill-treatment.

  • Urging the authorities to immediately disclose the whereabouts and legal status of Peng Jiayong, Meng Han, He Minghui and Tang Jian.

Sachlage

Am 4. Dezember wurden Zeng Feiyang, der Direktor der Arbeitnehmerorganisation Panyu Workers' Centre und einer der einflussreichsten Aktivisten für Arbeitsrechte, und die Aktivistin Zhu Xiaomei unter dem Vorwurf der "Versammlung einer Menschenmenge, mit dem Ziel die soziale Ordnung zu stören" inhaftiert. Sie befinden sich derzeit in der Hafteinrichtung Nr. 1 in Guangzhou. Der gegen sie erhobene Vorwurf wird in China häufig genutzt, um Menschenrechtsverteidiger_innen und Aktivist_innen zu unterdrücken. Ein weiterer Arbeitsrechtaktivist, Deng Xiaoming, befindet sich ebenfalls in derselben Hafteinrichtung in Haft. Es ist jedoch nicht bekannt, wessen er angeklagt ist. Der Arbeitsrechtsaktivist He Xiaobo wurde ebenfalls am 4. Dezember wegen mutmaßlicher Unterschlagung in der Hafteinrichtung des Stadtbezirks Nanhai in Foshan inhaftiert. Die Gefängnisbehörden verweigern allen vier Aktivist_innen bisher den Zugang zu ihren Rechtsbeiständen.

Der Verbleib von vier weiteren Arbeitsrechtaktivisten, Peng Jiayong, Meng Han, He Minghui und Tang Jian, ist unbekannt. Es wird befürchtet, dass sie ebenfalls inhaftiert wurden. Zahlreiche andere Aktivist_innen wurden verhört und anschließend wieder freigelassen.

Bereits seit vielen Jahren hat es kein solch hartes Durchgreifen gegen die Arbeitsrechts-Bewegung in China gegeben, wie jetzt während der zunehmenden Spannungen im Industriesektor in Guangdong. Zahlreiche Fabriken in der Region wurden geschlossen oder zu einem Standortwechsel gezwungen. Arbeitnehmer_innen erhielten die ihnen zustehenden Löhne, Abfindungen oder Sozialversicherungsbeiträge nicht. In der Folge ist es in den vergangenen Monaten vermehrt zu Demonstrationen und Streiks gekommen. Die Arbeitnehmerorganisation Panyu Workers' Centre ist eine der Organisationen, die den Arbeiter_innen Unterstützung in Form von Schulungen zum Thema Kollektivverhandlungen bietet, damit sie ihre legitimen Rechte einfordern können.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Hafteinrichtungen, in denen Zeng Feiyang, Zhu Xiaomei, Deng Xiaoming und He Xiaobo festgehalten werden, verweigern ihnen den Zugang zu ihren Rechtsbeiständen, solange sie keine Zustimmung von der Behörde für öffentliche Sicherheit erhalten. Dies stellt einen Verstoß gegen die Strafprozessordnung von China dar, in der es unter Paragraf 37 heißt, dass Hafteinrichtungen für Besuche nur dann eine Zustimmung einer höheren Instanz einfordern dürfen, wenn die Betroffenen im Zusammenhang mit Anklagen wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit, Terrorismus oder schwerer Korruption inhaftiert sind.

Die südöstlich gelegene Industrieprovinz Guangdong wird aufgrund der zahlreichen dort angesiedelten Produktionsstätten, aus denen die größten globalen Industriezweige wie die Textil-, Elektronik-, Verbrauchsgüter- und Spielzeugindustrie beliefert werden, auch "die Fabrik der Welt" genannt.

In den vergangenen Jahren hat China Rechtsvorschriften und Verordnungen zum Schutz der Rechte von Arbeitnehmer_innen eingeführt, deren Umsetzung jedoch nicht sehr weit fortgeschritten ist. Unabhängige Gewerkschaften sind verboten und die nationale Gewerkschaftsorganisation ACFTU (All-China Federation of Trade Unions) ist die einzige Institution, der es erlaubt ist, Arbeitnehmer_innen in China zu vertreten. Der ACFTU angehörige Gewerkschaften auf Unternehmensebene unterstehen häufig der Fabrikleitung und bieten daher kaum Möglichkeiten zum Schutz der Interessen der Arbeiter_innen.

In den vergangenen zehn Jahren sind in China zahlreiche NGOs gegründet worden, die sich dem Schutz der Rechte von Arbeiter_innen widmen. Zeng Feiyang, ein führender Aktivist in diesem Bereich, gründete seine NGO 1998. Er befindet sich seit dem 4. Dezember in Haft. Zwar kam es zeitweise zu Drangsalierungen von Arbeitsrechts-NGOs durch die Behörden und zu Gegenwehr seitens der örtlichen Fabriken, dennoch wurden sie weitgehend toleriert. Die Regierungen der Kommunen und Provinzen unterstützten derartige NGOs sogar, weil bekannt ist, dass sie die soziale Stabilität verbessern, indem sie die Arbeiter_innen durch juristische Bildungsangebote, bei der Klageerhebung und nach Arbeitsunfällen unterstützen und weitere soziale Dienstleistungen anbieten.

Vor dem Hintergrund eines nachlassenden Wirtschaftswachstums in China und der Abwanderung zahlreicher Produktionsstätten aus der Provinz Guangdong aufgrund von ansteigenden Kosten sind Arbeitsrechtsaktivist_innen seit über einem Jahr vermehrt Drangsalierungen und sogar physischen Bedrohungen und tätlichen Angriffen ausgesetzt. China Labour Bulletin, eine NGO, die sich in Hongkong für die Rechte von Arbeiter_innen einsetzt, dokumentierte im November 2015 301 Streiks in China, so viele wie nie zuvor. Davon fanden allein 56 Streiks in der Provinz Guangdong statt und damit zweimal mehr als in allen anderen Provinzen.

Erst im Sommer dieses Jahres waren die Behörden mit beispielloser Härte gegen Anwält_innen und Aktivist_innen vorgegangen. 248 Menschen wurden zum Ziel der Behörden, 25 befinden sich weiterhin in Polizeigewahrsam.