Bahrain: Unfaires Verfahren gegen Abdulhadi Al-Khawaja

Porträtfoto von Abdulhadi Al-Khawaja, der eine Jacke und ein Schal trägt und die Kamera lächelt.

Der bahrainisch-dänische Menschenrechtsverteidiger und gewaltlose politische Gefangene Abdulhadi Al-Khawaja (Archivaufnahme)

Dem dänisch-bahrainischen Menschenrechtsverteidiger Abdulhadi Al-Khawaja wird nach wie vor kein faires Gerichtsverfahren gewährt. Am 29. Dezember 2022 entschied ein Berufungsgericht, dass er nicht das Recht habe, gegen das Urteil eines Strafgerichts wegen Beamtenbeleidigung Rechtsmittel einzulegen. Am 5. Januar 2023 bestätigte das Gericht außerdem seine Verurteilung wegen Zerbrechens eines Stuhls im Gefängnis. Abdulhadi Al-Khawaja wurde nicht zum Gericht gebracht, um an den Anhörungen teilzunehmen. Stattdessen wurde er am 6. Januar 2023 im Raum der Gefängnisbediensteten einer Gegenüberstellung mit dem Beamten, den er beleidigt haben soll, unterzogen. Abdulhadi Al-Khawaja ist ein gewaltloser politischer Gefangener. Er muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

Appell an

Crown Prince and Prime Minister

Sheikh Salman bin Hamad

Court of the Crown Prince

P.O Box 29091


Riffa

BAHRAIN

Sende eine Kopie an

Botschaft des Königreichs Bahrain

S.E. Herrn Abdulla Abdullatif Abdulla Abdullatif

Klingelhöfer Str. 7

10785 Berlin


Fax: 030-8687 7788

E-Mail: info@bahrain-embassy.de

Amnesty fordert:

  • Ich bitte Eure Hoheit hiermit, Abdulhadi Al-Khawaja unverzüglich und bedingungslos freizulassen, seine Verurteilungen aufzuheben und dafür zu sorgen, dass alle neuen Anklagen gegen ihn fallen gelassen werden. Abdulhadi Al-Khawaja ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der nur wegen der friedlichen Ausübung seiner Menschenrechte juristisch verfolgt wird.
  • Bitte sorgen Sie bis zu seiner Freilassung dafür, dass er regelmäßigen Kontakt zu seinem Rechtsbeistand erhält und vor jeglicher Form der Folter oder anderweitiger Misshandlung geschützt ist.

Sachlage

Die beiden Verfahren gegen den gewaltlosen politischen Gefangenen Abdulhadi Al-Khawaja, der sowohl die bahrainische als auch die dänische Staatsbürgerschaft besitzt, wurden vor dem Zweiten Strafgericht verhandelt, ohne dass er an den Anhörungen teilnehmen durfte. Am 29. Dezember 2022 entschied das Gericht, dass Abdulhadi Al-Khawaja nicht das Recht habe, Rechtsmittel gegen seine Verurteilung und gegen die Geldstrafe von 100 Bahrain-Dinar (etwa 250 Euro) einzulegen. In dem Urteil ging es um einen Vorfall vom 30. März 2020, bei dem Abdulhadi Al-Khawaja im Gefängnis gegen das Normalisierungsabkommen mit Israel (Abraham-Abkommen) protestiert und eine Auseinandersetzung mit einem Polizeibeamten gehabt hatte. Das Gericht verschob außerdem seine Anhörung in einem zweiten Strafverfahren auf den 5. Januar 2023. Dabei ging es um die Verurteilung von Abdulhadi Al-Khawaja zu einer Geldstrafe von 60 Bahrain-Dinar (etwa 150 Euro), weil er im November 2021 einen Stuhl zerbrochen und einen Beamten im Jaw-Gefängnis beleidigt haben soll, nachdem ihm verweigert wurde, mit seinen im Ausland lebenden Töchtern zu telefonieren. Seit mittlerweile über elf Jahren verbüßt Abdulhadi Al-Khawaja im Jaw-Gefängnis eine lebenslange Haftstrafe wegen seiner führenden Rolle bei den friedlichen Protesten für politische Reformen in Bahrain im Februar 2011.

Am 5. Januar 2023 übergab sein Rechtsbeistand dem Vorsitzenden Richter ein Schreiben, in dem Abdulhadi Al-Khawaja erklärte, er habe seinen Rechtsbeistand angewiesen, nicht an der gerichtlichen Anhörung teilzunehmen, falls er ihn nicht vor der Verhandlung sprechen darf oder ihm die Teilnahme verwehrt wird. Tatsächlich wurde Abdulhadi Al-Khawaja nicht vor Gericht gebracht, sein Rechtsbeistand nahm deshalb nicht an dem Prozess teil. In ihrer Abwesenheit bestätigte der Richter das Urteil und die Geldstrafe.

Am nächsten Tag berichtet Abdulhadi Al-Khawaja seinen Töchtern in einem Telefongespräch, dass die Gefängnisbediensteten ihn unter dem Vorwand, mit seinem Rechtsbeistand sprechen zu können, ins Verwaltungsgebäude geführt hatten, wo er einer Gegenüberstellung mit dem Beamten, den er beleidigt haben soll, unterzogen wurde. Abdulhadi Al-Khawaja wehrte sich lautstark dagegen, zur Gegenüberstellung in den Raum gezwungen zu werden. Am 8. Januar wurde er schließlich darüber informiert, dass es ihm ab sofort nicht mehr gestattet sei, mit seinem Rechtsbeistand zu telefonieren.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Der bekannte Menschenrechtsverteidiger und gewaltlose politische Gefangene Abdulhadi Al-Khawaja ist 61 Jahre alt, verheiratet und hat vier Töchter und vier Enkel. Er ist Mitbegründer der Menschenrechtsorganisation Gulf Centre for Human Rights (GCHR) und der NGO Bahrain Center for Human Rights (BCHR). Bis Anfang 2011 hat er für die Menschenrechtsgruppe Frontline Defenders als Schutzkoordinator für die Region Nahost und Nordafrika gearbeitet.  Darüber hinaus war er 2003 mit Amnesty International im Rahmen einer Untersuchungskommission im Irak und ist Mitglied des internationalen Beratungsnetzwerks der NGO Business and Human Rights Resource Centre. Er setzt sich friedlich für die Menschenrechte ein und hat bereits mehrere Menschenrechtspreise erhalten. So wurde ihm im Oktober 2013 der Dignity - World without Torture Award verliehen. Zuletzt wurde er 2022 mit dem renommierten Martin Ennals Award for Human Rights Defenders ausgezeichnet.

Bei einem Telefonat am 6. November 2022 berichtete Abdulhadi Al-Khawaja seinen Töchtern, dass ihm eine Reihe weiterer neuer Verfahren drohten. Am 3. November 2022 begann in seiner Abwesenheit ein Prozess vor dem Zweiten Strafgericht. Ihm wurde vorgeworfen, im November 2021 einen Plastikstuhl zerstört und einen Beamten im Jaw-Gefängnis beleidigt zu haben, nachdem ihm verweigert wurde, mit seinen im Ausland lebenden Töchtern zu telefonieren. Eine zweite Anhörung am 16. November wurde auf den 28. November vertagt, weil Abdulhadi Al-Khawaja, der daran teilnehmen wollte, zunächst eine Vollmacht für seinen Rechtsbeistand unterzeichnen sollte. Als er jedoch im Gefängnis darauf wartete, versuchte eine zuständige Sicherheitskraft, ihn dazu zu zwingen, in einer Videoaufzeichnung zu erklären, dass er die Teilnahme an der Anhörung verweigern würde. Er weigerte sich jedoch und wiederholte vor der Kamera mehrfach, dass er an der Anhörung teilnehmen wolle. Daraufhin wurde Abdulhadi Al-Khawaja in seine Zelle zurückgebracht, ohne dass er per Unterschrift seinem Anwalt das Mandat zuweisen konnte.

Am 21. November begann sein zweites Verfahren wegen des Vorwurfs der Beamtenbeleidigung. Dabei geht es um einen Vorfall vom 30. März 2022, als Abdulhadi Al-Khawaja gegen das Normalisierungsabkommen mit Israel (Abraham-Abkommen) protestierte und einem Beamten sagte, dass er nicht mit ihm sprechen wolle und dass er ein schlechter Mensch sei, weil er Gefangene wie Tiere behandle. Diese Anhörung wurde ebenfalls auf den 28. November 2022 verlegt.

Am 28. November 2022 sprach das Gericht Abdulhadi Al-Khawaja in beiden Fällen schuldig. Am 15. Dezember 2022 verabschiedete das Europäische Parlament eine Dringlichkeitserklärung, in der unter anderem der Fall von Abdulhadi Al-Khawaja hervorgehoben und seine Freilassung gefordert wurde. Am 27. Dezember 2022 durfte er zum ersten Mal im Gefängnis seinen Rechtsbeistand sprechen, der zu diesem Zeitpunkt allerdings noch keinen Zugang zu den Gerichtsunterlagen bezüglich der letzten Verurteilungen erhalten hatte.

Nun muss sich Abdulhadi Al-Khawaja in einem dritten Verfahren wegen Anstiftung zum Umsturz der Regierung verantworten. Hintergrund ist ein Vorfall, der sich am 27. Juli 2022 im Gefängnis ereignet hatte, als er aus Protest gegen das Normalisierungsabkommen mit Israel und deren Vorgehen gegenüber Palästinenser*innen die Absetzung des Innenministers gefordert hatte. Der Fall liegt aktuell der Staatsanwaltschaft vor und könnte jederzeit vor Gericht gebracht werden. Im Falle einer Verurteilung drohen Abdulhadi Al-Khawaja bis zu zehn Jahre Haft.

Abdulhadi Al-Khawaja verbüßt im Jaw-Gefängnis wegen seiner Beteiligung an den friedlichen Protesten 2011 in Bahrain eine lebenslange Haftstrafe.

Im Mai 2012 kam die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen zu dem Schluss, dass die Festnahme von Abdulhadi Al-Khawaja willkürlich erfolgte, da sie auf der Ausübung seiner Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung beruhte. Sie rief dazu auf, Abdulhadi Al-Khawaja umgehend freizulassen und ihm das Recht auf Erhalt von Wiedergutmachung zuzugestehen.