Angehörige religiöser Minderheit bedroht

Drei Angehörige der Glaubensgemeinschaft Millah Abraham wurden von der indonesischen Polizei inhaftiert. Sie alle werden allein wegen der friedlichen Ausübung ihrer Rechte auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit der Blasphemie und des Landesverrats angeklagt und sind unverzüglich und bedingungslos freizulassen.

Appell an

POLIZEIPRÄSIDENT
Badrodin Haiti
National Police Headquarters
Jl. Trunojoyo No.3
Kepolisian Negara
Jakaarta Selatan 12110
INDONESIEN
(Anrede: Dear General / Sehr geehrter Herr General)
Fax: (00 62) 21 721 8741
E-Mail: mabes@polri.go.id
Twitter: @DivHumasPolri

KOORDINIERENDER MINISTER FÜR POLITIK-, RECHTS- UND SICHERHEITSFRAGEN
Luhut Panjaitan
Coordinating Ministry for Politics, Law and Security Affairs
Jl. Medan Merdeka Barat No. 15
Jakarta Pusat 10110
INDONESIEN
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 62) 21 345 0918
Twitter: @PolhukamRI

Sende eine Kopie an

LEITER DER NATIONALEN MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Imdadun Rahmat
Jl. Latuharhary No. 4
Menteng, Jakarta Pusat 10310
INDONESIEN
Fax: (00 62) 21 392 5227
E-Mail: info@komnasham.go.id
Twitter: @komnasham

BOTSCHAFT DER REPUBLIK INDONESIEN
S. E. Herrn Fauzi Bowo
Lehrter Straße 16-17
10557 Berlin
Fax: 030-4473 7142
E-Mail: info@indonesian-embassy.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Indonesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 8. Juli 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS, TWITTER-NACHRICHTEN ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte setzen Sie Ahmad Mushaddeq, Andry Cahya und Mahful Muis Tumanurung unverzüglich und bedingungslos auf freien Fuß und lassen Sie die Anklagen gegen sie fallen, da sie allein wegen der friedlichen Ausübung ihres Menschenrechts auf Religionsfreiheit festgenommen wurden.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass Ahmad Mushaddeq, Andry Cahya und Mahful Muis Tumanurung bis zu ihrer Freilassung nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt werden und regelmäßigen Zugang zu ihrer Familie, einem Rechtsbeistand ihrer Wahl und einem unabhängigen Gericht haben.

  • Heben Sie den gemeinsamen Ministerialbeschluss Nr. 93/2016 unverzüglich auf, und erlauben Sie der Gafatar-Gemeinschaft die friedliche Ausübung ihres Rechts auf Religionsfreiheit.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the authorities to immediately and unconditionally release Ahmad Mushaddeq, Andry Cahya and Mahful Muis Tumanurung and drop the charges against them as they have been arrested solely for peacefully exercising their human right to freedom of religion.

  • Calling them to ensure that pending the release of Ahmad Mushaddeq, Andry Cahya and Mahful Muis Tumanurung, they are not tortured or otherwise ill-treated, and have regular access to their family, lawyer of their choice and an independent court.

  • Urging them to immediately rescind Joint Ministerial Decree (No. 93/2016) and allow the Gafatar community to peacefully exercise their right to freedom of religion.

Sachlage

Bei den drei Häftlingen handelt es sich um die ehemaligen führenden Mitglieder der zwangsweise aufgelösten religiösen Minderheitsgruppe Gafatar(Fajar-Nusantara-Bewegung). Die Gruppe gehörte zur Glaubensgemeinschaft Millah Abraham, die sich durch eine Mischung religiöser Lehren aus Islam, Christentum und Judentum auszeichnet. Ahmad Mushaddeq, Andry Cahya und Mahful Muis Tumanurung wurden am 25. Mai von der kriminalpolizeilichen Einheit der indonesischen Landespolizei festgenommen und inhaftiert. Ihnen allen wird Blasphemie nach Paragraf 156(a) sowie Landesverrat (makar) auf Grundlage der Paragrafen 107 und 110 des indonesischen Strafgesetzes vorgeworfen.

Am 29. Februar verabschiedeten der Generalstaatsanwalt, der Innenminister sowie der Religionsminister den gemeinsamen Ministerialbeschluss Nr. 93/2016. Nach dieser Rechtsvorschrift, die einen unmittelbaren Verstoß gegen die internationalen Verpflichtungen Indonesiens zum Schutz der Religionsfreiheit darstellt, ist Millah Abraham verboten und gilt als blasphemisch, ihre Anhänger_innen damit als Ketzer_innen.

Anhänger_innen von Millah Abraham sowie ehemalige Angehörige der Gafatar-Gemeinschaft waren wegen ihrer religiösen Überzeugung bereits zuvor Angriffen und Inhaftierungen ausgesetzt. Im Januar 2016 griff eine aufgebrachte Menschenmenge neun Häuser von Angehörigen der Gemeinschaft im Bezirk Menpawah in Westkalimantan an und steckte diese in Brand. Nach dem Angriff wurden mindestens 2.000 Angehörige der Gemeinschaft von lokalen Sicherheitskräften zwangsweise in vorübergehende Unterkünfte im Bezirk Kubu Raya sowie in der Stadt Pontianak in Westkalimantan und anschließend ohne vorherige Konsultation an verschiedene Orte auf der Insel Java verbracht.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Gafatar wurde im Januar 2012 mit Gemeinden in 14 Provinzen in ganz Indonesien gegründet. Die Gruppe wurde jedoch im August 2015 von ihren Mitgliedern aufgelöst, weil es ihnen nicht gelungen war, eine Zulassung durch das Innenministerium zu erhalten.

Der Indonesische Rat der Ulama (MUI), ein staatlicher Ausschuss islamischer Religionsgelehrter, betrachtet Gafatar als Abwandlung der Organisation Al-Qiyadah, die seit November 2007 als "ketzerisch" gilt. Im April 2008 wurde der Vorsitzende von Al-Qiyadah, Ahmad Mushaddeq, nach Paragraf 156(a) des Strafgesetzes für schuldig befunden und vom Bezirksgericht Süd-Jakarta wegen der Führung einer "ketzerischen Sekte" und der Behauptung, ein Prophet zu sein, zu vier Jahren Haft verurteilt. Im Juni 2008 wurden 21 Mitglieder von Al-Qiyadah vom Bezirksgericht Makassar der Blasphemie nach Paragraf 156(a) des Strafgesetzes für schuldig befunden. Im Juni 2015 verurteilte das Bezirksgericht Banda Aceh sechs Angehörige der Gafatar-Gemeinschaft in der Provinz Aceh wegen Religionsbeleidigung nach Paragraf 156(a) des Strafgesetzes zu vier Jahren Haft. Sie wurden allein wegen der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf Glaubensfreiheit inhaftiert und sind unverzüglich und bedingungslos freizulassen.

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit ist in den Artikeln 28E und 28I der indonesischen Verfassung verankert. Darüber hinaus heißt es in Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten Indonesien gehört, dass dieses Recht die Freiheit umfasst, "eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen", und dass "niemand einem Zwang ausgesetzt werden [darf], der seine Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung seiner Wahl zu haben oder anzunehmen, beeinträchtigen würde".

Amnesty International hat bereits zuvor an die indonesischen Behörden appelliert, alle Rechtsvorschriften und Bestimmungen, die über die nach internationalen Menschenrechtsnormen zugelassenen Einschränkungen der Rechte auf Meinungs- und Gedankenfreiheit sowie der Gewissens- und Religionsfreiheit hinausgehen, außer Kraft zu setzen oder entsprechend der internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Indonesiens zu ändern.