Dalit-Aktivist ohne Anklage inhaftiert

Diese Urgent Action ist beendet.

Der bekannte indische Aktivist Chandrashekhar Azad, der sich für die Rechte der Dalits einsetzt, wurde am 14. September aus einem Gefängnis im Bezirk Saharanpur freigelassen. Er befand sich seit November 2017 ohne Anklagen oder Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft. Grundlage für seine Inhaftierung war das drakonische Gesetz über die nationale Sicherheit.

Dalit-Frauen protestieren in Indien

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Chandrasekhar Azad, ein bekannter Aktivist für die Rechte der Dalit im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh, wird seit dem 3. November 2017 in Verwaltungshaft gehalten. Nur einen Tag zuvor war er nach vier Monaten im Gefängnis seine Freilassung gegen Kaution angeordnet worden. Er läuft aufgrund des Gesetzes über die nationale Sicherheit Gefahr, bis zu zwölf Monate ohne Anklage oder Gerichtsverfahren inhaftiert zu bleiben.

Appell an

Yogi Adityanath

Chief Minister

Room No. 306, (Third Floor)

Lal Bahadur Shastri Bhawan, Lucknow

Uttar Pradesh 226001, INDIEN

Sende eine Kopie an

Zuständiger für Menschenrechtsverteidiger_innen

in der indischen Menschenrechtskommission


Shri Srinivasa Kammath

Manav Adhikar Bhawan

Block-C, GPO Complex, INA

New Delhi, INDIEN

Fax: (0 91) 11 2465 13-29, -30

E-Mail: dr1.nhrc@nic.in

Botschaft der Republik Indien

I. E. Frau Mukta Dutta Tomar


Tiergartenstr. 17

10785 Berlin

Fax: 030–2579 5102

E-Mail:
dcm@indianembassy.de

 

Amnesty fordert:

  • Bitte lassen Sie Chandrasekhar Azad umgehend und bedingungslos aus der Verwaltungshaft frei und gewähren sie ihm ein faires Gerichtsverfahren in Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsstandards.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass Chandrasekhar Azad bis zu seiner Freilassung weder gefoltert noch anderweitig misshandelt wird.
  • Bitte setzen Sie sich zudem dafür ein, dass die Verwaltungshaft gemäß des Gesetzes über die nationale Sicherheit oder eines anderen geltenden Gesetzes, nicht länger angewendet wird.

Sachlage

Chandrasekhar Azad wurde am 8. Juni 2017 festgenommen, weil er nach Zusammenstößen zwischen protestierenden Dalits und Gruppen dominanter Kasten angeblich an Unruhen, Anstiftung zur Gewalt und der Zerstörung von öffentlichem Eigentum beteiligt gewesen sein soll. Zu den Unruhen kam es infolge der Tötung von zwei Männern der Dalit und dem Niederbrennen von mindestens 50 Dalit-Häusern im Dorf Shabbirpur im Bezirk Saharanpur in Uttar Pradesh durch Männer einer dominanten Kaste im April und Mai 2017.

Chandrasekhar Azad war bereits mehr als vier Monate in Haft, als das Hohe Gericht von Allahabad ihn und 14 weitere festgenommene Dalit-Aktivisten am 2. November gegen Kaution freiließ. In Zeitungsberichten wird das Gericht mit der Aussage zitiert, dass die Fälle gegen Chandrasekhar Azad offensichtlich politisch motiviert seien. Am folgenden Tag, noch ehe Chandrasekhar Azad aus dem Gewahrsam entlassen wurde, nahm man ihn gemäß des Gesetzes über die nationale Sicherheit (National Security Act - NSA) aufgrund derselben Vorwürfe erneut fest. Das Gesetz lässt Verwaltungshaft zu.

Chandrasekhar Azad ist der Gründer der "Bhim Army", einer Gruppe von Dalit-Aktivist_innen, die sich gegen Diskriminierung und Gewalt aufgrund der Kastenzugehörigkeit einsetzen und etwa 300 Schulen für die unterprivilegierten Dalit-Kinder betreiben. Bewohner_innen des Dorfes Shabbirpur sind mit der Forderung nach Freilassung von Chandrasekhar Azad in einen Hungerstreik getreten.

Im NSA steht, dass ein außergerichtliches Beratungsgremium den Behörden von Uttar Pradesh innerhalb von sieben Wochen nach der Inhaftierung einen Bericht mit einer Einschätzung darüber vorlegen muss, ob genügend Gründe vorliegen, um die betreffende Person weiterhin in Haft zu halten. Abhängig von der Empfehlung in diesem Bericht, können die Behörden Chandrasekhar Azad ohne Anklage oder Gerichtsverfahren bis zu einem Jahr lang in Haft halten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Das Gesetz über die nationale Sicherheit ermöglicht eine Verwaltungshaft von bis zu zwölf Monaten aufgrund vage formulierter Vorwürfe im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit und dem Erhalt der öffentlichen Ordnung und ist bereits in mehreren indischen Bundesstaaten dazu eingesetzt worden, gegen Menschenrechtsverteidiger_innen vorzugehen. In dem Bericht über ihren Indienbesuch vor dem UN-Menschenrechtsrat 2012 hat die UN-Sonderberichterstatterin über die Lage von Menschenrechtsverteidigern die Aufhebung des NSA gefordert. Der Oberste Gerichtshof von Indien hat das System der Verwaltungshaft als "rechtlos" bezeichnet.

Gesetze zur Verhängung der Verwaltungshaft ermöglichen die Inhaftierung ohne Anklage oder Gerichtsverfahren. Nach dem Völkerrecht ist Verwaltungshaft nur unter besonderen Umständen und unter Einsatz strenger Schutzmechanismen zulässig. In Indien werden Gesetze wie das NSA häufig dazu benutzt, Personen aufgrund vager Anschuldigungen und ohne Beachtung der regulären Schutzmechanismen der Strafjustiz zu inhaftieren. Amnesty International spricht sich gegen jede Form der Verwaltungshaft aus.

Das strenge Kastensystem in Indien basiert auf zugeschriebenen Gruppenidentitäten. Dalits, oft auch die "Unberührbaren" genannt, machen in der traditionellen Kastenhierarchie die unterste Gruppe aus und erfahren häufig Diskriminierung durch Angehörige der höheren Kasten. 2015 wurden landesweit mehr als 45.000 Straftaten gegen Dalits registriert. In mehreren Bundesstaaten wird Dalits häufig der Zutritt zu öffentlichen und sozialen Räumen verwehrt, auch bei der Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen werden sie diskriminiert.