Artikel 23: Recht auf Arbeit, gleichen Lohn

Menschen, die weiße Schilder mit persischer Schrift hochhalten

Demonstration der Lehrergewerkschaft ITTA in der iranischen Hauptstadt Teheran im März 2007

1. Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit. 

 

2. Jeder Mensch, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit. 

 

3. Jeder Mensch, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, die ihm und der eigenen Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert, gegebenenfalls ergänzt durch andere soziale Schutzmaßnahmen. 

 

4. Jeder Mensch hat das Recht, zum Schutz der eigenen Interessen Gewerkschaften zu bilden und solchen beizutreten.*

Gewerkschafter Esmail Abdi im Teheraner Evin-Gefängnis

Der Mathematiklehrer Esmail Abdi verbüßt eine sechsjährige Haftstrafe im Iran wegen seiner Tätigkeit als leitender Sekretär der Lehrergewerkschaft ITTA. Dazu gehörte die Organisation friedlicher Demonstrationen von Lehrerinnen und Lehrern gegen ihre schlechte Bezahlung und die geringen Bildungsausgaben sowie gegen die Inhaftierung von Gewerkschaftsmitgliedern. Nach Einschätzung des Gerichts stellten sie aber "Verbreitung von Propaganda gegen das System" und "Absprache und Planung von Straftaten gegen die nationale Sicherheit" dar, denn unabhängige Gewerkschaften sind im Iran verboten. Nur staatlich zugelassene islamische Arbeiterräte dürfen die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertreten.

Der Gewerkschafter Ismail Abdi

Das Urteil gegen Esmail Abdi fällte ein Revolutionsgericht in Teheran in einem unfairen Prozess im Februar 2016. Er hatte während des gesamten Ermittlungsverfahrens keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl – er musste einen vom Gericht bestellten Pflichtverteidiger akzeptieren. Zudem durfte sein Anwalt vor dem Gerichtsverfahren keine Einsicht in die Akte seines Mandanten nehmen.

Esmail Abdi wurde am 27. Juni 2015 festgenommen, als er ein Visum für eine Auslandsreise zu einem Bildungskongress beantragte. Man hielt ihn 40 Tage lang in Einzelhaft. Dann verlegte man ihn in Zellen, wo er zehn Monate gemeinsam mit verurteilten Straftätern unter sehr schlechten Haftbedingungen festgehalten wurde. Nach einem Hungerstreik kam er am 14. Mai 2016 vorübergehend gegen Kaution frei, doch nachdem das Urteil gegen ihn im Oktober 2016 ihn bestätigt wurde, erfolgte am 9. November 2016 die erneute Festnahme. Er sitzt seitdem im Evin-Gefängnis in Teheran ein.

In einem offenen Brief, den Esmail Abdi im April 2016 aus dem Gefängnis schrieb, erklärte er: "Nach den Beweisen, die zu dem Urteil gegen mich geführt haben, könnte man sagen, dass jede Bemühung, das Leben und die Lebensumstände von Lehrerinnen und Lehrern sowie von Arbeiterinnen und Arbeitern im Iran zu verbessern, als Handlungen gegen die nationale Sicherheit gewertet werden."

Man könnte sagen, dass jede Bemühung, das Leben und die Lebensumstände von Lehrerinnen und Lehrern im Iran zu verbessern, als Handlungen gegen die nationale Sicherheit gewertet werden.

Esmail
Abdi
im Iran inhaftierter Gewerkschafter

Am Vorabend des Tags der Arbeit 2017 trat er in einen Hungerstreik, um gegen die Kriminalisierung von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern im Iran zu protestieren. Dadurch verschlechterte sich sein Gesundheitszustand: Er litt unter Nierenschmerzen, Schwindelanfällen und Blutdruckschwankungen und verlor etwa sieben Kilo Gewicht. Nach 38 Tagen Hungerstreik wurde er in ein Krankenhaus verlegt, aber schon zwei Tage später wieder ins Gefängnis zurückgebracht.

Auch kurz vor dem 1. Mai 2018 trat er wieder in einen Hungerstreik. Daraufhin wurden seine Kontakte zu Familie und Anwalt gesperrt. Nach 23 Tagen brach er den Hungerstreik wieder ab.

Von Dieter Karg, Sprecher der Iran-Kogruppe von Amnesty International in Deutschland

*Amnesty verwendet eine diskriminierungssensibel überarbeitete deutsche Übersetzung der Allgemeinen Erklärung. Den gesamten Text findest du hier.

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