Amnesty Report Vereinigte Arabische Emirate 24. April 2024

Vereinigte Arabische Emirate

Das Bild zeigt viele Menschen mit Protestplakaten

Aktivist*innen demonstrieren bei der Klimakonferenz (COP28) in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten für eine Abkehr von fossilen Energieträgern (12. Dezember 2023).

Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023

Die Behörden schränkten die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit weiterhin in unangemessener Weise ein. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) kamen ihren Verpflichtungen zur Bekämpfung des Klimawandels nicht nach. Arbeitsmigrant*innen, die im Freien arbeiteten, waren nach wie vor nicht ausreichend vor der extremen Hitze im Sommer geschützt. Die Behörden hielten 26 gewaltlose politische Gefangene weiterhin willkürlich inhaftiert, verweigerten einigen von ihnen den Kontakt zu ihren Familien oder schränkten diesen stark ein. Die Behörden stellten mehr als 80 Personen in einem neuen Massenprozess vor Gericht. 

Hintergrund

Im Februar fand in den VAE die Internationale Verteidigungsausstellung und -konferenz 2023 (International Defence Exhibition & Conference) statt, auf der sich Staaten trafen, um Waffengeschäfte zu tätigen, darunter auch Israel, Russland und die USA.

Vom 30. November bis zum 12. Dezember 2023 war das Land Gastgeber der Weltklimakonferenz (COP28) in Dubai. Zum Präsidenten der Konferenz wurde Sultan Al Jaber ernannt, der Vorstandsvorsitzende des staatlichen Erdölkonzerns Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC), was einen Interessenkonflikt hervorrief.

Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit

Die Behörden hielten weiterhin mindestens 26 gewaltlose politische Gefangene inhaftiert, nur weil sie ihre Meinung zum Ausdruck gebracht hatten.

Die Justizbehörde von Abu Dhabi führte während des gesamten Jahres 2023 eine Social-Media-Kampagne durch mit dem Slogan "Deine Freiheit endet an den Grenzen des Gesetzes". Die Gesetzgebung der VAE schreibt für die "Schädigung des Rufs oder des Ansehens des Präsidenten" eine Mindeststrafe von 15 Jahren Gefängnis vor. Für die Teilnahme an einer Demonstration "mit dem Ziel, die öffentliche Ordnung zu stören", droht lebenslange Haft. 

Im April 2023 erklärte die Regierung, es werde während der COP28 "sichere Räume geben, in denen alle Stimmen gehört werden können", sie unternahm aber keinerlei Schritte, um ihre repressiven Gesetze und Maßnahmen zu ändern.

Weder das UN-Klimasekretariat noch die Behörden der VAE veröffentlichten das Gastlandabkommen, das den rechtlichen Rahmen für die Ausrichtung der COP28 vorgab. Die teilnehmenden Aktivist*innen konnten deshalb nicht wissen, ob sie für Aktionen und Äußerungen, die sie in dem von den Vereinten Nationen kontrollierten Bereich der Konferenz ("Blaue Zone") tätigten, Schutz genossen, wenn sie diesen Bereich verließen. In der "Blauen Zone" waren die Einschränkungen für die Zivilgesellschaft ungewöhnlich restriktiv, und außerhalb dieser Zone galten weiterhin die Verbote des Landes, die jede abweichende Meinung kriminalisierten, was zu einer einschüchternden Atmosphäre führte. 

Im Mai 2023 erklärte die Generalstaatsanwaltschaft, dass alle Personen, die Staatsbedienstete mit "Schimpfwörtern" belegten, nach dem Strafgesetzbuch verfolgt und mit Gefängnis bestraft würden. 

Recht auf eine gesunde Umwelt

Im Juli 2023 kündigte die Regierung einen aktualisierten nationalen Klimaschutzbeitrag (Nationally Determined Contribution – NDC) an, der eine stärkere Reduzierung der CO2-Emissionen vorsah. Die staatlichen Maßnahmen erfüllten jedoch weiterhin nicht die Verpflichtung des Landes, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen. Das staatliche Unternehmen ADNOC, das zu den weltweit größten Erzeugern von Treibhausgasen zählte, gab bekannt, es werde seine Produktion fossiler Brennstoffe massiv ausweiten.

Die VAE waren nach wie vor äußerst anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels wie z. B. zunehmende Wasserknappheit und extreme Hitze. Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen der Vereinten Nationen (UN Intergovernmental Panel on Climate Change) ging davon aus, dass in der Weltregion, in der die VAE liegen, die sogenannte Kühlgrenztemperatur, die durch Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit bestimmt wird, einen Wert erreichen oder möglicherweise sogar überschreiten wird, an den Menschen sich nicht mehr anpassen können.

Arbeitnehmer*innenrechte

Mehr als 85 Prozent der in den VAE lebenden Menschen waren ausländische Staatsangehörige, die meisten von ihnen Arbeitsmigrant*innen. 

Trotz der extremen Hitze im Sommer waren die Sicherheitsstandards für Arbeiten im Freien weiterhin so niedrig wie in keinem anderen arabischen Golfstaat. Die Schutzvorkehrungen der Regierung sahen lediglich für die drei Hochsommermonate während der Mittagszeit ein 2,5-stündiges Verbot körperlicher Arbeit im Freien vor, obwohl die Wetterdaten zeigten, dass Arbeiter*innen im Freien mindestens die Hälfte des Jahres und mehr als 2,5 Stunden täglich erheblichen Gesundheitsgefahren durch Hitze ausgesetzt waren. 

Ab Oktober 2023 waren alle in der Privatwirtschaft Beschäftigten verpflichtet, in ein nationales Arbeitslosenprogramm einzuzahlen. Viele Arbeitsmigrant*innen, die die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten in der Privatwirtschaft stellten, hatten daher Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung. Hausangestellte waren jedoch von der Arbeitslosenunterstützung ausgeschlossen. Es gab nach wie vor keinen Mindestlohn für Arbeitsmigrant*innen, die in der Privatwirtschaft oder in Haushalten beschäftigt waren.

Willkürliche Inhaftierung

Von 26 gewaltlosen politischen Gefangenen, die lediglich aufgrund der Ausübung ihrer Menschenrechte inhaftiert waren, hatten 23 ihre Haftstrafe Ende 2023 verbüßt. Sie waren aber dennoch nicht freigelassen worden. Grundlage war ein Gesetz, das eine unbefristete "therapeutische Betreuung zur Bekämpfung extremistischen Gedankenguts" vorsieht.

Im Mai 2023 ersuchten die Behörden Jordanien, den emiratisch-türkischen Staatsbürger Khalaf al-Rumaithi festzunehmen und an die VAE auszuliefern. Khalaf al-Rumaithi zählte zu den 94 Angeklagten in dem als "VAE 94" bekannten Massenprozess in den Jahren 2012/13 und war in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Er lebte ein Jahrzehnt lang im Exil in der Türkei, wo er Asyl und die türkische Staatsbürgerschaft erhielt. Als er am 7. Mai 2023 nach Jordanien reiste, um eine arabische Schule für seinen Sohn zu suchen, wurde er bei seiner Ankunft festgenommen. Zehn Tage später schoben ihn die jordanischen Sicherheitskräfte ab, obwohl eine gerichtliche Entscheidung über den Auslieferungsantrag noch ausstand (siehe Länderkapitel Jordanien). Er wurde in den VAE umgehend inhaftiert und befand sich Ende 2023 noch im Gefängnis.

Am 5. Juni 2023 nahmen Angehörige der Staatssicherheit Mansoor al-Ahmadi fest, der ebenfalls im Massenprozess "VAE 94" angeklagt worden war und zu den beiden einzigen Verurteilten zählte, die 2021 freigekommen waren. Die Behörden hatten ihn nach Verbüßung seiner Strafe noch eineinhalb Jahre lang zu "therapeutischen Betreuungszwecken" in Haft gehalten und erst freigelassen, nachdem sie ein "Geständnis"-Video aufgezeichnet hatten, das nicht veröffentlicht wurde. Nach seiner erneuten Inhaftierung im Juni 2023 wurde er an einem unbekannten Ort ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Er tauchte erst am 7. Dezember 2023 wieder auf, als er in einem weiteren Massenprozess vor Gericht stand. 

Der neue Massenprozess begann noch während der COP28 am 7. Dezember 2023. Unter den 84 Angeklagten befanden sich Menschenrechtsverteidiger und gewaltlose politische Gefangene wie Ahmed Mansoor und Mohamed al-Roken, die bereits seit Jahren wegen "Terrorismus" inhaftiert waren.

Folter und andere Misshandlungen

Ahmed Mansoor befand sich mittlerweile seit mehr als sechs Jahren durchgehend und auf unbestimmte Zeit in Einzelhaft. Er hatte keine Möglichkeit, persönliche Hygieneartikel zu erhalten, und durfte seine nächsten Familienangehörigen nur zwei- bis dreimal im Jahr sehen. Seine Haftbedingungen stellten einen Verstoß gegen das absolute Folterverbot gemäß internationalem Recht dar.

Rechte von Inhaftierten

Die Behörden verweigerten den "VAE 94"-Gefangenen weiterhin jeden Kontakt mit Familienangehörigen, die im Exil lebten. Ende Juni 2023 verboten sie zudem mindestens elf "VAE 94"-Gefangenen sämtliche Telefonate mit ihren Familien, auch mit Angehörigen, die in den VAE lebten. Die Behörden schränkten überdies die Kommunikation von sieben libanesischen Inhaftierten mit ihren Familien im Libanon stark ein, indem sie die Gespräche teilweise auf zwei Minuten begrenzten.

Todesstrafe

Im März 2023 begnadigte die Regierung die israelisch-arabische Staatsbürgerin Fidaa Kiwan, die im Jahr 2022 wegen Drogenbesitzes zum Tode verurteilt worden war. 

Die Gerichte verhängten weiterhin Todesurteile.

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