Prozess wegen Verleumdung

Timor-Leste

Timor-Leste

Die beiden Journalisten Raimundos Oki und Lourenco Vicente Martins sind aufgrund eines Artikels, den sie im Jahr 2015 veröffentlicht hatten, wegen Verleumdung angeklagt worden. Der Premierminister hatte diesen Vorwurf gegen sie erhoben. In dem fraglichen Artikel ging es um Unregelmäßigkeiten während eines Ausschreibungs-prozesses für ein IT-Projekt der Regierung. Bei einer Verurteilung drohen den Journalisten jeweils drei Jahre Haft.

Appell an

JUSTIZMINISTER
Ivo Jorge Valente
Ministry of Justice, Avenida Jacinto Cândido
Dili, TIMOR-LESTE
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
E-Mail: gabinete@mj.gov.tl

STÄNDIGE VERTRETERIN TIMOR-LESTES
BEI DEN VEREINTEN NATIONEN IN GENF
Maria Helena Lopes de Jesus Pires
Rue Pestalozzi 7, 1202 Geneva, SCHWEIZ
(Anrede: Dear Ambassador / Sehr geehrte Frau Botschafterin)
Fax: (00 41) 22 788 3564
E-Mail: info@timor-lestemission.ch

Sende eine Kopie an

OMBUDSMANN FÜR MENSCHENRECHTE UND GERECHTIGKEIT
Chairperson of the Office of the Provedor for Human Rights and Justice
Silverio Pinto Baptista
Estrada de Caicoli, Dili, TIMOR-LESTE
Fax: (00 670) 723 0177
E-Mail: provedoriatl@gmail.com

HONORARKONSUL DER DEMOKRATISCHEN REPUBLIK TIMOR-LESTE
Herr Peter Badge
Steinstraße 8, 10119 Berlin
Fax: 030-609 809 719
E-Mail: consulatetlberlin@typos1.co

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Tetum, Portugiesisch, Englisch, Indonesisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 23. November 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Heben Sie bitte sofort alle Anklagen gegen Raimundos Oki und Lourenco Vicente Martins wegen Verleumdung auf, die gemäß dem Strafgesetzbuch oder einem anderen Gesetz erhoben wurden.

  • Unterlassen Sie es bitte, Journalist_innen nur wegen der friedlichen Ausübung ihres Menschenrechts auf freie Meinungsäußerung anzuklagen oder anderweitig strafrechtlich zu verfolgen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung beinhaltet auch die Freiheit, Informationen und Ideen jeder Art über jegliche Medien zu suchen, zu erhalten und weiterzuleiten. Stellen Sie bitte auch sicher, dass Journalist_innen ihrer Arbeit ohne Angst vor Einschüchterung oder Schikane nachgehen können.

  • Überarbeiten Sie bitte das Strafgesetzbuch und sorgen Sie dafür, dass es mit dem Völkerrecht und internationalen Standards vereinbar ist. Stellen Sie insbesondere sicher, dass die friedliche Arbeit von Journalist_innen nicht kriminalisiert wird.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • To repeal immediately all criminal defamation charges against Raimundos Oki and Lourenco Vicente Martins under the Timor-Leste Criminal Code or any other law.

  • To refrain from bringing criminal charges or any other proceedings against journalists for peacefully exercising the human right to freedom of expression which includes freedom to seek, receive and impart information and ideas of all kinds through any media and ensure they are able to carry out their work without fear of intimidation or harassment.

  • To revise the Criminal Code and bring it into line with international law and standards, in particular to ensure that the peaceful work of journalists is not criminalised.

Sachlage

Am 22. Januar 2016 erhob der Premierminister von Timor-Leste, Rui Maria de Araujo, gemäß Paragraf 285 (1) des Strafgesetzbuchs von Timor-Leste Vorwürfe wegen Verleumdung gegen Raimundos Oki und Lourenco Vicente Martins, zwei ehemalige Journalisten der Tageszeitung Timor Post. Man wirft ihnen falsche Beschuldigungen oder "verleumderischen Angriffe" vor. Grundlage der Vorwürfe war ein Artikel, in dem sie angegeben hatten, dass die Behörden in den Ausschreibungsprozess für ein IT-Projekt der Regierung eingegriffen hatten. Das Gerichtsverfahren soll am 2. Dezember beginnen. Bei einer Verurteilung drohen den Journalisten bis zu drei Jahre Haft.

Am 10. November 2015 veröffentlichte Raimundos Oki, der zu dieser Zeit für die Tageszeitung Timor Post arbeitete, einen Artikel, in dem er von Unregelmäßigkeiten bei einem Ausschreibungsprozess für ein Projekt aus dem Jahr 2014 berichtete, bei dem es um die Lieferung und Installation von IT-Ausstattung in einem neuen Gebäude des Finanzministeriums ging. In dem Artikel wurde angegeben, dass Rui Maria de Araujo, in seiner damaligen Position als Finanzminister, vor Beginn des Prozesses ein Unternehmen empfohlen hatte, und dass dieses Unternehmen die Ausschreibung später gewann. Am 17. November 2015 veröffentlichte der Premierminister eine Antwort auf den Artikel, in der er alle Anschuldigungen von sich wies, die auf der Titelseite der Zeitung veröffentlicht worden waren. Am 18. November veröffentlichte die Timor Post eine Klarstellung, die Korrektur eines faktischen Fehlers in dem Artikel sowie eine Entschuldigung. Lourenco Vicente Martins, der zu diesem Zeitpunkt Herausgeber der Zeitung war, kündigte. Am 22. Januar 2016 wurde Raimundos Oki darüber informiert, dass gegen ihn und Lourenco Vicente Martins strafrechtliche Anklage wegen Verleumdung erhoben wurde. Das Bezirksgericht von Dili setzte den ersten Gerichtstermin für den 7. Oktober fest, verschob ihn später jedoch auf den 2. Dezember.

Im Jahr 2013 wurden Raimundos Oki und ein weiterer Journalist gemäß Paragraf 285 des Strafgesetzbuchs von Timor-Leste wegen Verleumdung für schuldig befunden, weil sie mutmaßliche Korruption im Justizsystem ihres Landes offengelegt hatten. Später sprach ein Gericht sie frei, erließ jedoch eine Geldstrafe gegen beide Journalisten und ihren Informanten in Höhe von etwa 140 Euro, weil sie den Kläger einer psychischen Belastung ausgesetzt hätten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht, Informationen zu erhalten und weiterzuleiten, sowie die Medienfreiheit werden in den Artikeln 40 und 41 der Verfassung von Timor-Leste garantiert. Weiterhin schreibt Paragraf 8 des Mediengesetzes von Timor-Leste, welches vom Nationalparlament am 6. Mai 2014 verabschiedet wurde, vor, dass "das Recht von Journalisten und Journalistinnen auf Berichterstattung auf der Grundlage von verfassungsmäßigen Kompetenzen ausgeübt werden muss und nicht durch Eingriffe eingeschränkt werden darf, die ihre Unabhängigkeit und Objektivität, ihre Niederlassungsfreiheit sowie ihre Gewissensfreiheit bedrohen."

In Paragraf 285 des Strafgesetzbuchs von Timor-Leste wird Verleumdung weiterhin als Straftat aufgeführt. Der Paragraf besagt: "Jede Person, die auf irgendeine Weise vor Behörden oder der Öffentlichkeit und sich der Unwahrheit der Anschuldigung bewusst, eine Person verdächtigt, eine Straftat begangen zu haben, wird mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe bestraft. Voraussetzung hierfür ist, dass sie die Anschuldigungen mit der Absicht erhebt, strafrechtliche Untersuchungen gegen diese Person zu bewirken.

Die Verwendung von Gesetzen gegen Verleumdung mit der Absicht oder dem Ergebnis, legitime Kritik zu verhindern, verstößt gegen das Recht auf Meinungsfreiheit, zu dessen Wahrung und Schutz Timor-Leste als Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verpflichtet ist. Verleumdung sollte von der geschädigten Partei als Gegenstand der Zivilrechtssprechung behandelt werden. Der UN-Menschenrechtsausschuss appelliert an Staaten, Verleumdung zu entkriminalisieren. Der Ausschuss hat betont, dass Gesetze gegen Verleumdung sehr sorgfältig formuliert werden müssen, um sicherzustellen, dass sie den internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen der einzelnen Staaten Rechnung tragen und nicht effektiv das Recht auf freie Meinungsäußerung einschränken. Personen, die der Verleumdung angeklagt sind, sollten überdies das Recht haben, sich zu ihrer Verteidigung auf das öffentliche Interesse zu berufen. Nicht zuletzt ist der Menschenrechtsausschuss der Ansicht, dass unverhältnismäßige Strafen unbedingt zu vermeiden sind. Des Weiteren legt das Völkerrecht fest, dass Beamt_innen mehr Kritik tolerieren müssen, als Privatpersonen.