Neue Anklagen gegen gewaltlose politische Gefangene

Porträt eines Mannes im weissen Umhang und mit einem arabischen Turban

Der Blogger und Menschenrechtsverteidiger Ahmed Mansoor aus den Vereingten Arabischen Emiraten (Archivaufnahme)

Die Menschenrechtler und gewaltlosen politischen Gefangenen Ahmed Mansoor, Mohammed al-Roken und Nasser bin Ghaith stehen gemeinsam mit 84 weiteren Männern in einem neuen Verfahren wegen konstruierter terrorismusbezogener Anklagen vor Gericht. Der Prozess begann am 7. Dezember vor dem Berufungsgericht in Abu Dhabi. Unter den Angeklagten befinden sich 62 Personen, die nach einem Sammelverfahren im Jahr 2013, das als "VAE 94" bekannt ist, zu Unrecht inhaftiert wurden. 

Appell an

President
Sheikh Mohamed bin Zayed bin Sultan Al Nahyan
c/o. Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate
S.E. Herr Ahmed Alattar
Hiroshimastraße 18 – 20
10785 Berlin

 

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Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate
S.E. Herrn Ahmed Alattar
Hiroshimastraße 18 – 20
10785 Berlin
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Sachlage

Ahmed Mansoor, Nasser bin Ghaith, Mohammed al-Roken und 23 weitere gewaltlose politische Gefangene sind Teil einer Gruppe von 87 Männern, gegen die neue konstruierte Vorwürfe erhoben worden sind. Ihr Prozess begann am 7. Dezember vor der Staatssicherheitskammer des Berufungsgerichts von Abu Dhabi. Unter den Angeklagten befinden sich auch 62 politisch Andersdenkende, die in dem als "VAE 94" bekannten unfairen Sammelverfahren, das 2013 abgeschlossen wurde, zu Unrecht zu Haftstrafen verurteilt wurden. In diesem Massenprozess gegen 94 Angeklagte wurden 69 Personen zu Haftstrafen zwischen sieben und 15 Jahren verurteilt, zahlreiche von ihnen wegen ihrer Forderungen nach Reformen und Demokratie. Nach damaligem VAE-Recht war das Urteil endgültig und nicht anfechtbar, was einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellte. Von den 69 verurteilten Männern erhielten fünf eine siebenjährige Haftstrafe, 56 eine zehnjährige Haftstrafe und acht wurden in Abwesenheit zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. 59 der der in diesem Fall Inhaftierten werden weiterhin willkürlich festgehalten, obwohl sie ihre Strafe bereits verbüßt haben.

Der bekannte Menschenrechtsanwalt und ehemalige Präsident des Anwaltsverbands Mohammed al-Roken kam am 17. Juli 2012 in Haft. Im Juli 2013 wurde er nach Abschluss des "VAE 94"-Prozesses zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und einer anschließenden dreijährigen Bewährungszeit verurteilt. Demnach hätte er am 17. Juli 2022 aus der Haft entlassen werden müssen.

Der Menschenrechtsverteidiger Ahmed Mansoor wurde am 20. März 2017 festgenommen und im Mai 2018 zu zehn Jahren Haft verurteilt. Er wurde u. a. für schuldig befunden, "den Status und das Ansehen der Vereinigten Arabischen Emirate und deren Symbole beleidigt" zu haben, einschließlich der politischen Führung. Seit seiner Festnahme wird er in Einzelhaft gehalten. Bis zu seiner Festnahme war er die einzige unabhängige Stimme in den VAE, die sich nach dem Massenprozess von 2013 weiterhin gegen Menschenrechtsverletzungen im Land aussprach.

Der Menschenrechtsverteidiger Nasser bin Ghaith wurde am 29. März 2017 vor dem Berufungsgericht in Abu Dhabi zu zehn Jahren Haft verurteilt. Er wurde unter anderem wegen "Veröffentlichung falscher Informationen" über die Führung der Vereinigten Arabischen Emirate und ihre Politik schuldig gesprochen, weil er in Kommentaren auf X (ehemals Twitter) erklärt hatte, dass ein früherer Prozess gegen ihn und vier andere Personen unfair gewesen sei. Während seines Prozesses im Jahr 2017 schränkten die Behörden den Zugang zu seinem Rechtsbeistand ein, sodass er sich nicht angemessen auf seine Verteidigung vorbereiten konnte.

Hintergrundinformation

Hintergrund

auf Englisch:

According to the Emirates Detainees Advocacy Center (EDAC), a human rights group, the court charged 43 individuals with establishing a "terrorist organization," while 44 others were charged with supporting and endorsing the organization. The "terrorist organization" referred to is the Justice and Dignity Committee, formed by defendants in the UAE94 case in 2010-2011 to call for the respect of human rights in the UAE. Defendants from the earlier UAE94 mass trial were already convicted and sentenced to prison terms in relation to their involvement in the Justice and Dignity Committee in 2013. This contravenes article 19(1) of the Arab Charter for Human Rights, to which the UAE is party, which states: "No one may be tried twice for the same offence. Anyone against whom such proceedings are brought shall have the right to challenge their legality and to demand his release." Defendants’ rights to a fair trial have been violated, including the right to a public hearing in front of an independent and impartial tribunal, their right to adequate defence, their right to be protected from torture and other ill-treatment and their right not to self-incriminate. 

During the second court session on 14 December, family members of prisoners were taken to a separate room to watch the proceedings on a screen; there was no sound, preventing them from hearing proceedings. Since July 2023, the authorities have held the majority of the UAE94 defendants in incommunicado detention and in prolonged solitary confinement. Salim al-Shehhi, a prisoner of conscience, told the court at the 7 December hearing that authorities had compelled him to sign a "confession" while holding him in solitary confinement. The next hearing is scheduled for 21 December.

On 17 May 2023, Turkish-Emirati citizen Khalaf al-Rumaithi, was forcibly deported to the UAE from Jordan. He was one of the UAE 94 sentenced to 15 years in prison in his absence and had been living exile in Türkiye for the past decade, but had flown to Jordan on 7 May 2023 in search of an Arabic school for his children. The state-owned Emirates News Agency, announcing his deportation from Jordan and arrest in the UAE, said that he will face a retrial on the charge of affiliation with an organization "that aims to oppose the foundational principles of the UAE government".

In 2021, Mansoor al-Ahmadi, one the UAE 94 defendants sentenced to seven years in prison, was released about a year and half after his sentence ended. He was re-arrested in June 2023 after attending a summons at the State Security Apparatus in Abu Dhabi. Both Khalaf al-Rumaithi and Mansoor al-Ahmadi are now defendants in the new mass trial. 

The UAE has yet to ratify key human rights treaties, including the International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR) and the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICESCR). Nonetheless many of the provisions of the two covenants are drawn from the Universal Declaration of Human Rights (UDHR), which have over time become part of customary international law and are therefore typically binding on all states.