Marokko: Menschenrechtler wegen Onlinebeiträgen inhaftiert

Das Bild zeigt das Porträtbild eine Mannes

Der marokkanische Menschenrechtsverteidiger Rida Benotmane

+++ Update: am 7.11.22 wurde Rida Benotmane zu drei Jahren Haft verurteilt. Bitte setzt euch verstärkt für ihn ein. +++

Am 9. September 2022 wurde Rida Benotmane von der Polizei in Casablanca zu mehreren Social-Media-Posts und YouTube-Videos befragt, die er 2021 veröffentlich hatte. In den Online-Beiträgen kritisierte das Mitglied der marokkanischen Menschenrechtsorganisation Association Marocaine des Droits Humains das Vorgehen der Behörden, denn diese würden die Rufe nach sozialer Gerechtigkeit ignorieren. In seinen Beiträgen warnte Rida Benotmane auch, dass die marokkanischen Behörden die Corona-Impfpässe als ein Mittel der Unterdrückung einsetzen könnten. Seit seiner Befragung im September ist Rida Benotmane unter konstruierten Anklagen, die sein Recht auf freie Meinungsäußerung verletzen, im Gefängnis Arjat-1 in der Stadt Salé im Nordwesten des Landes inhaftiert. Rida Benotmane muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

Appell an

Head of Government of the Kingdom of Morocco

Mr. Aziz Akhannouch

Palais Royal – Touarga

Rabat 10070

MAROKKO

Sende eine Kopie an

Botschaft des Königreichs Marokko

I.E. Frau Zohour Alaoui


Niederwallstraße 39

10117 Berlin

Fax: 030–2061 2420

E-Mail: kontakt@botschaft-marokko.de

Amnesty fordert:

  • Hiermit bitte ich Sie, anzuordnen, dass Rida Benotmane umgehend freigelassen wird und alle Anklagen gegen ihn fallen gelassen werden.
  • Außerdem fordere ich Sie höflich auf, dafür zu sorgen, dass Journalist*innen, Blogger*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen nicht mehr wegen der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung strafrechtlich verfolgt werden, und dass alle Verfahren, die deshalb gegen sie laufen, gestoppt werden.
  • Und zuletzt bitte ich Sie, Schritte einzuleiten, um Paragrafen, die das Recht auf freie Meinungsäußerung kriminalisieren, aus dem Strafgesetzbuch zu streichen oder zu ändern, einschließlich der Paragrafen 263 und 265.

Sachlage

Der marokkanische Menschenrechtsaktivist Rida Benotmane wurde lediglich für die Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung willkürlich inhaftiert.

Am 9. September 2022 befragten Polizeiangehörige der Brigade Nationale de la Police Judiciaire (BNPJ) in Casablanca Rida Benotmane zu einem Facebook-Post vom 13. September 2021 und zwei YouTube-Videos aus demselben Jahr. In dem Facebook-Post rief Rida Benotmane zu einem öffentlichen Protest gegen Misshandlungen durch Sicherheitskräfte auf, und in den YouTube-Videos kritisierte er die Behörden dafür, dass sie die Rufe der Menschen nach sozialer Gerechtigkeit ignorieren würden, und warnte, dass die Behörden die Corona-Impfpässe als Mittel zur Unterdrückung nutzen könnten. Die BNPJ nahm Rida Benotmane fest und brachte ihn in das Gefängnis Arjat-1, das 30km von seinem Wohnort und dem seiner Familie entfernt in der Hauptstadt Rabat liegt. Seitdem sitzt er dort in Haft. Eine Anhörung zu seinem Fall soll nun am 31. Oktober 2022 stattfinden.

Am 10. September 2022 erhob die Staatsanwaltschaft im erstinstanzlichen Gericht in Rabat Anklage gegen Rida Benotmane. Ihm wurden "Beleidigung eines Staatsorgans" (Paragraf 265 des marokkanischen Strafgesetzbuchs), "Beleidigung von Beamten während der Dienstzeit" (Paragraf 263) und "Übertragung und Verbreitung falscher Anschuldigungen" (Paragraf 447-2) vorgeworfen. Ihm wurde außerdem vorgeworfen, gegen den per Dekret ausgerufenen Gesundheitsnotstand verstoßen zu haben, weil er die Nutzung von Impfpässen kritisiert hatte und gesagt hatte, dass die Impfpässe von den Behörden dazu benutzt werden könnten, Freiheiten einzuschränken.

Die Inhaftierung von Rida Benotmane steht beispielhaft dafür, wie die marokkanischen Behörden gegen kritische Stimmen vorgehen und willkürliche Festnahmen dazu nutzen, friedliche Oppositionelle zum Schweigen zu bringen. Durch seine Inhaftierung wird Rida Benotmanes Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt, obwohl dieses Recht in Menschenrechtsabkommen sowie in der marokkanischen Verfassung verankert ist. Die marokkanische Verfassung garantiert in Kapitel 25 das Recht auf Freiheit des Denkens und der Meinungsäußerung in all ihren Formen. Marokko ist Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR). Darin ist das Recht auf freie Meinungsäußerung in Artikel 19 verankert.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Rida Benotmane ist Mitglied der marokkanischen Menschenrechtsorganisation Association Marocaine des Droits Humains (AMDH). Der politische Aktivist saß zwischen 2007 und 2011 bereits vier Jahre lang wegen seiner Onlinekommentare im Gefängnis.

Nach seiner Festnahme und Inhaftierung am 9. September 2022 war er zwei Wochen lang im Hungerstreik, um gegen seine Inhaftierung zu protestieren. Laut seinem Rechtsbeistand darf Rida Benotmane mit seiner Familie und Rechtsbeiständen pro Woche nur ein paar Minuten lang telefonieren. Alle zwei Wochen ist ihm ein Besuch seiner Familie gestattet; während der maximal 15 gemeinsamen Minuten kann er nur durch eine Fensterscheibe mit seiner Familie sprechen und wird dabei von Gefängnispersonal beaufsichtigt. Rida Benotmane darf seine Zelle nur ein Mal am Tag für einen einstündigen und einsamen Rundgang auf 10m2 Gehfläche verlassen.

In den letzten Monaten gehen die marokkanischen Behörden immer häufiger gegen kritische Stimmen vor. Im April 2022 wurde Saida el Alami, Menschenrechtsverteidigerin und Mitglied der Frauenkollektive Femmes Marocaines contre la détention politique, zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, da sie online über ihre Misshandlung durch die Polizei berichtet und die Unterdrückung von Journalist*innen und Aktivist*innen kritisiert hatte. Im Berufungsverfahren im September 2022 wurde Saida el Alamis Gefängnisstrafe auf drei Jahre verlängert. Im selben Monat wurde auch der Blogger Rabie al-Ablaq für schuldig befunden; er erhielt vier Jahren Gefängnis wegen Beleidigung des Königs in zwei Videos in den Sozialen Medien. Im August 2022 wurde die Bloggerin und Social-Media-Aktivistin Fatima Karim zu zwei Jahren Gefängnis und einer Geldbuße verurteilt wegen Facebook-Beiträgen, in denen sie satirische Kommentare über den Koran äußerte. Seit ihrer Festnahme am 15. Juli befindet sich Fatima Karim in Einzelhaft und hat keinen Kontakt zu Mitgefangenen.