Madagaskar: Umweltschützerin erhält Morddrohungen

Eine Frau steht an einem Waldesrand. Um sie herum liegen überall Holzstücke auf dem Boden.

Die Umweltschützerin Angélique Decampe aus Madagaskar (undatiertes Foto)

Die madagassische Menschenrechtlerin und Umweltschützerin Angélique Decampe setzt sich aktiv für den Schutz des Waldes von Vohibola ein. Am 5. Juli wurde sie in ihrer Wohnung von drei Männern mit dem Tode bedroht, nachdem sie Bilder von illegal geschlagenem Holz gemacht hatte. Die Behörden müssen diese Drohungen gegen Angélique Decampe untersuchen und umgehend Maßnahmen zum Schutz von Umweltschützer*innen ergreifen.

Appell an

Justizministerin

Randriamanantenasoa Landy Mbolatiana

Ministere de la Justice

Lalana Rakolomalala Joel

Antananarivo

MADAGASKAR

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Madagaskar

Frau Ramahazosoa Hantavololona, Botschaftsrätin (Geschäftsträgerin a.i.)

Seepromenade 92

14612 Falkensee

Fax: 033-22 231 29

E-Mail: info@botschaft-madagaskar.de

Amnesty fordert:

  • Leiten Sie bitte dringend eine unabhängige, unparteiische und wirksame Untersuchung der Morddrohungen gegen Angélique Decampe und der Tötung von Mickaël Stenor ein. Stellen Sie die Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht.
  • Ergreifen Sie bitte zudem alle nötigen Maßnahmen, um dafür zu sorgen, dass Angélique Decampe und andere Mitglieder von Razan'ny Vohibola angemessen geschützt werden. Dies muss in Absprache mit ihnen und gemäß ihren Bedürfnissen geschehen und sicherstellen, dass sie ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen ihren friedlichen Aktivitäten zum Schutz des Waldes von Vohibola nachgehen können.

Sachlage

 Angélique Decampe und weitere Mitglieder der Gemeindeorganisation Razan'ny Vohibola sind ständigen Drohungen und Angriffen ausgesetzt, weil sie sich für den Erhalt des Waldes von Vohibola in der madagassischen Region Toamasina einsetzen. Angélique Decampe ist Präsidentin von Razan'ny Vohibola, einem Verband örtlicher Umweltschützer*innen und Menschenrechtler*innen, der zur Verwaltung des Waldes von Vohibola mit dem Regionalbüro des Umwelt- und Nachhaltigkeitsministeriums (DREDD) zusammenarbeitet. Sie und ihr Ehemann Stéphane Decampe sind französisch-madagassische Menschenrechtsverteidiger*innen, die in Madagaskar in der Tourismusbranche tätig sind. Sie betreiben ein Ressort namens Hotel Pangalanes Jungle Nofy in der Nähe des Canal des Pangalanes und engagieren sich für den Schutz des Waldes von Vohibola.

Razan'ny Vohibola – "die Vorfahr*innen von Vohibola" auf Madagassisch – gewann im Juni 2022 einen Prozess gegen einen Wilderer, der wegen seiner illegalen Aktivitäten im Wald von Vohibola zu sechs Monaten Haft verurteilt wurde. Der Verurteilte ist allerdings bisher noch nicht in Gewahrsam genommen worden. Am 5. Juli 2023 fand Angélique Decampe in der Nähe eines Hauses, in dem der Bruder des besagten Wilderers wohnt, einen aus dem Wald geschlagenen Baum. Da es sich hierbei um illegal geschlagenes Holz handelte, machte sie zum Beweis ein Foto. Sie befand sich in der Gegend, weil sie der Tötung eines Krokodils nachging, dessen Schwanz neben einer provisorischen Feuerstelle im Wald gefunden worden war. Daraufhin erschien der Bruder zusammen mit zwei weiteren Männern bei Angélique Decampe zuhause und stieß Morddrohungen gegen sie aus. Er sagte, sie werde sterben und ihre Tochter als Waise zurücklassen.

Die Behörden unternehmen nichts, um den Wald und die Menschen, die sich für seine Bewahrung einsetzen, zu schützen. Dies befeuert einen Kreislauf der Gewalt und erweckt den Anschein, als würden derartige Drohungen und Angriffe von den Behörden gutgeheißen. Mitglieder von Razan'ny Vohibola sind bereits in der Vergangenheit angegriffen worden, ohne dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden. So wurde am 24. Juni 2022 Mickaël Stenor getötet, und zwei weitere Mitglieder der Organisation wurden willkürlich in Haft genommen, um sie einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. 

Hintergrundinformation

Hintergrund

Angélique und Stéphane Decampe sowie weitere Mitglieder von Razan'ny Vohibola zeigen regelmäßig illegalen Holzeinschlag und illegalen Kohleabbau im Wald von Vohibola an, wodurch sie zum Ziel von Drohungen und Angriffen werden. Amnesty International hat ein besorgniserregendes Muster dokumentiert, wonach Gerichte die Beschuldigten häufig freilassen, was Angélique Decampe und ihre Mitstreiter*innen vermuten lässt, dass diese von einflussreichen Personen geschützt werden. Dieses Klima der Straflosigkeit ist nicht nur eine Gefahr für Angélique Decampe, Stéphane Decampe und andere Mitglieder von Razan'ny Vohibola, sondern auch für die Zukunft des Waldes von Vohibola. Der Wald umfasst etwa 2.000 Hektar und ist Staatsbesitz. Er beherbergt eine artenreiche und standortheimische Pflanzen- und Tierwelt, darunter z. B. das kleinste Chamäleon und den kleinsten Frosch der Welt.

Zivilgesellschaftliche Organisationen in Madagaskar fordern die Behörden seit einiger Zeit auf, ein Gesetz zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen und Whistleblower*innen anzunehmen, und haben konkrete Empfehlungen zum Geltungsbereich und Inhalt eines solchen Gesetzes abgegeben, um sicherzustellen, dass es Madagaskars internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen gerecht wird. Der aktuell vom Justizministerium vorgelegte Gesetzentwurf über den Schutz von Menschenrechtler*innen gilt jedoch nicht für Whistleblower*innen und enthält keine konkreten Bestimmungen bezüglich einer Gender-Perspektive beim Ausarbeiten von Schutzmaßnahmen, obwohl Menschenrechtlerinnen mit ganz bestimmten Risiken und Schwierigkeiten konfrontiert sind, für die sowohl die Regierung als auch ihre Gemeinschaften verantwortlich sind. Der Gesetzentwurf liegt dem Parlament vor, ist jedoch noch nicht angenommen worden. Es ist daher möglich, Änderungen zum besseren Schutz von Whistleblower*innen und zur Einführung einer Gender-Perspektive beim Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen vorzunehmen.