Jemen: Richter sofort freilassen!

Das Foto zeigt mit Sturmgewehren bewaffnete Maskierte, die Helm und Uniform tragen und am Rande einer Demonstration Wache stehen.

Zu den Huthi-Truppen gehörende Sicherheitskräfte in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa im Dezember 2023

Abdulwahab Mohammad Qatran, ein Richter und Kritiker der De-facto-Behörden der Huthi, wurde am 2. Januar 2024 willkürlich von Mitgliedern des Sicherheits- und Geheimdienstes der Huthi festgenommen. Sie brachen in sein Haus in Sanaa ein, bedrohten ihn und seine Familie und verhörten sie stundenlang, ohne dass ein*e Anwält*in anwesend war. Der Richter war anschließend drei Tage lang verschwunden. Er wird derzeit in dem von den Huthi kontrollierten Sicherheits- und Geheimdienstgefängnis in Sana'a in Einzelhaft gehalten, und sein Recht auf Rechtsbeistand wird ihm verweigert.

Appell an

SPRECHER DER HUTHI, 
ANSARULLAH-VERTRETER BEI DEN FRIEDENSGESPRÄCHEN

Mohamed Abdelsalam

(Kein Postversand möglich!)

(Anrede: Dear Mohamed Abdelsalam / Sehr geehrter Herr Abdelsalam)

E-Mail: mdabdalsalam@gmail.com

Sende eine Kopie an

Twitter/X: @abdusalamsalah

Amnesty fordert:

  • Ich fordere die De-facto-Behörden der Huthi eindringlich auf, den Richter Abdulwahab Mohammad Qatran unverzüglich und bedingungslos freizulassen, da er nur deshalb inhaftiert ist, weil er friedlich seine Menschenrechte wahrgenommen hat. 
  • Stellen Sie bitte sicher, dass er bis zu seiner Freilassung weder gefoltert noch in anderer Weise misshandelt wird. Gewähren Sie ihm Zugang zu rechtlicher Vertretung, regelmäßigen Familienkontakt und angemessene medizinische Versorgung.

Sachlage

Richter Abdulwahab Mohammad Qatran, ein offener Kritiker der Politik sowie der Menschenrechtsverletzungen der Huthi-de-facto-Behörden, wird seit dem 2. Januar 2024 von den Huthi-Sicherheits- und Geheimdienstkräften willkürlich festgehalten. Der Richter wurde zwei Tage nach Veröffentlichung eines Huthi-kritischen Social-Media-Beitrags am 31. Dezember 2023 festgenommen. Nach seiner Festnahme war er drei Tage lang Opfer des Verschwindenlassens. Dann brachte man ihn in das von den Huthi kontrollierte Sicherheits- und Geheimdienstgefängnis in Sana'a in Einzelhaft. Sein Recht auf eine*n Anwält*in wird ihm weiterhin verweigert. 

Nach Angaben eines seiner Söhne brachen am 2. Januar 2024 gegen 10 Uhr Ortszeit Huthi-Sicherheits- und Geheimdienstkräfte ohne Durchsuchungsbefehl in ihr Haus in der al Zira'a-Straße in Sana'a ein. Sie bedrohten den Richter und seine Familie, richteten die Waffen auf seine Söhne, legten ihnen Handschellen an und hielten den Richter und seine Söhne stundenlang in getrennten Militärfahrzeugen fest. Die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte durchsuchten das Haus des Richters und beschlagnahmten die Telefone, Laptops und privaten Unterlagen der Familie. Sie hielten die Frau des Richters, ihre Tochter und ihre Schwester in einem Raum fest und zwangen die Frau des Richters, ein Vernehmungsprotokoll zu unterschreiben, ohne es gelesen zu haben. Der Richter wurde dann gegen 17.30 Uhr in Haft genommen, seine drei Söhne wurden freigelassen. Ein Sohn gab an, dass er, als die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte ihn aus ihrem Militärfahrzeug aussteigen ließen, ein Auto vollbeladen mit Alkohol sah, das der Nachbarschaft als angeblicher Fund im Haus des Richters gezeigt wurde, um seine Festnahme zu rechtfertigen. Im jemenitischen Strafrecht sind die Herstellung und der Konsum von Alkohol eine Straftat.

Anschließend war der Richter drei Tage lang Opfer des Verschwindenlassens, bis die Behörden der Familie bestätigten, dass er in der Haftanstalt der Sicherheits- und Geheimdienstkräfte in Sana'a festgehalten wurde. Einer seiner Söhne durfte ihn am 6. Januar und dann am 28. Januar kurz besuchen. Bei seinem letzten Besuch, der weniger als eine Minute dauerte, sagte der Richter zu seinem Sohn: "Ich bin so gut wie tot". Seit seiner Festnahme wurde dem Richter der Zugang zu einem*r Anwält*in verwehrt. 

Hintergrundinformation

Hintergrund

Richter Abdulwahab Mohammad Qatran sprach sich vor seiner Festnahme deutlich gegen die De-facto-Behörden der Huthi aus. Er hatte mehrere Beiträge auf X (früher Twitter) veröffentlicht, in denen er die Menschenrechtsverletzungen und die Politik der Huthis kritisierte, darunter auch deren Angriffe im Roten Meer. Am 31. Dezember 2023 schrieb er auf X, dass die 30 Millionen Jemenit*innen die Huthis nicht zum Kampf gegen die USA ermächtigt hätten. Nach Angaben eines seiner Söhne erhielt er daraufhin mehrere Drohungen von Huthi nahestehenden Personen. 

Nach seiner Festnahme reichte seine Familie beim Obersten Justizrat, beim Parlament und beim Ministerium für Menschenrechte offizielle Beschwerden ein, in denen sie die Freilassung des Richters forderte, aber die Angehörigen haben bis heute keine Antwort erhalten. 

Die willkürliche Inhaftierung verstößt gegen die jemenitische Strafprozessordnung und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, dessen Vertragsstaat der Jemen ist. Auch Richter*innen haben das Recht auf Meinungs-, Glaubens-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Die UN-Grundprinzipien für die Unabhängigkeit der Justiz ist Folgendes verschriftlicht: "Gemäß der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte haben Angehörige der Justiz wie andere Bürger*innen das Recht auf Meinungs-, Glaubens-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit." 

Das jemenitische Justizbehördengesetz von 1991 bietet den Richter*innen zusätzlichen Rechtsschutz durch den Hohen Justizrat. Nach Angaben des*r Anwält*in des Richters teilte die Staatsanwaltschaft am 10. Februar mit, dass der Rechtsschutz des Richters nach seiner Festnahme aufgehoben worden sei. Das verstößt gegen Paragraf 87 des jemenitischen Justizbehördengesetzes, in dem es heißt, dass "ein Richter nicht festgenommen oder inhaftiert werden darf, solange keine Genehmigung des Obersten Justizrats vorliegt".

Alle Konfliktparteien im Jemen, die Huthi-de-Facto-Behörden, die international anerkannte jemenitische Regierung und der Südübergangsrat, sind für willkürliche Inhaftierungen, Verschwindenlassen, Schikane, Folter und andere Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren verantwortlich. 

Seit 2015 dokumentiert Amnesty International die Fälle von Dutzenden von Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen, Akademiker*innen, Angehörigen der Minderheit der Baha'i und anderen Personen, die als Oppositionelle oder Kritiker*innen wahrgenommen werden, die von den De-facto-Behörden der bewaffneten Gruppe der Huthi willkürlich festgenommen, gefoltert und anderweitig misshandelt wurden. Auch Fälle von Verschwindenlassen oder Verurteilungen in unfairen Gerichtsverfahren unter Anwendung der Todesstrafe erfasste die Menschenrechtsorganisation. Alle wurden wegen ihrer Arbeit als Journalist*innen oder wegen der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte, einschließlich der Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Glaubensfreiheit, angegriffen.