Jemen: inhaftierter Journalist im Hungerstreik

Die Illustration zeigt eine Videokamera auf einem Stativ neben Stacheldraht vor der Flagge des Jemens.

Der Jemen ist eines der gefährlichsten Länder für Medienschaffende weltweit.

Der Journalist Ahmad Maher muss sich wegen mutmaßlicher Verbreitung falscher und irreführender Nachrichten sowie Unterlagenfälschung vor dem Sonderstrafgericht in Aden verantworten. Er war am 6. August 2022 in Aden festgenommen und bei Verhören auf dem Polizeirevier von Dar Sa'ad von Sicherheitskräften gefoltert und anderweitig misshandelt worden. So wollte man ihn dazu bringen, zu "gestehen", an einem Überfall auf die Polizeiwache im März 2022 beteiligt gewesen zu ein. Er wird nicht angemessen medizinisch behandelt und ihm werden seine Verfahrensrechte vorenthalten, was bedeutet, dass seine Inhaftierung willkürlich ist. Laut seiner Familie befindet sich Ahmad Maher seit dem 17. Januar im Hungerstreik, um ein faires Verfahren einzufordern, und es besteht zunehmend Sorge um seine Gesundheit. 

Appell an

Präsident des Südübergangsrats
President of the Southern Transitional Council
Major General Aidaros Alzubidi
c/o.
Botschaft der Republik Jemen
Schmidt-Ott-Str. 7
12165 Berlin 

Fax: 030 – 89 73 05 62
E-Mail: info@botschaft-jemen.de

Twitter/X: @AidrosAlzubidi

 

 

Sachlage

Der 28-jährige Journalist Ahmad Maher wird von den De-facto-Behörden des Südübergangsrats (Southern Transitional Council – STC) willkürlich im Bir-Ahmad-Gefängnis in Aden festgehalten. Seine Verfahrensrechte sind nicht gewährleistet und er wurde im Gewahrsam gefoltert und anderweitig misshandelt. Um ein faires Verfahren einzufordern, ist er seit Dezember 2023 mehrmals in den Hungerstreik getreten, zuletzt am 17. Januar 2024. Seine Familie macht sich Sorgen um seine Gesundheit. 

Laut Angaben eines Familienmitglieds verschafften sich Sicherheitskräfte des Polizeireviers von Dar Sa'ad am 6. August 2022 ohne Durchsuchungsbeschluss Zutritt zum Haus von Ahmad Maher im Stadtteil Dar Sa'ad, schlugen ihn mit ihren Gewehrkolben und griffen anwesende Familienmitglieder an. Nach seiner Festnahme wurde der Journalist über einen Monat lang auf der Polizeiwache von Dar Sa'ad festgehalten. Während dieser Zeit wurde ihm der Zugang zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand verwehrt. Nach Angaben einer*s Familienangehörigen wurde Ahmad Maher täglich gefoltert und anderweitig misshandelt, unter anderem durch Schläge, Waterboarding, Elektroschocks und Scheinhinrichtungen. Um ihn dazu zu bringen, die Beteiligung an einem Überfall auf die Polizeiwache im März 2022 zu "gestehen", drohten die Sicherheitskräfte damit, seiner Familie, einschließlich seiner Frau und seiner kleinen Tochter, etwas anzutun. Bisher hat Ahmad Maher keinen Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten, auch nicht für Verletzungen im Nabelbereich, die er infolge der Folter erlitt. 

Seit Dezember 2022 muss sich Ahmad Maher wegen mutmaßlicher Verbreitung falscher und irreführender Nachrichten sowie Unterlagenfälschung vor dem Sonderstrafgericht in Aden verantworten. Gemeinsam mit einigen weiteren Inhaftierten wird ihm vorgeworfen, im März 2022 einen Überfall auf die Polizeiwache von Dar Sa'ad verübt zu haben, obwohl die Staatsanwaltschaft nach Angaben seines Rechtsbeistands keinerlei Beweise für die Beteiligung von Ahmad Maher vorgelegt hat. Der Journalist hat seit seiner Festnahme keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Bei einer Anhörung vor dem Sonderstrafgericht am 6. März 2023 sagte er aus, gefoltert worden zu sein und sein "Geständnis" unter Zwang abgegeben zu haben, doch das Gericht ordnete keine Untersuchung der Foltervorwürfe an. Die nächste Anhörung wurde bereits mehrmals verschoben und soll nun am 30. Januar 2024 stattfinden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 4. September 2022 veröffentlichte die Polizeiwache von Dar Sa'ad ein Video, das in den Sozialen Medien geteilt und von nationalen Nachrichtenmedien ausgestrahlt wurde. In dem Video, das von Amnesty International analysiert wurde, ist zu sehen, wie Ahmad Maher sich scheinbar zu Straftaten bekennt, darunter zur Fälschung von Ausweispapieren für Militärangehörige und zur Mitwisserschaft über Mordkomplotte gegen zwei Militärgeneräle des Südübergangsrats. Seinem Rechtsbeistand zufolge wurde das Video nicht von der Staatsanwaltschaft beantragt und auch nicht in deren Beisein aufgenommen. Es verstößt gegen sein Recht auf Unschuldsvermutung. Wenige Tage nach der Veröffentlichung des Videos wurde Ahmad Maher auf dem Polizeirevier von Dar Sa'ad von einem Angehörigen der Staatsanwaltschaft verhört. Dabei waren auch Sicherheitskräfte anwesend, die nach Angaben der Familie des Journalisten an seiner Folterung beteiligt waren. Bei dieser Vernehmung zog Ahmad Maher sein "Geständnis" zurück und erklärte, es sei unter Zwang erfolgt, und bat um medizinische Behandlung. Die Staatsanwaltschaft forderte den Leiter der Polizeistation auf, dies zu ermöglichen, was jedoch abgewiesen wurde. Am 15. September 2022 wurde Ahmad Maher in das Bir-Ahmad-Gefängnis verlegt, wo er weiterhin ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand festgehalten wird. 

Alle Konfliktparteien begehen im Jemen schwere Menschenrechtsverstöße wie z. B. willkürliche Inhaftierung, Verschwindenlassen, Folter und andere Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren. Im November 2023 berichtete die UN-Expert*innengruppe zum Jemen, dass Journalist*innen und Aktivist*innen, die öffentlich den Südübergangsrat kritisieren, von Kräften, die dem Südübergangsrat nahestehen, inhaftiert, bedroht und dem Verschwindenlassen unterworfen werden, um sie so dazu zu bringen, "Geständnisse" zu unterschreiben bzw. abzugeben. Die Expert*innengruppe dokumentierte auch die systematische Folterung von Gefangenen in offiziellen und geheimen Gefängnissen durch dem Südübergangsrat nahestehende Kräfte. 

Im Juli 2018 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht über Fälle des Verschwindenlassens und Menschenrechtsverstöße in Gewahrsam durch Sicherheitskräfte, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt werden, u. a. Angehörige des "Sicherheitsgürtels" im Süden des Jemen. Viele der Festnahmen schienen auf haltlosen Verdächtigungen und persönlichen Fehden zu basieren. In Visier gerieten u. a. ehemalige Kämpfer, die das Militärbündnis 2015 bei der Bekämpfung der Huthis im Süden des Jemen unterstützt hatten, dann aber als Bedrohung wahrgenommen wurden; Sympathisant*innen und Mitglieder der mit dem entmachteten Präsidenten Hadi verbündeten al-Islah-Partei, des jemenitischen Zweigs der Muslimbruderschaft; sowie Aktivist*innen und Kritiker*innen des Militärbündnisses.