Irak/Kurdistan: Neue Anklagen gegen Journalisten

Diese Urgent Action ist beendet.

Am 17. Februar ließen die Behörden der irakischen Region Kurdistan Guhdar Zebari nach mehr als drei Jahren willkürlicher Inhaftierung frei. Der kritische Journalist war im Oktober 2020 zusammen mit vier weiteren Journalisten und Aktivisten festgenommen und in einem grob unfairen Verfahren zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der Prozess war von schweren Menschenrechtsverletzungen geprägt. Guhdar Zebari sollte bereits im August 2023 freigelassen werden, nachdem seine Strafe umgewandelt worden war. Doch mit Hilfe neuer falscher Anschuldigungen wurde er zu weiteren sechs Monaten Haft verurteilt.

Collage aus zwei Fotos, auf denen jeweils ein Mann zu sehen ist, der an einem Tisch sitzt und zur Seite blickt

Die Journalisten Sherwan Sherwani (l.) und Guhdar Zebari vor ihrer Inhaftierung im Oktober 2020 (Archivaufnahmen)

Gegen die inhaftierten Journalisten Sherwan Sherwani und Guhdar Zebari sind neue konstruierte Anklagen erhoben worden. Sie befinden sich seit Oktober 2020 im Gefängnis. Guhdar Zebari hätte am 16. August freigelassen werden sollen, wurde jedoch am selben Tag über neue Anklagen gegen ihn informiert. Sherwan Sherwani hätte am 9. September aus der Haft entlassen werden sollen, doch am 20. Juli verurteilte ihn ein Gericht zu weiteren vier Jahren Haft. Die Journalisten waren im Februar 2021 zusammen mit drei weiteren Aktivisten vor dem Strafgericht in Erbil in einem grob unfairen Verfahren zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die drei Aktivisten wurden am 16. März 2023 aus der Haft entlassen. Guhdar Zebari und Sherwan Sherwani müssen ebenfalls unverzüglich freigelassen werden.

Appell an

Vertreter der Regionalregierung Kurdistan-Irak
KRG Coordinator Office for International Advocacy (OCIA)
Dr. Dindar Zebari
Erbil
Kurdistan Region of Iraq
IRAK

Sende eine Kopie an

Vertretung der Regionalregierung Kurdistan-Irak 
in Deutschland
Herrn Dilshad Mustafa Barzani
P.O. Box 150 101
10633 Berlin
Fax: 030 – 2888 495-29
E-Mail: germany@gov.krd

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Sherwan Sherwani und Guhdar Zebari bitte unverzüglich frei, achten Sie das Recht auf freie Meinungsäußerung und sorgen Sie dafür, dass Journalist*innen ihre Arbeit ohne Furcht vor willkürlicher Festnahme, Strafverfolgung oder Inhaftierung ausüben können.

Sachlage

Die Journalisten Guhdar Zebari und Sherwan Sherwani verbüßen seit Oktober 2020 Haftstrafen, zu denen sie in einem grob unfairen Verfahren verurteilt wurden. Als der Zeitpunkt ihrer Haftentlassung näher rückte, erhob die Staatsanwaltschaft weitere konstruierte Anklagen gegen sie. Vor ihrer Festnahme widmeten sich die Männer in ihrer journalistischen Arbeit den Themen Menschenrechte, Meinungsfreiheit und Korruption in der irakischen Region Kurdistan.

Guhdar Zebari sollte am 16. August 2023 freigelassen werden, wurde aber an diesem Tag von Angehörigen der Sicherheitskräfte der irakischen Region Kurdistan, bekannt als Asayish, über neue Anklagen gegen ihn informiert. Noch am selben Tag trat er in einen Hungerstreik, den er jedoch wieder beendete. Am 23. August 2023 teilten ihm Asayish-Angehörige mit, dass er wegen Besitzes einer nicht zugelassenen Waffe angeklagt sei, was einen Verstoß gegen Paragraf 15 des 2022 verabschiedeten Gesetzes Nr. 2 darstelle. Die Rechtsbeistände von Guhdar Zebari sagten Amnesty International, dass die Sicherheitskräfte zum Zeitpunkt seiner Festnahme im Haus seiner Schwester eine antike Jagdwaffe fanden, wiesen jedoch auch darauf hin, dass es zu diesem Zeitpunkt nicht illegal gewesen sei, keine Lizenz für die Waffe zu haben.

Sherwan Sherwani hätte am 9. September freigelassen werden sollen, doch am 20. Juli verurteilte ihn das Strafgericht in Erbil zu weiteren vier Jahren Haft. Er soll während Guhdar Zebaris Zeit in Einzelhaft dessen Unterschrift in einem Brief an das Reformgefängnis für Erwachsene in Erbil gefälscht haben, in dem die beiden Journalisten derzeit inhaftiert sind. In dem Brief baten die Journalisten die Gefängnisbehörde, einen früheren Antrag auf bedingte Haftentlassung nicht zu berücksichtigen, weil sie der Ansicht waren, dass dieser Antrag keine Aussicht auf Erfolg hatte. Bei der Anhörung von Sherwan Sherwani bestätigte Guhdar Zebari, dass er die Erlaubnis erteilt hatte, das Dokument in seinem Namen zu unterzeichnen.

Die beiden Journalisten sind seit dem 7. Oktober 2020 inhaftiert und wurden im Februar 2021 zusammen mit drei weiteren Aktivisten zu sechs Jahren Haft verurteilt. Grundlage waren Spionagevorwürfe unter weit gefassten und vage definierten Gesetzen. Ihr Prozess verstieß gegen die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren und gegen das Rechtsstaatsprinzip. Im Februar 2022 reduzierte der Präsident der irakischen Region Kurdistan, Nêçîrvan Barzanî, die Strafe von Sherwan Sherwani um die Hälfte und die Strafe von Guhdar Zebari und der drei Aktivisten um 60 Prozent. Die Aktivisten Hariwan Issa, Ayaz Karam und Shvan Saeed kamen im März 2023 frei.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari, Hariwan Issa, Ayaz Karam und Shvan Saeed wurden im Oktober 2020 von Angehörigen der Sicherheitskräfte der irakischen Region Kurdistan, bekannt als Asayish, festgenommen. Am 16. Februar 2021 verurteilte das Strafgericht von Erbil die fünf Angeklagten in einem grob unfairen Verfahren zu sechs Jahren Haft. Die Anklagen lauteten unter anderem auf "Spionage für ausländische Akteure, Weitergabe von sensiblen Informationen an die Kurdische Arbeiterpartei PKK, Gefährdung des Lebens hochrangiger Behördenvertreter*innen der Region Kurdistan und ausländischer Staatsbediensteter durch das Sammeln von Informationen über sie, sowie das Zusammentragen von Waffen mit der Absicht, diese an eine nicht identifizierte bewaffnete Gruppe zu liefern." Amnesty International liegt eine Abschrift des Urteils vor, in dem es heißt, dass alle fünf Männer auf der Grundlage von Paragraf 1 des Gesetzes Nr. 21/2003 des Parlaments der irakischen Region Kurdistan sowie auf der Grundlage der Paragrafen 47, 48 und 49 des irakischen Strafgesetzbuchs von 1969 zu Haftstrafen verurteilt wurden. Diese Gesetze enthalten vage definierte und weit gefasste Formulierungen, die eine strafrechtliche Verfolgung von Handlungen ermöglichen, die nach internationalem Recht nicht als Straftaten anerkannt sind.

Der Prozess im Jahr 2021 war durch schwerwiegende Verstöße gegen das Recht auf ein faires Verfahren gekennzeichnet. So erhoben die Angeklagten Foltervorwürfe, denen nicht nachgegangen wurde, und es kamen durch Folter erzwungene "Geständnisse" zum Einsatz. Den Rechtsbeiständen wurde zudem der rechtzeitige Zugang zu den Prozessakten verweigert. Sherwan Sherwani wurde vor Gericht hauptsächlich beschuldigt, eine Messenger-Gruppe gegründet und diese zum Zweck der Spionage und der Weitergabe sensibler Regierungsinformationen genutzt zu haben. Nachgewiesen wurde dies anhand von Informationen, die auf seinen Elektronikgeräten gefunden wurden. Der Ministerpräsident der irakischen Region Kurdistan, Masrour Barzani, hatte den fünf Angeklagten zuvor vorgeworfen, "Spione" zu sein, die mit ausländischen Regierungen zusammenarbeiteten, um Terroranschläge zu planen.

Am 28. April 2021 erhielt das Berufungsgericht die sechsjährige Gefängnisstrafe der fünf Angeklagten aufrecht. Im Urteil wies das Gericht die Folter- und Misshandlungsvorwürfe der Angeklagten aus Mangel an Beweisen zurück. Gleichzeitig bestätigte es die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Anklagen. Am 2. März 2022 reduzierte Nêçîrvan Barzanî die Strafen der fünf Männer. Hariwan Issa, Ayaz Karam und Shvan Saeed kamen im März 2023 frei. Das Strafmaß von Sherwan Sherwani wurde um die Hälfte reduziert, und seine Entlassung war für den 9. September 2023 vorgesehen. Die Strafe von Guhdar Zebari wurde um 60 Prozent reduziert, und er sollte ursprünglich am 16. März 2023 freigelassen werden. Vor seiner Freilassung verurteilte ihn das Gericht jedoch zu einer zusätzlichen siebenmonatigen Haftstrafe, weil er das Logo auf seinem Auto von Daewoo zu Toyota geändert haben soll, was einen Verstoß gegen Paragraf 279 des Strafgesetzbuches darstellt. Seine Rechtsbeistände erklärten gegenüber den Medien, die Änderung des Logos sei bereits vor dem Kauf des Fahrzeugs erfolgt und die Anklage sei ein "Vorwand", um ihn zu einer weiteren Haftstrafe zu verurteilen. Da diese Strafe später auf fünf Monate reduziert wurde, hätte Guhdar Zebari am 16. August aus der Haft entlassen werden müssen.