Amnesty Report Bangladesch 04. Mai 2012

Bangladesch 2012

 

Amtliche Bezeichnung: Volksrepublik Bangladesch Staatsoberhaupt: Mohammad Zillur Rahman Regierungschefin: Sheikh Hasina Wajed Todesstrafe: nicht abgeschafft Einwohner: 150,5 Mio. Lebenserwartung: 68,9 Jahre Kindersterblichkeit: 52 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 55,9%

Die Regierung hielt ihre Zusage nicht ein, außergerichtlichen Hinrichtungen ein Ende zu setzen. Angehörige des Schnellen Einsatzbataillons (Rapid Action Battalion – RAB), die unter dem Verdacht standen, während des Berichtsjahres mehr als 54 rechtswidrige Tötungen begangen zu haben, wurden weder einem unabhängigen Ermittlungsverfahren unterzogen noch vor Gericht gestellt. Die Regierung unternahm nichts, um ihre neue Politik der Unterstützung von Frauen, die Opfer von Gewalt geworden waren, in die Praxis umzusetzen. Änderungen der für das Internationale Kriegsverbrechertribunal (International Crimes Tribunal) in Bangladesch geltenden Verfahrensregeln verringerten zwar die Möglichkeit unfairer Verfahren gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen für im Jahr 1971 begangene Kriegsverbrechen, schlossen sie aber nicht vollständig aus. Das Recht der in der Bergregion Chittagong Hill Tracts lebenden indigenen Bevölkerung auf ihre Lebensgrundlagen und ihr Land wurde von der Regierung nicht garantiert. Mehr als 49 Personen wurden zum Tode verurteilt und mindestens fünf Männer hingerichtet.

Hintergrund

Im Zuge der im Juni 2011 verabschiedeten fünfzehnten Verfassungsänderung beseitigte das Parlament Bestimmungen, nach denen es einer nicht parteigebundenen Übergangsregierung erlaubt war, Wahlen zu organisieren. Mit der Verfassungsnovelle trat außerdem ein Verbot der Machtübernahme durch das Militär in Kraft. Gleichfalls im Juni gab die Weltbank bekannt, dass sich in Bangladesch der Anteil der unter der Armutsgrenze lebenden Bevölkerung verringert und der Lebensstandard erhöht habe. Allerdings lebten noch immer mehr als 35% der ländlichen und 21% der städtischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Im November verabschiedete das Parlament das Gesetz zur Rückgabe von übertragenem Eigentum (Vested Property Return [Amendment] Act). Das neue Gesetz beendete die rechtlich sanktionierten Verletzungen der wirtschaftlichen und sozialen Rechte von Hindu, indem es ihnen ermöglichte, Eigentum zurückzufordern, das auf der Grundlage des jahrzehntealten Gesetzes zum übertragenen Eigentum (Vested Property Act) konfisziert worden war.

Außergerichtliche Hinrichtungen

Berichten zufolge töteten Angehörige des Schnellen Einsatzbataillons (RAB) im Jahr 2011 mindestens 54 Menschen. Damit ist die Gesamtzahl der durch das RAB getöteten Menschen seit 2004, dem Gründungsjahr des Bataillons, auf über 700 gestiegen. Zahlreiche weitere Menschen wurden vom RAB verletzt oder gefoltert. Familienangehörige berichteten Amnesty International, dass die Opfer in vielen Fällen nicht, wie vom RAB behauptet, in Gefechten zu Tode kamen, sondern nachdem sie vom RAB festgenommen worden waren. Die Behörden unternahmen keine glaubhaften Anstrengungen zur Aufklärung dieser Vorfälle.

  • Am 23. März schossen Angehörige der RAB in Jhalakathi dem 16-jährigen Limon Hossain ins Bein. RAB-Sprecher behaupteten, er sei Mitglied einer kriminellen Bande und verwundet worden, als die RAB-Einsatzkräfte das von der Bande eröffnete Feuer erwiderten. Limon Hossain sagte hingegen aus, dass die RAB-Angehörigen ihn festgenommen und auf ihn geschossen hätten, als er allein gewesen sei und das Vieh nach Hause getrieben habe. Berichten zufolge bestätigten die Schlussfolgerungen einer von der Regierung selbst durchgeführten unveröffentlichten Untersuchung seine Schilderung des Vorfalls. Die Polizei beschuldigte Limon Hossain der versuchten Tötung von RAB-Angehörigen.

Gewalt gegen Frauen

Im Rahmen der neuen, im März 2011 veröffentlichten Nationalen Entwicklungspolitik für Frauen (National Women Development Policy) verkündete das Ministerium für Frauen und Kinder den Plan "die Gewalt gegen Frauen und Kinder sowie ihre Unterdrückung durch Bereitstellung medizinischer Behandlung, Rechtshilfe und Beratung für missbrauchte Frauen und Kinder zu beseitigen". Menschenrechtsorganisationen erklärten, die Behörden hätten den Plan nicht umgesetzt und zahlreichen Frauen und Kindern, die Opfer sexueller oder anderweitiger Gewalt geworden waren, sei von staatlichen Institutionen keinerlei Unterstützung zuteil geworden.

  • Im Oktober wurde die Menschenrechtsverteidigerin Shampa Goswami in der Stadt Satkhira von einer Gruppe von Männern für mehrere Stunden entführt, nachdem sie eine Überlebende einer Gruppenvergewaltigung dazu ermuntert hatte, den Vorfall der Polizei zu melden. Die Entführer drohten Shampa Goswami, ihr Schaden zuzufügen, falls sie das Opfer weiterhin unterstützen würde. Shampa Goswami berichtete Delegierten von Amnesty International, die sie im November in Satkhira besuchten, dass die Polizei ihr Ersuchen um Schutz anfänglich ignoriert habe. Nach einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen versprachen die Behörden jedoch, ihr Schutz zu gewähren.

Internationale Strafverfolgung

Das 2010 eingesetzte Internationale Kriegsverbrechertribunal (International Crimes Tribunal), das die Aufgabe hat, Fälle schwerer Menschenrechtsverletzungen während des Unabhängigkeitskampfs im Jahr 1971 zu verhandeln, begann im Mai 2011 Verfahrensmängel zu beheben, die bisher dazu geführt hatten, dass Prozesse nicht den Geboten der Fairness entsprachen. Die geänderten Verfahrensregeln enthielten die Möglichkeit, eine Sicherheitsleistung zu stellen, sowie den Grundsatz der Unschuldsvermutung und sahen Maßnahmen zum Zeugen- und Opferschutz vor. Das verfassungsmäßige Verbot des Rechts auf Anfechtung der Zuständigkeit des Gerichts blieb jedoch in Kraft.

  • Motiur Rahman Nizami, Ali Ahsan Muhammad Mojahid, Muhammad Kamaruzzaman, Abdul Quader Molla und Delwar Hossain Sayeedi, die der Partei Jamaat-e-Islami angehörten, sowie Salauddin Quader Chowdhury und Abdul Alim von der Bangladesh Nationalist Party wurden wegen Kriegsverbrechen angeklagt. Mit Ausnahme von Abdul Alim, der auf Kaution freigelassen wurde, blieben alle inhaftiert. Fünf Gefangene befanden sich seit mehr als 18 Monaten ohne Anklageerhebung in Gewahrsam. Delwar Hossain Sayeedi wurde im Oktober angeklagt, an Verbrechen der pakistanischen Armee beteiligt gewesen zu sein – Völkermord, Morden, Folterungen und Vergewaltigungen unbewaffneter Zivilpersonen, der Brandstiftung an Häusern von Hindu und der Erzwingung des Übertritts vom Hinduismus zum Islam. Niemand wurde wegen Verbrechen angeklagt, die unmittelbar nach dem Sieg der Unabhängigkeitsbewegung Ende 1971 verübt worden waren.

Rechte indigener Völker

Die Regierung unternahm 2011 keine Anstrengungen, um die Konfiszierung von Land der indigenen Bewohner durch bengalische Siedler in der Bergregion Chittagong Hill Tracts zu verhindern. Dies führte zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gemeinschaften, die die Zerstörung von Eigentum und in einigen Fällen auch Todesopfer zur Folge hatten. Die bengalischen Siedler drangen üblicherweise in das Gebiet der indigenen Bevölkerung ein und nahmen das Land in Besitz, um es anschließend landwirtschaftlich zu nutzen.

Angehörige der indigenen Gemeinschaft berichteten Delegierten von Amnesty International, die das Gebiet im März besuchten, dass die bengalischen Siedler, ermutigt durch die Duldung, die ihre Aktionen seitens der Armee erfuhren, häufig die Unterkünfte der indigenen Bevölkerung in Brand steckten. Obwohl dies in Gegenwart von Soldaten oder anderen Ordnungskräften geschehe, würden diese die Aktionen nicht verhindern.

  • Im März berichteten indigene Bewohner der Stadt Langadu (Verwaltungsbezirk Rangamati) in der Region Chittagong Hill Tracts Amnesty International, dass lokale Beamte und Soldaten der örtlichen Grenzschutzeinheit Bangladeschs einen bevorstehenden gegen sie gerichteten Angriff von bengalischen Siedlern im Dorf Rangipara nicht verhindert hätten. Die Soldaten hätten am 17. Februar tatenlos dabei zugesehen, wie die Siedler ihre Häuser in Brand steckten.

Folter und andere Misshandlungen

Meldungen zufolge führte die Folter an Gefangenen, die sich in Polizeigewahrsam befanden, zum Tod von mindestens drei Personen. Die Regierung gab bekannt, dass gegen jeden Polizisten, der Schuld an diesen Todesfällen trage, strafrechtlich vorgegangen würde. Bis zum Jahresende wurde jedoch niemand angeklagt oder strafrechtlich verfolgt. Die Regierung tat nichts, um Polizisten, Angehörige des RAB oder anderer Sicherheitskräfte vor Gericht zu stellen, die Berichten zufolge Tausende Menschen, die sich in ihrem Gewahrsam befunden hatten bzw. noch befanden, gefoltert hatten.

  • Nach seiner Freilassung im März 2011 berichtete der Zeitungsherausgeber Mahmudur Rahman Amnesty International, dass er in einer Polizeistation auf einem Armeegelände eine ganze Nacht hindurch mit schweren Schlägen auf den Rücken traktiert worden sei. Er war Mitte 2010 festgenommen worden, nachdem er Artikel über mutmaßliche Korruption der Regierung veröffentlicht hatte. Die Schläge waren so heftig gewesen, dass er für einige Stunden das Bewusstsein verlor. Er sagte, er habe keinen Sinn darin gesehen, sich zu beschweren, weil ihm klar gewesen sei, dass die Behörden sich nicht die Mühe machen würden, etwas zu unternehmen.

Todesstrafe

Mindestens fünf Männer wurden 2011 hingerichtet und mehr als 49 zum Tode verurteilt.

Amnesty International: Missionen und Bericht

Vertreter von Amnesty International besuchten Bangladesch in den Monaten März, Juni und November.

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