Amnesty Report Malaysia 04. Mai 2012

Malaysia 2012

 

Amtliche Bezeichnung: Persekutuan Tanah Malaysia Staatsoberhaupt: König Abdul Halim Mu’adzam Shah (löste im Dezember König Tuanku Mizan Zainal Abidin im Amt ab) Regierungschef: Najib Tun Razak Todesstrafe: nicht abgeschafft Einwohner: 28,9 Mio. Lebenserwartung: 74,2 Jahre Kindersterblichkeit: 6,1 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 92,5%

Die Behörden reagierten 2011 mit brutaler Unterdrückung auf Massenproteste, bei denen im Juli in der Hauptstadt Kuala Lumpur faire Wahlen gefordert wurden. Die Polizei schlug die friedliche Kundgebung gewaltsam nieder und nahm im Anschluss mehr als 1600 Personen fest. Im September kündigte die Regierung an, sie wolle das Gesetz zur Inneren Sicherheit durch neue Sicherheitsgesetze ersetzen.

Hintergrund

Najib Tun Razak war im dritten Jahr Ministerpräsident. Obwohl er bis März 2013 Zeit hatte, um Parlamentswahlen anzuberaumen, ließen offizielle Vorbereitungen vermuten, dass sie bereits für Anfang 2012 geplant waren. Das politisch motivierte Strafverfahren gegen Oppositionsführer Anwar Ibrahim wegen homosexueller Handlungen stand kurz vor dem Abschluss. Im Falle einer Verurteilung drohten ihm Haft und ein politisches Betätigungsverbot.

Rechte auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Als die Bersih-Bewegung (malaysisch bersih = sauber) im Juli 2011 in Kuala Lumpur eine Kundgebung veranstaltete, wurden 1667 friedlich Protestierende willkürlich festgenommen und vorübergehend inhaftiert. Die Polizei schlug auf die Demonstrierenden ein und feuerte Tränengas direkt in die Menge. Dabei wurden etliche Personen verletzt, darunter auch mindestens zwei Parlamentsabgeordnete der Opposition. Vor der Demonstration ließen die Behörden zahlreiche Menschen wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung an Bersih festnehmen, da die Regierung die Bewegung am 2. Juli für illegal erklärt hatte.

  • Im Februar verhinderte die Regierung eine Antirassismus-Demonstration der NGO Hindu Rights Action Force (HINDRAF), die sich für die Gleichberechtigung der indischstämmigen Bevölkerung Malaysias einsetzt, und der mit ihr verbundenen Menschenrechtspartei (Human Rights Party). Im April begann der Prozess gegen 52 HINDRAF-Mitglieder wegen Zugehörigkeit zu einer verbotenen Organisation.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Im September 2011 gab Ministerpräsident Najib überraschend bekannt, seine Regierung beabsichtige, das Gesetz zur Inneren Sicherheit (Internal Security Act – ISA) aufzuheben. Die Abschaffung wurde jedoch auf März 2012 verschoben. Außerdem plante die Regierung, das ISA durch ein Gesetz zu ersetzen, das ebenfalls eine unbegrenzte Inhaftierung ohne Anklage oder Prozess vorsieht. Im November wurden 13 weitere Personen auf der Grundlage des ISA inhaftiert.

  • Im August 2011 ließen die Behörden acht Beamte der Einwanderungsbehörde frei, die 2010 auf Grundlage des ISA inhaftiert worden waren. Es war die erste Festnahme in Malaysia wegen mutmaßlicher Beteiligung an Menschenhandel, doch wurden keine Strafverfahren eingeleitet.

  • Im September 2011 wurde ein ISA-Häftling nach Singapur abgeschoben, wo man ihn auf der Grundlage eines ähnlichen Sicherheitsgesetzes inhaftierte. Im Mai nahmen die Behörden den singapurischen Staatsangehörigen Abdul Majid Kunji Mohamad fest. Er wurde verdächtigt, mit der Islamischen Befreiungsfront der Moro (Moro Islamic Liberation Front) auf den Philippinen in Verbindung zu stehen. Er wurde ebenfalls nach Singapur abgeschoben und dort inhaftiert (siehe Länderbericht Singapur).

  • Sechs Mitglieder der Sozialistischen Partei wurden im Juli 2011 an einem unbekannten Ort in Verwaltungshaft gehalten, darunter auch der Parlamentsabgeordnete Jeyakumar Devaraj. Sie waren im Juni in Penang auf dem Weg zu einer Bersih-Veranstaltung festgenommen worden. Ende Juli wurden sie wieder auf freien Fuß gesetzt.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Regierung unterband kritische Äußerungen, indem sie für Publikationen eine staatliche Genehmigung erforderlich machte. Außerdem erhielten Personen, die sich kritisch über die Regierung äußerten, Strafen auf Grundlage des Gesetzes gegen staatsgefährdende Aktivitäten (Sedition Act).

  • Im Februar 2011 erhob das Nachrichtenportal Malaysiakini, eine der führenden unabhängigen Online-Plattformen, Einspruch gegen einen Ablehnungsbescheid der Behörden. Diese hatten es abgelehnt, dem Portal eine Lizenz zur Veröffentlichung einer Zeitung zu erteilen. Im September reagierte das Innenministerium auf den Einspruch und teilte mit, eine Zeitungslizenz sei eher ein "Privileg" als ein Recht. Am Tag vor der Bersih-Kundgebung am 9. Juli wurde die Internetseite von Malaysiakini durch einen Cyberangriff deaktiviert.

  • Im Oktober 2011 nahm die Polizei auf der Grundlage des Sedition Act Ermittlungen gegen den Juraprofessor Aziz Bari auf. Er hatte in einem Beitrag im Internet kritisiert, dass der Sultan von Selangor die Durchsuchung einer Kirche durch die staatliche islamische Religionspolizei unterstützte. Auch die malaysische Kommission für Kommunikation und Multimedia ermittelte gegen Aziz Bari. Außerdem wurde er von seinem Posten an der Internationalen Islamischen Universität Malaysias suspendiert.

Folter und andere Misshandlungen

Durch die gerichtlich angeordneten Prügelstrafen wurden Menschen weiterhin Opfer systematischer Folter und anderer Misshandlungen. Prügelstrafen waren für mehr als 60 Straftaten vorgesehen. Im Juni 2011 gab der Innenminister bekannt, zwischen 2005 und 2010 seien 29759 Arbeitsmigranten wegen Verstößen gegen die Einwanderungsgesetze zu Prügelstrafen verurteilt worden. 60% von ihnen stammten aus Indonesien.

Flüchtlinge und Migranten Im August urteilte der Oberste Gerichtshof Australiens, dass ein bilaterales Abkommen zwischen Australien und Malaysia über den Austausch von Flüchtlingen ungültig sei. Es sah vor, 800 Asylsuchende, die auf dem Seeweg nach Australien gekommen waren, gegen 4000 Flüchtlinge aus Malaysia auszutauschen. Das Urteil untersagte Australien die Überstellung der Asylsuchenden. Zur Begründung hieß es, Malaysia habe die Genfer Flüchtlingskonvention nicht ratifiziert und biete Flüchtlingen keinen ausreichenden rechtlichen Schutz (siehe Länderbericht Australien).

  • Im April 2011 kam es zu einem Aufstand inhaftierter Migranten im Internierungslager Lenggeng bei Kuala Lumpur. In einer polizeilichen Untersuchung wurden u.a. schlechte Haftbedingungen und die unbegrenzte Haftdauer als Ursachen für den Vorfall genannt. Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus werden in Malaysia routinemäßig inhaftiert. Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen Haft- und Prügelstrafen.

  • Am 30. Mai 2011 unterzeichneten Malaysia und Indonesien eine gemeinsame Absichtserklärung bezüglich Migranten, die als Hausangestellte beschäftigt sind. Gemäß der Vereinbarung dürfen indonesische Hausangestellte in Malaysia ihren Reisepass behalten und haben Anrecht auf einen arbeitsfreien Tag pro Woche. Allerdings wurde weder ein Mindestlohn vereinbart noch das Problem der Schuldknechtschaft angesprochen.

  • Im August 2011 schob Malaysia mindestens elf chinesische Staatsangehörige uigurischer Herkunft nach China ab, nachdem sie bei einer gezielten Polizeirazzia festgenommen worden waren. China hatte auf asiatische und andere Staaten Druck ausgeübt, Uiguren mit chinesischer Staatsbürgerschaft nach China rückzuführen. Malaysia verstieß damit gegen den internationalen Grundsatz des Non-Refoulement (Abschiebungsverbot), da bekannt ist, dass Uiguren in China Folter droht.

Todesstrafe

Die malaysische Regierung gab keine Zahlen über die im Jahr 2011 verhängten oder vollstreckten Todesurteile bekannt. Forderungen nach einem Moratorium für Hinrichtungen wiesen die Behörden zurück. Die Gerichte verhängten regelmäßig neue Todesurteile.

  • In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage im April sagte Innenminister Hishammuddin Hussein, seit 1960 seien 441 Personen hingerichtet worden und im Februar 2011 habe es 696 zum Tode verurteilte Gefangene gegeben. Die Mehrzahl der Todesurteile wurde wegen Drogenvergehen (69%) und Mord (20%) verhängt. Beides wird zwingend mit der Todesstrafe geahndet.

Internationale Strafverfolgung

Im März beschloss die malaysische Regierung, dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs beizutreten. Entsprechende Schritte wurden jedoch noch nicht eingeleitet.

  • Im Juni kündigte die Regierung an, dass der sudanesische Präsident Omar Al-Bashir an einem in Malaysia stattfindenden Wirtschaftsforum teilnehmen werde. Gegen Omar Al-Bashir lagen Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Darfur vor. Justizminister Nazri Aziz drängte die Regierung, die Einladung rückgängig zu machen, und verwies auf die Entscheidung Malaysias, sich dem Internationalen Strafgerichtshofs anzuschließen. Der Besuch wurde abgesagt.

Schlagworte

Malaysia Amnesty Report

Weitere Artikel