Aktuell Israel und besetzte Gebiete 11. Januar 2024

Hintergrund: Südafrikas Völkermord-Klage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof

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Anhörung im Verfahren gegen Israel wegen des Verdachts des Völkermords vor dem Internationalen Gerichtshof im niederländischen Den Haag am 11. Januar 2024

Am 29. Dezember 2023 reichte Südafrika einen Antrag am Internationalen Gerichtshof in Den Haag, dem höchsten Gericht der UN, ein. Damit wurde ein Verfahren gegen Israel aufgrund des Verdachts der Verletzung des Übereinkommens über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (UN-Völkermordkonvention) in Gaza durch die Militäroperationen seit dem 7. Oktober 2023 eingeleitet. Daneben beantragte es die Anordnung einstweiliger Verfügungen zur Verhinderung eines Genozids in Gaza durch Israel.

Was geschieht aktuell am IGH?

Das von Südafrika eingeleitete Verfahren beginnt mit einer ersten öffentlichen Anhörung der Parteien am 11. und 12. Januar 024. 

Am 11. Januar 2024 trug Südafrika seinen Antrag vor. Neben der Feststellung des Gerichts, dass Israel in Gaza durch seine Militäroperationen sowie Blockademaßnahmen, die es seit dem Angriff der Hamas auf Israel ausführt, gegen die staatlichen Verpflichtungen der UN-Völkermordkonvention verstößt, beantragt es die gerichtliche Anordnung einstweiliger Maßnahmen zur Verhinderung eines Genozids in Gaza.

Israel als unterzeichnender Staat ist an die UN-Völkermordkonvention gebunden. Diese wurde 1948 aufgrund der Verbrechen Deutschlands am jüdischen Volk beschlossen, im selben Jahr von Israel ratifiziert und trat 1951 in Kraft. Sie verleiht dem IGH Jurisdiktion gegenüber den unterzeichnenden Parteien. Völkermord wird in Art. 2 der Konvention als einer der folgenden Handlungen beschrieben, die in der Absicht begangen wird, "eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe" als solche ganz oder teilweise zu zerstören":

  • Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
  • Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
  • vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
  • Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
  • gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

Die ebenfalls beantragten einstweiligen Anordnungen sind vorübergehende Maßnahmen, die stattfindende Handlungen unterbinden oder das Ergreifen von Maßnahmen gebieten sollen, während die endgültige Entscheidung des Gerichts aussteht. Sie können notwendig sein, um die betroffene Bevölkerung gegen weiteren und unumkehrbaren Schaden zu schützen, und so die Effektivität des Gerichts und seiner Entscheidungen zu sichern.

Voraussetzung für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen oder Verbote sind eine prima-facie-Zuständigkeit des IGH, ein Zusammenhang zwischen den beantragten Maßnahmen und der zugrundeliegenden beantragten Feststellung, die Plausibilität der beantragten Feststellung, die Gefahr des Eintritts unumkehrbarer Umstände vor der endgültigen gerichtlichen Entscheidung, sowie eine Dringlichkeit.

Im vorliegenden Fall behauptet Südafrika die Begehung von Handlungen gem. Art. 2 der Konvention durch Israel durch die anhaltenden Militäroperationen in Gaza. Neben den beschriebenen Handlungen legt Südafrika zudem Aussagen israelischer Regierungs- und Kabinettsmitglieder vor, die die von der Konvention vorausgesetzte Absicht, eine Gruppe ganz oder teilweise zerstören zu wollen, belegen sollen.

Die von Südafrika beantragten einstweiligen Maßnahmen sind die sofortige Einstellung aller Militäroperationen in und gegen Gaza durch Israel, um den ungehinderten Zugang von humanitärer Hilfe zu ermöglichen; die Einhaltung aller Verpflichtungen der UN-Völkermordskonvention durch Israel, insbesondere der Art. 1 bis 3; die Verpflichtung Israels, Dritte daran zu hindern, die Vorschriften der Konvention zu verletzen oder die Verletzung zu unterstützen; die Beweissicherung hinsichtlich des Völkermordvorwurfs zu sichern oder die Sicherung nicht zu behindern; alle Maßnahmen einzustellen, die eine kollektive Bestrafung am palästinensischen Volk oder deren Zwangsvertreibung darstellen.

Israel wird sich am 12. Januar 2024 ausführlich zu den Vorwürfen äußern. Der aktuelle Standpunkt ist die vollumfängliche Abstreitung jeglicher Verletzung der Konvention und die Geltendmachung des Rechts auf Selbstverteidigung aus Art. 51 Der UN-Charta. Südafrika hat sich zu diesem Standpunkt bereits geäußert und vertritt die Ansicht, dass Israel gegen ein vom eigenen Militär besetztes Gebiet kein solches Recht zukommt. Letzteres hatte der IGH bereits im Jahr 2004 in einer Entscheidung bezüglich der Mauer zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten entschieden.

Eine endgültige Entscheidung des IGH wird im Laufe der nächsten Jahre erwartet, die Entscheidung über die Anordnung der einstweiligen Maßnahmen kann jedoch bereits in den nächsten Wochen ausstehen.

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