Aktuell Ukraine 24. März 2022

Ukraine-Krieg: Wie Amnesty Kriegsverbrechen digital aufdeckt

Das Bild zeigt ein Satellitenbild einer Stadt, darauf zu sehen sind orangene Kreise und blaue Pfeile, die Gebäude kennzeichnen, die durch Angriffe zerstört wurden

Das Satellitenbild der ukrainischen Stadt Isjum vom 12. März 2022 zeigt zahlreiche durch russische Angriffe zerstörte oder beschädigte Gebäude.

Wie kommt Amnesty derzeit an Information aus dem Kriegsgebiet? Warum ist es wichtig, Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren? Und wie helfen dabei deine Spenden? Hier ein paar Antworten auf Fragen zu unserer Arbeit, die uns gerade vielfach erreichen.

Wie dokumentiert Amnesty derzeit Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine? 

Derzeit stützen sich Amnesty-Berichte unter anderem auf verifizierte Videos, Fotos, Satellitenbilder und Berichte von Menschen und Organisationen in der Ukraine. Eine zentrale Rolle bei dieser Ferndokumentation von Menschenrechtsverletzungen spielt unser Crisis Evidence Lab

Als Teil des Krisenprogramms von Amnesty International nutzt das interdisziplinäre Team des Evidence Lab modernste digitale Ermittlungsinstrumente, um Menschenrechtsverletzungen aus der Ferne zu dokumentieren und so sicherzustellen, dass wir genaue Informationen aus Konfliktgebieten erhalten.  Im Evidence Lab kommen Expert_innen für Open-Source-Ermittlungen, visuelle Auswertung und Fernerkundungsdaten, Waffenanalyst_innen, Datenwissenschaftler_innen und Entwickler_innen zusammen, um digitale Ermittlungen durchzuführen. 

Amnesty-Tweet über die Situation in der Ukraine:

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Um zuverlässige Aussagen über mögliche Kriegsverbrechen zu treffen, überprüfen sie Informationen aus einer Reihe von Quellen, darunter Berichte von Augenzeug_innen in der Ukraine sowie Videos und Fotos, die vor Ort aufgenommen wurden, sogenannte "nutzergenerierte Inhalte". Sie prüfen dann, ob es sich um das handelt, was es zu sein vorgibt, z. B. wo und wann das Video oder Foto aufgenommen wurde und wer es aufgenommen hat. Dazu gleichen sie es mit Satellitenbildern und anderen öffentlich verfügbaren Informationen wie Wetterberichten und Straßendaten ab.

Waffenexpert_innen überprüfen, welche Waffen eingesetzt wurden, sei es anhand von Bildern der verwendeten Waffen oder anhand der Auswirkungen, die die Waffen hatten.

Seit Beginn der russischen Invasion arbeitet das Evidence Lab daran, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte zu dokumentieren. So haben wir festgestellt, dass russisches Militär wahllos Wohngebiete, Krankenhäuser und Schulen angegriffen hat und dabei unterschiedslos wirkende Waffen und verbotene Streumunition eingesetzt hat. Amnesty hat unter anderem einen russischen Luftangriff mit Fliegerbomben in der ukrainischen Stadt Tschernihiw verifiziert, bei dem Dutzende Zivilpersonen getötet wurden. Satellitenbilder und Berichte von Augenzeug_innen deuten darauf hin, dass die Personen zum Zeitpunkt des Angriffs in einer Schlange für Essen anstanden.

Auf der Website des internationalen Sekretariats findest du eine Liste und eine Karte mit einer Übersicht über alle bisher dokumentierten Angriffe und mögliche Kriegsverbrechen in der Ukraine. 

Weitere Informationen über die Arbeit des Evidence Lab findet ihr auch auf der Website des Evidence Lab (auf Englisch).

Amnesty-Video "Wie wir Menschenrechtsverletzungen aufdecken, ohne vor Ort zu sein":

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Warum ist diese Arbeit wichtig?

Angesichts von Kriegspropaganda, Desinformation und gefälschten Videos aus dem Krieg ist es von zentraler Bedeutung, dass unabhängige Organisationen wie Amnesty International Bilder und Berichte von Gräueltaten auf ihre Echtheit prüfen und durch Abgleich mit anderen Quellen verifizieren. So können wir verlässliche Aussagen über Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht und Menschenrechtverletzungen treffen.

Die Arbeit des Evidence Lab ist ungemein wichtig, um Beweise für Kriegsverbrechen zu sammeln. Sie erstellen Dokumentationen, die in Zukunft verwendet werden können, um die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht zur Rechenschaft zu ziehen. Das Evidence Lab erzählt damit auch die Geschichten der Menschen, die am unmittelbarsten von diesem Konflikt betroffen sind.

Wie geht das Evidence Lab genau vor?

Je nachdem, wonach sie suchen, setzen die Mitarbeiter_innen des Evidence Lab eine ganze Reihe von Überprüfungsmethoden ein. Einige Beispiele:

Geo- und Chrono-Lokalisierung

So lässt sich bestätigen, wo und wann ein Video oder Foto aufgenommen wurde. Dies kann durch einen Abgleich des zu verifizierenden Materials mit Satellitenbildern, bodennahen Aufnahmen und anderen öffentlich zugänglichen Informationen erfolgen. Dabei wird überprüft, ob die auf den fraglichen Aufnahmen abgebildeten Landschaften, Bäume, Gebäude oder Straßen mit denen auf Vergleichsfotos oder aus anderen Bildquellen übereinstimmen.

Auch Wetterdaten werden daraufhin ausgewertet, ob sie mit den Bedingungen übereinstimmen, die zum Zeitpunkt der angeblichen Aufnahme des untersuchten Fotos oder Videos am fraglichen Ort herrschten. 

Fernerkundung

Dabei nutzen die Expert_innen Satellitenbilder und Bilder anderer Darstellungsmethoden wie Radar und LiDAR, um nach Anzeichen für Angriffe wie zerstörte Gebäude, Krater, Trümmer, Truppen- oder Waffenbewegungen zu suchen. Die Vogelperspektive ist außerdem wichtig, um die Dynamik von Angriffen verstehen und mögliche Ziele ermitteln zu können.

Identifizierung von Waffen

Die Waffenexpert_innen von Amnesty International analysieren Fotos, Videos und andere Daten, um zu überprüfen, welche Waffen eingesetzt werden und ob deren Einsatz zu Menschenrechtsverletzungen führt. Dazu gehört beispielsweise die Untersuchung der Form eines von einer Rakete hinterlassenen Kraters, die Auswertung von Filmmaterial eines Luftangriffs oder die Untersuchung von Fotos, die Waffenreste zeigen. Außerdem analysieren die Expert_innen Handelsdaten der Waffen, wie eingravierte Modell- oder Artikelnummern, um so Rückschlüsse auf deren Herkunft ziehen zu können.

Augenzeug_innen

Das Evidence Lab arbeitet auch mit Expert_innen zusammen, die Interviews mit Augenzeug_innen von Angriffen durchführen. Diese Zeugenaussagen können digitale Belege untermauern.

Archivierung und Dokumentation

Das Evidence Lab katalogisiert und archiviert alle Originalbelege und dokumentiert die angewendeten Überprüfungs- und Analysemethoden. Unser Ziel ist es, die juristische Aufarbeitung dokumentierter Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu unterstützen und unsere Beweise zur Verfügung stellen, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Wie kann ich die Arbeit des Evidence Lab unterstützen?

Mit einer Spende an Amnesty kannst du die wichtige Dokumenationsarbeit des Teams unterstützen. Hier geht es zu unserer Spendenseite.

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