Amnesty Journal Deutschland 31. Mai 2021

"Amnesty wird genauso alt wie ich"

Eine Frau mit rot-braunem Haar, eckiger Brille und Lippenstift, trägt eine Halskette und ein Halstuch.

"Immer in Gedanken bei Amnesty dabei": Sabine Zarmann.

Eine Amnesty-Förderin und ein Amnesty-Mitglied sind am 28. Mai 2021 genau 60 Jahre alt geworden – so wie auch Amnesty International. Wir haben mit Sabine Zarmann und Detlef Roggenkemper gesprochen.

Vor 60 Jahren, am 28. Mai 1961, veröffentlichte Peter Benenson in der Zeitung The Observer den Artikel "The Forgotten Prisoners". Er rief Leser_innen dazu auf, mit Appellschreiben Druck auf ­Regierungen auszuüben und die Freilassung politischer Gefan­gener zu fordern. Es ist die Geburtsstunde von Amnesty Inter­national.

Ebenso wie die Organisation werden auch die Amnesty-Förderin Sabine Zarmann und Mitglied Detlef Roggenkemper am 28. Mai 60 Jahre alt. Im Interview erzählen sie, was sie sich zum Geburtstag wünschen und warum sie die Organisation unter­stützen.

Interview: Lea De Gregorio und Maik Söhler

Sie sind auf den Tag genauso alt wie Amnesty. Was bedeutet das für Sie?

Sabine Zarmann: Ich habe relativ früh gemerkt, dass Amnesty und ich am selben Tag geboren sind. Auf ganz vielen Geburtstagsfeiern habe ich gesagt: Amnesty wird genauso alt wie ich. Und ich finde das schön, weil Amnesty eine unterstützenswerte Organisation ist. Meine Kollegin hat am 20. April Geburtstag, also am selben Tag wie Adolf Hitler. Das ist kein so schönes Datum.

Detlef Roggenkemper: Ich wäre nie darauf gekommen. Ehrlich gesagt habe ich auch schon mal meinen eigenen Geburtstag vergessen. Als ich gehört habe, dass Amnesty genauso alt ist wie ich, dachte ich: Was für ein Zufall! Die Idee mit dem Interview fand ich dann sehr ulkig. Auch wenn ich nicht so gerne Interviews gebe.

Wie sind Sie dazu gekommen, Amnesty zu unterstützen?

Roggenkemper: Mein Vater war als junger Mensch im Krieg und in Kriegsgefangenschaft. Ich bin damit groß geworden, dass Deutschland eine üble Vergangenheit hat. Daher finde ich, dass Amnesty eine ganz wichtige Sache ist. Einfach, weil es viele Länder gibt, in denen etwas passieren muss, um für mehr Menschlichkeit zu sorgen und sie zu erhalten. Da ist internationaler Einsatz gefordert. Gerade als Deutscher finde ich es sehr wichtig, sich zu beteiligen. Ich war in den 1980er-Jahren schon mal Mitglied, und dann hat sich das verloren. Und vor ein paar Jahren habe ich gesehen, dass mein ältester Sohn Post von Amnesty ­bekommen hat. Das war für mich der Startschuss, um das zu ­erneuern.

Zarmann: Bei mir ist das ähnlich. Mein Vater ist Jahrgang 1921 und war in Kriegsgefangenschaft. Meine Mutter kommt aus dem damaligen Schlesien und war Flüchtling. Ich selbst bin dann in Studentenzeiten auf Amnesty gestoßen. Als Studentin habe ich – damals noch mit dünnem Luftpostpapier – bei Urgent Actions mitgemacht. Seitdem bin ich dabei. Zeitweise war ich Mitglied, zeitweise Förderin.

Ein Mann mit hoher Stirn trägt eine Brille, Hemd und Krawatte und lächelt.

Amnesty-Mitglied Detlef Roggenkemper.

Was ist das Besondere an Amnesty?

Roggenkemper: Amnesty war für mich immer eine Organisation, die sich besonders für Leute einsetzt, die nicht in der ­Öffentlichkeit stehen. Das hat mich sehr beeindruckt.

Zarmann: Was ich mit Amnesty verbinde, ist der Kampf für die Menschenrechte – und zwar in jedem Land. Es ist immer wieder toll zu sehen, was durch internationalen Druck verändert werden kann.

Fallen Ihnen Amnesty-Aktionen oder -Kampagnen ein, die Sie besonders wichtig fanden?

Zarmann: Mich berühren immer die Einzelfälle. Und da zählt jeder Fall gleich viel. Was mich außerdem besonders anspricht, sind die Ortsaktionen – die Amnesty-Stände und die Gespräche, die man dort führt. Und wenn ich dann positive Berichte auf der Website sehe und merke, dass der Einsatz einen positiven Effekt hatte, finde ich das sehr berührend und aktivierend.

Roggenkemper: Den Fall von Nelson Mandela fand ich eine ganz spannende Geschichte. Der ist natürlich bekannt und auch für die Organisation wichtig. Aber das sind Menschen, die ohnehin schon viel Aufmerksamkeit bekommen. Eigentlich finde ich die Leute, die nicht in der Presse sind, viel wichtiger: die Menschen, um die Amnesty sich kümmert und sonst niemand. Ich finde es gut, dass an die ganz normalen Menschen in Not erinnert wird und das den einen oder anderen Despoten in Verlegenheit bringt.

Würden Sie sich wünschen, dass Amnesty International etwas anders macht?

Roggenkemper: Mein Wunsch ist immer, dass man sich entwickelt. Aber gerade dieser Markenkern der Organisation sollte erhalten bleiben; Amnesty sollte sich auch weiter für einzelne Menschen einsetzen. Den Klimawandel halte ich auch für ein wichtiges Thema. Aber da gibt es auch andere Organisationen, die sich darum kümmern können.

Zarmann: Ich schließe mich meinem Vorredner ein. Ich würde sagen: Schuster bleib bei deinen Leisten. Man sollte sich nicht verzetteln. Was ich mir vorstelle, wären weitere Kooperationen, etwa um Flüchtlinge zu schützen. Das halte ich für ein wichtiges Thema, denn da geht es um politische Verfolgung.

Was wünschen Sie sich persönlich zum 60. Geburtstag?

Zarmann: Das fragt mein Mann auch immer. Ich weiß es nicht. Ich bin auch ein großer Fan des Tierschutzes. Ich habe fünf Katzen und zwei Hunde aus dem Tierheim. In Spitzenzeiten hatten wir 13 Katzen. Ich vermute, mein Wunsch wird sein, für die örtlichen Tierheime zu spenden. Ansonsten sind wir hier alle so überversorgt, dass mir nichts einfällt.

Roggenkemper: Ich hoffe, dass ich einen ganz normalen ­Arbeitstag haben werde und bin auch nicht böse, wenn meine Kolleginnen und Kollegen meinen Geburtstag vergessen. Wenn möglich, möchte ich einen ruhigen Tag erleben und mit der ­Familie feiern.

Und was wünschen Sie Amnesty?

Roggenkemper: Dass möglichst viele Leute Amnesty unterstützen. Ich habe gesehen, dass die Summe, die ich da regelmäßig spende, relativ klein ist. Die werde ich erhöhen, und ich hoffe, dass andere das genauso machen.

Zarmann: Da kann ich mich meinem Vorredner nur anschließen. Und ich wünsche Amnesty ganz viel Hoffnung – ­damit die Kraft da ist, weiterzumachen.

Sabine Zarmann ist am 28. Mai 1961 geboren und seit den 1980er-Jahren "immer in Gedanken bei Amnesty ­dabei", wie sie sagt. Mal war sie Mitglied, zurzeit ist sie Förderin. Sie arbeitet als Grundschullehrerin und lebt in Dülmen bei Münster.

Detlef Roggenkemper ist ebenfalls am 28. Mai 1961 geboren und seit den 1980er-Jahren mit Amnesty verbunden. Zurzeit ist er Mitglied. Er lebt in Beckum bei Münster und arbeitet als Krankenpfleger.

Maik Söhler ist Chefredakteur, Lea De Gregorio Redakteurin des Amnesty Journals.

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