Iran: Hinrichtung verhindern!

Das Bild zeigt das Porträtbild eine Mannes

Ist in Gefahr, im Iran hingerichtet zu werden: Reza Rasaei (undatiertes Foto).

Reza (Gholamreza) Rasaei droht in Verbindung mit den landesweiten Protesten im Herbst 2022 im Iran unmittelbar die Hinrichtung. Nachdem sein Todesurteil im Dezember 2023 bestätigt wurde, wies der Oberste Gerichtshof am 16. Januar seinen Antrag auf erneute gerichtliche Überprüfung ab. Reza Rasaei war in einem grob unfairen Verfahren auf der Basis eines erzwungenen "Geständnisses" zum Tode verurteilt worden.

 

 

Bitte beachten: Allen Personen mit persönlichen Beziehungen in den Iran raten wir, eine Teilnahme zu prüfen. Dieses Schreiben wird mit deinem Vor- und Nachnamen und Mail-Adresse an den Adressaten im Land gesandt.

Appell an

Oberste Justizautorität
Head of the Judiciary
Gholamhossein Mohseni Ejei
c/o Embassy of Iran to the European Union
Avenue Franklin Roosevelt No. 15
1050 Bruxelles
BELGIEN

Dein Appell

Sehr geehrter Herr Ejei,

ich wende mich heute an Sie, um Sie zu bitten, die drohende Hinrichtung von Reza (Gholamreza) Rasaei zu stoppen. 

Am 7. Oktober 2023 hatte die Abteilung 2 des Strafgerichts der Provinz Kermanshah Reza Rasaei zum Tode verurteilt. Er war für schuldig befunden worden, am 18. November 2022 während einer Demonstration in Sahneh in der Provinz Kermanshah an der Tötung eines Geheimdienstmitarbeiters beteiligt gewesen zu sein. Reza Rasaei hat wiederholt seine Beteiligung an der Tat bestritten und erklärt, auch während des Prozesses, dass seine "Geständnisse" unter Folter und anderen Misshandlungen zustande gekommen seien. Trotzdem haben sowohl das Strafgericht als auch der Oberste Gerichtshof seine "Geständnisse" als "Beweismittel" zugelassen. Nach derzeitigem Kenntnisstand wurden keine Ermittlungen zu seinen Foltervorwürfen durchgeführt. Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Januar 2024 die Überprüfung des Verfahrens und des Todesurteils abgelehnt.

Ich bitte Sie hiermit eindringlich, jegliche Vorbereitungen für die Hinrichtung von Reza (Gholamreza) Rasaei zu stoppen sowie den Schuldspruch und das Todesurteil unverzüglich aufzuheben. Sollte er wegen einer international anerkannten Straftat angeklagt werden, muss sein Verfahren den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen. Dabei darf nicht auf die Todesstrafe oder erzwungene "Geständnisse" zurückgegriffen werden. 

Zudem bitte ich Sie, Reza Rasaei umgehend Zugang zu seiner Familie, einem selbst gewählten Rechtsbeistand und angemessener medizinischer Versorgung zu gewähren. Sorgen Sie bitte dafür, dass er vor weiterer Folter und anderen Misshandlungen geschützt wird und dass seine Foltervorwürfe untersucht werden. Die mutmaßlich Verantwortlichen müssen in fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden. 

Zudem bitte ich Sie, unabhängigen Beobachter*innen Zugang zu Verfahren zu gestatten, die mit den Protesten in Verbindung stehen und bei denen die Todesstrafe verhängt werden kann. 

Bitte verfügen Sie ein offizielles Hinrichtungsmoratorium als ersten Schritt hin zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe.

Hochachtungsvoll

 

Sende eine Kopie an

Botschaft der Islamischen Republik Iran
S. E. Herrn Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 67
14195 Berlin

Fax: 030 – 843 53 133
E-Mail: info@iranbotschaft.de


 

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie dringend auf, jegliche Vorbereitungen für die Hinrichtung von Reza (Gholamreza) Rasaei zu stoppen sowie den Schuldspruch und das Todesurteil unverzüglich aufzuheben. 
  • Lassen Sie ihn bitte umgehend frei, falls er nicht einer international anerkannten Straftat angeklagt wird und ein Verfahren erhält, das den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht. Dabei darf nicht auf die Todesstrafe oder erzwungene "Geständnisse" zurückgegriffen werden. 
  • Gewähren Sie ihm bis zu seiner Freilassung bitte regelmäßigen Zugang zu seiner Familie, einem selbst gewählten Rechtsbeistand und angemessener medizinischer Versorgung.
  • Sorgen Sie dafür, dass er vor weiterer Folter und Misshandlung geschützt wird und dass seine Foltervorwürfe untersucht werden. Die mutmaßlich Verantwortlichen müssen in fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden. 
  • Zudem bitte ich Sie dringend, unabhängigen Beobachter*innen Zugang zu Verfahren zu gestatten, die mit den Protesten in Verbindung stehen und bei denen die Todesstrafe verhängt werden kann. Bitte verfügen Sie ein offizielles Hinrichtungsmoratorium als ersten Schritt hin zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe.

Sachlage

Reza (Gholamreza) Rasaei gehört der kurdischen Minderheit und der Religionsgemeinschaft der Yaresan im Iran an. Ihm droht im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten unter dem Slogan "Frau Leben Freiheit", die zwischen September und Dezember 2022 stattfanden, die Hinrichtung. In einem Urteil vom 7. Oktober 2023 wurde er von der Abteilung 2 des Strafgerichts 1 in der Provinz Kermanschah wegen "Mordes" schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. Dem Urteil zufolge soll er am 18. November 2022 bei einer Demonstration in Sahneh in der Provinz Kermanschah an der Tötung eines Geheimdienstmitarbeiters beteiligt gewesen sein, der von den iranischen Staatsmedien als Angehöriger der Revolutionsgarden identifiziert wurde. Am 16. Dezember 2023 bestätigte die Abteilung 17 des Obersten Gerichtshofs das Todesurteil. Am 16. Januar 2024 wies die Abteilung 1 des Obersten Gerichtshofs seinen Antrag auf erneute gerichtliche Überprüfung ab. Sowohl die Abteilung 17 als auch die Abteilung 1 des Obersten Gerichtshofs ließen entlastendes Beweismaterial außer Acht, darunter wichtige Zeugenaussagen und die Nachweise seines Rechtsbeistands über fehlerhafte Ermittlungen und Nichtberücksichtigung forensischer und anderer Beweise. Diese Nachweise hoben u. a. hervor, dass einer der Hauptzeugen seine ursprüngliche Aussage, in der er Reza Rasaei mit dem Tod des Geheimdienstmitarbeiters in Verbindung brachte, später wieder zurückzog und angab, sie unter Folter gemacht zu haben.

Reza Rasaei hat wiederholt seine Beteiligung an der Tötung bestritten und erklärt, auch während des Prozesses, dass seine "Geständnisse" unter Folter und anderen Misshandlungen zustande gekommen seien. Dennoch stützten sich die Gerichte rechtswidrig auf die "Geständnisse" von Reza Rasaei und anderen Personen und verletzten sein Recht auf ein faires Gerichtsverfahren eklatant. Dieses Recht umfasst den Zugang zu einem Rechtsbeistand ab dem Zeitpunkt der Festnahme; eine angemessene Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit seiner Inhaftierung anzufechten; das Recht, sich nicht selbst zu belasten; das Recht auf ein Verfahren vor einem zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Gericht; sowie das Recht auf wirksame Überprüfung des Urteils vor einem höheren Gericht.

Reza Rasaei wurde im November 2022 festgenommen und fiel laut einer gut informierten Quelle vier Monate lang dem Verschwindenlassen zum Opfer. Während dieser Zeit soll er bei den Verhören gefoltert und anderweitig misshandelt worden sein, um ein "Geständnis" zu erzwingen, unter anderem durch Elektroschocks, das Erzeugen von Erstickungsängsten durch eine Plastiktüte über dem Kopf, das Aufhängen an den Gliedmaßen, Prügel und sexualisierte Gewalt. Reza Rasaei hat seit seiner Festnahme keinen Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung, auch nicht zur Behandlung seiner folterbedingten Verletzungen wie gebrochene Finger und Zehen, weshalb er möglicherweise permanente Schäden davontragen wird. Nach derzeitigem Kenntnisstand wurden keine Ermittlungen zu seinen Foltervorwürfen durchgeführt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Von September bis Dezember 2022 kam es im gesamten Land zu beispiellosen Unruhen gegen das System der Islamischen Republik, ausgelöst durch den Tod von Jina Mahsa Amini am 16. September 2022, wenige Tage nach ihrer willkürlichen Festnahme durch die iranische "Sittenpolizei". Die Sicherheitskräfte machten umfassenden und rechtswidrigen Gebrauch von scharfer Munition, Metallkugeln und Tränengas und gingen mit schweren Schlägen gegen Demonstrierende vor. Hunderte Demonstrierende und unbeteiligte Dritte, darunter auch Minderjährige, wurden rechtswidrig von Sicherheitskräften getötet. Bisher wurden im Iran neun Menschen im Zusammenhang mit den Protesten unter dem Slogan "Frau Leben Freiheit" willkürlich hingerichtet, nachdem sie in äußerst unfairen, von Foltervorwürfen geprägten Verfahren zum Tode verurteilt worden waren.

Reza Rasaei wurde am 24. November 2022 in Schahriyar in der Provinz Teheran festgenommen, nachdem er am 18. November an einer alljährlichen Gedenkfeier in Sahneh teilgenommen hatte, bei der einem geistlichen Oberhaupt der Yaresan gedacht wurde. Die Gedenkfeier entwickelte sich zu einer Protestkundgebung, bei der u. a. Wahrheit und Gerechtigkeit für die rechtswidrige Tötung von Kian Pirfalak zwei Tage zuvor durch Sicherheitskräfte in Izeh (Provinz Chuzestan) im Rahmen der Protestbewegung "Frau Leben Freiheit" gefordert wurde. Während der Proteste in Sahneh am 18. November 2022 wurde ein Geheimdienstmitarbeiter der Revolutionsgarden durch mehrere Messerstiche getötet. Die Behörden geben Reza Rasaei und mehreren anderen Personen die Schuld an dem Mord, was Reza Rasaei stets von sich gewiesen hat.

Ethnische und religiöse Minderheiten – zu denen auch die Yaresan gehören – werden im Iran in Gesetz und Praxis stark diskriminiert. So schränken die iranischen Behörden z. B. ihren Zugang zu Bildung, Beschäftigung, Adoption, Gebetsstätten und politischen Ämtern ein.

Amnesty International lehnt die Todesstrafe in allen Fällen ohne Ausnahme ab. Die Todesstrafe ist ein Verstoß gegen das Recht auf Leben und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste Strafe. Amnesty International hat alle Staaten, die die Todesstrafe beibehalten, einschließlich des Iran, immer wieder aufgefordert, ein offizielles Moratorium für Hinrichtungen zu erlassen, mit dem Ziel, die Todesstrafe vollständig abzuschaffen.

Fortsetzung (Auf Englisch)
According to an informed source, following his arrest, Reza Rasaei was transferred to a detention facility run by the Intelligence Organization of the Revolutionary Guards in Sahneh, where agents subjected him to severe beatings, electric shocks and suffocation by putting a plastic bag over his head. According to information obtained by Amnesty International, other methods of torture inflicted upon him included suspension from the ceiling while his hands and legs were tied behind his back for prolonged periods of time. An informed source told the organization that agents also subjected Reza Rasaei to sexual violence including through stripping him naked in front of other detainees and putting ice on his genitals while he was suspended. 

Revolutionary Guards agents put several lawyers selected by Reza Rasaei’s family under intense pressure to stop representing him. He was only able to secure and meet with a lawyer of his choosing after the investigation stage ended and he was transferred to Dizel Abad prison on or about March 2023. Reza Rasaei’s trial in front of Branch Two of Criminal Court One in Kermanshah took place over three sessions, with the final hearing held on 21 September 2023. When Reza Rasaei told the judge during trial that his forced "confessions" were made as a result of torture and other ill-treatment during interrogations in the first four months of his detention, the presiding judge merely asked Reza Rasaei to show his torture-related bruises even though the trial was taking place more than six months after interrogations ended and when the bruises would no longer be visible. The judge did not order investigations into his torture claims or refer Reza Rasaei for forensic examination. During both the appeal and request for judicial review, the Courts disregarded key evidence, including Reza Rasaei’s lawyer’s submissions detailing the flawed and incomplete nature of investigations, highlighting, among other issues, concerns over the opinion of the Legal Medical Examiner on the number of weapons used in the agent’s killing. Moreover, the submissions highlighted that the sole prosecution witness who claimed during interrogations that he saw Reza Rasaei stab the agent from the front subsequently recanted his initial statements and said they were made under torture and other ill-treatment.   

There has been a spike in the number of executions of protesters and dissidents in recent months. On 23 January 2024, the authorities arbitrarily executed protester Mohammad Ghobadlou, following a process and ruling shrouded in secrecy; Mohammad Ghobadlou’s lawyer was provided notice that his client was unexpectedly and unlawfully slated for execution less than 12 hours before his execution was carried out. The authorities have executed at least 14 people in connection with nationwide protests since 2018 and are increasingly using the death penalty to torment and terrorize people in Iran and impose silence and subservience through brute force.