Amnesty Report Afghanistan 24. April 2024

Afghanistan 2023

Das Foto zeigt fünf Männer, die auf der Ladefläche eines Fahrzeuges sitzen und unter anderem mit Sturmgewähren und Panzerfäusten bewaffnet sind.

Taliban-Kämpfer patrouillieren durch die afghanische Hauptstadt am 15. August 2023, dem zweiten Jahrestag ihrer Machtübernahme.

Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023

Die humanitäre Krise verschärfte sich im Jahr 2023 weiter, und die Wirtschaft des Landes erlebte starke Einbrüche, gleichzeitig litten die Menschen unter extremer Unterdrückung, und Menschenrechtsverletzungen waren an der Tagesordnung. Offenbar mit dem Ziel, Frauen und Mädchen gänzlich aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen, schränkten die Taliban deren Rechte noch weiter ein. Internationale Stimmen sahen in dieser geschlechtsspezifischen Verfolgung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und forderten entsprechende Untersuchungen. Die Meinungsfreiheit wurde immer weiter ausgehöhlt, und Menschen, die friedlich Kritik an den Taliban übten, mussten damit rechnen, willkürlich festgenommen, rechtswidrig inhaftiert, gefoltert, misshandelt oder Opfer des Verschwindenlassens zu werden. Es herrschte weiterhin eine Kultur der Straflosigkeit, auch für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wurde von den Taliban noch weiter eingeschränkt. Ethnische Gruppen, einschließlich religiöser Minderheiten, waren zunehmend mit Ausgrenzung, Vorurteilen und rechtswidrigen Zwangsräumungen konfrontiert. Die Taliban führten öffentliche Hinrichtungen durch und vollstreckten Körperstrafen wie Auspeitschungen und Steinigungen. 

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Die verheerende humanitäre Lage, die sich durch die Machtübernahme der Taliban 2021 und Naturkatastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen und mehrjährige Dürreperioden verschärft hatte, verschlechterte sich 2023 noch weiter. Nach Schätzungen von UN-Agenturen stieg die Anzahl der hilfsbedürftigen Menschen von 18,4 Millionen im Jahr 2022 bis Ende August 2023 auf fast 29 Millionen an. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte, dass Millionen Menschen von Unterernährung und Krankheiten bedroht seien, weil sie nur unzureichenden oder gar keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und Nahrung hätten. 2,3 Millionen Kinder waren laut WHO von akuter Unterernährung bedroht. Afghanistan war international isoliert und als Reaktion auf die Machtergreifung der Taliban mit finanziellen Sanktionen belegt. Darüber hinaus war das humanitäre Hilfsprogramm der Vereinten Nationen bis November 2023 nur zu 34,8 Prozent finanziert. Aufgrund der massenhaften Abschiebung afghanischer Flüchtlinge aus Pakistan war eine Verschlimmerung der humanitären Probleme abzusehen. Auch der Iran und die Türkei schoben weiter afghanische Flüchtlinge ab. 

Das afghanische Gesundheitssystem war weiterhin von internationaler Hilfe abhängig und blieb aufgrund eines Mangels an angemessener Infrastruktur und Personal fragil. 

Rechte von Frauen und Mädchen

Amnesty International und die Internationale Juristenkommission (ICJ) waren der Ansicht, dass die drakonischen Einschränkungen der Rechte von Frauen und Mädchen in Verbindung mit willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen, Verschwindenlassen sowie Folter und anderen Misshandlungen als geschlechtsspezifische Verfolgung gelten könnten, die ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt.

Im April 2023 weiteten die Taliban das für Frauen geltende Verbot, einer Arbeit außerhalb des eigenen Hauses nachzugehen, auch auf Tätigkeiten für die Vereinten Nationen aus. Dies führte zu zusätzlichen Engpässen bei der Bereitstellung humanitärer Hilfe. Afghaninnen war es weiterhin verboten, im öffentlichen Sektor zu arbeiten. Von diesem Verbot ausgenommen waren Bereiche wie Gesundheitsversorgung und Grundschulbildung oder auch bestimmte Sicherheitseinrichtungen wie Flughäfen oder Frauengefängnisse. Frauen durften sich ohne männliche Begleitung nicht allein in der Öffentlichkeit aufhalten oder weiter als 72 Kilometer reisen. Im Juli 2023 zwangen die Taliban alle Kosmetik- und Friseursalons zur Schließung. Laut UN-Berichten waren etwa 60.000 von Frauen geführte Geschäfte von den Schließungen betroffen.

Frauen durften weiterhin weder sportlichen Aktivitäten nachgehen noch öffentliche Parks betreten. Aus einigen Provinzen wie beispielsweise Herat berichteten die Taliban-Behörden, dass zusätzliche lokale Einschränkungen eingeführt worden seien, wie z. B. ein Verbot von Restaurantbesuchen ohne Begleitung.

Auch die Bildungsmöglichkeiten für Mädchen wurden immer weiter eingeschränkt. So durften sie weiterhin keine weiterführenden Schulen oder Hochschulen besuchen. Im Juni 2023 mussten auch internationale Organisationen wie z. B. das Kinderhilfswerk UNICEF ihre Bildungsprojekte vor Ort einstellen und wurden aufgefordert, bestehende Programme an lokale Organisationen zu übertragen. Im Juni und Juli 2023 wurden Berichten zufolge fast 4.500 im Bildungssektor tätige Frauen entlassen.

Mehrere UN-Agenturen berichteten von einer Zunahme bei Kinder- und Zwangsehen und verzeichneten einen Anstieg der Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt und Femizide, die nicht geahndet wurden. Die Taliban bauten den unter der vorherigen Regierung geschaffenen institutionellen Rahmen zur Unterstützung von Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt immer weiter ab. Die Betroffenen waren in der Folge auf das Scharia-Rechtssystem angewiesen und liefen Gefahr, Opfer weiterer Menschenrechtsverstöße zu werden, wenn sie derartige Gewalttaten anzeigten. Zahlreiche Frauen und Mädchen litten in der Folge an Depressionen, die in manchen Fällen in einem Suizid mündeten.

Diskriminierung

Angehörige der ethnischen Gruppe der Hazara sowie Usbek*innen, Turkmen*innen und Tadschik*innen wurden zunehmend ausgegrenzt und aus ihren Häusern bzw. von ihrem Land vertrieben. Belutsch*innen waren Berichten zufolge Inhaftierung und Verschwindenlassen ausgesetzt.

Die Taliban entschieden Streitigkeiten über Grundstücke und Viehbestände zugunsten der Kutschi-Gemeinschaften, bei denen es sich um ethnische Paschtun*innen handelte, die nomadisch lebten. Ortsansässige Hazara-Gemeinschaften mussten in Fällen von verschwundenem Vieh, die über 20 Jahre zurücklagen, Entschädigungszahlungen leisten. Berichten zufolge kam es zu Angriffen von Kutschi-Gemeinschaften auf Hazara.

Zwischen Juni und August 2023 gab es in Khas Uruzgan in der Provinz Uruzgan zahlreiche Fälle, in denen Angehörige der Hazara geschlagen wurden und man ihr Eigentum zerstörte, darunter Fahrzeuge, Häuser und Erntegut. Zudem wurden in diesem Zeitraum sechs Männer der Gemeinschaft der Hazara in Khas Uruzgan getötet. Die Straflosigkeit, die im Zusammenhang mit solchen Taten herrschte, bot weiter Anlass zur Sorge. Im Oktober 2023 sollen zwei Hazara-Männer an der Grenze zwischen den Bezirken Lal wa Srajangal und Dawlat Yar in der Provinz Ghor getötet worden sein. Im November und im Dezember 2023 gab es Berichte über mehrere Tötungen von Hazara-Männern in der Provinz Herat. Unter den Opfern sollen sich auch Religionsführer befunden haben. 

Rechtswidrige Angriffe und Tötungen

Zwar war nach der Machtübernahme durch die Taliban ein Rückgang der konfliktbezogenen Gewalt zu beobachten, dennoch kam es auch 2023 im ganzen Land zu Angriffen auf die Zivilbevölkerung. Zwischen August 2021 und Mai 2023 verzeichnete die Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) 1.095 getötete und 2.679 verwundete Zivilpersonen. Für einen Großteil war die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat  Provinz Khorasan (IS-KP) verantwortlich. Am 13. Oktober 2023 bekannte sich die IS-KP zu einem Angriff auf eine schiitische Moschee in der Provinz Baghlan, die hauptsächlich von Hazara besucht wurde. Mindestens 20 Menschen wurden getötet und mehr als 60 verletzt. 

Im Juni 2023 erklärte Amnesty International in einem Bericht, dass die Taliban in der afghanischen Provinz Pandschir im Zusammenhang mit Kämpfen gegen die bewaffnete Gruppe Nationale Widerstandsfront (NRF) Kollektivstrafen gegen die Zivilbevölkerung verhängten. Unter anderem kam es zu willkürlichen Massenfestnahmen wie der Festnahme aller erwachsenen Männer und älteren Jungen in einigen Dörfern. Der Bericht bestätigte zudem die außergerichtliche Hinrichtung von 14 inhaftierten NRF-Mitgliedern in den Bezirken Khenj und Darah durch die Taliban allein zwischen dem 12. und 14. September 2022. Es wird angenommen, dass in diesem Zeitraum in den Bezirken Khenj, Darah und Rukha insgesamt mindestens 48 Personen, vermutlich jedoch wesentlich mehr, außergerichtlich hingerichtet wurden.

Menschen, die mit der früheren Regierung in Verbindung gebracht wurden, und Mitglieder bewaffneter Gruppen, die sich den Taliban widersetzten, wurden auch 2023 außergerichtlich hingerichtet. Obwohl es sich bei derartigen Taten um Kriegsverbrechen handelte, blieben sie straflos. Die UNAMA dokumentierte zwischen August 2021 und Juni 2023 mindestens 218 außergerichtliche Hinrichtungen von ehemaligen Regierungsmitgliedern und Sicherheitskräften.

Todesstrafe, Folter und andere Misshandlungen

Zahlreiche Personen wurden willkürlich festgenommen und inhaftiert oder fielen dem Verschwindenlassen zum Opfer. Sie befanden sich in Gefahr, Folter und andere Misshandlungen zu erleiden, hingerichtet zu werden oder in Gewahrsam zu sterben. Die UNAMA dokumentierte zwischen Januar 2022 und Juli 2023 insgesamt 1.600 Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Gewahrsam. Bei der Hälfte dieser Fälle handelte es sich um Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.

Im Juni 2023 fand Amnesty International Beweise dafür, dass mindestens drei Zivilpersonen 2022 in der Provinz Pandschir von den Taliban zu Tode gefoltert worden waren, nachdem man ihnen Verbindungen zur NRF unterstellt hatte. Es gab keine Berichte über die Einleitung von Untersuchungen zu diesen oder anderen Fällen von Folter.

Im Mai 2023 äußerten sich die Vereinten Nationen besorgt über die anhaltende Praxis öffentlicher Hinrichtungen und Körperstrafen unter den Taliban. Bis Juni 2023 wurde Berichten zufolge mindestens eine öffentliche Hinrichtung vollzogen. Der Oberste Gerichtshof der Taliban gab an, dass Hunderte Personen zu Vergeltungsstrafen (qesas) verurteilt worden waren, zu denen auch Steinigungen gehörten. Es kam weiter zur öffentlichen Vollstreckung von Körperstrafen, die Folter und anderer Misshandlung gleichkamen. Laut UNAMA wurden zwischen November 2022 und April 2023 insgesamt 274 Männer, 58 Frauen und zwei Jungen öffentlich ausgepeitscht. Zwischen Januar und Mai 2023 waren 103 Menschen zu derartigen Strafen verurteilt worden. 

Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit

Religiöse Minderheiten, darunter Schiit*innen, Sikhs, Hindus, Christ*innen, Ahmadiyya und Ismaelit*innen, erlebten weiterhin Ausgrenzung, Vorurteile und Diskriminierung.

Religiöse Veranstaltungen und Feiern wurden von den Behörden unter Berufung auf Sicherheitsgründe eingeschränkt, darunter das Aschura-Fest im Juli 2023, ein mehrheitlich von schiitischen Muslim*innen begangener Gedenktag. Am 28. Juli 2023 lösten die Taliban in der Provinz Ghazni Gedenkfeierlichkeiten anlässlich des Aschura-Fests unter Einsatz scharfer Munition auf. Vier schiitische Hazara kamen ums Leben, darunter ein Kind, sechs weitere wurden verletzt.

Die Taliban verbannten die schiitische Rechtslehre aus dem Bildungssystem, sodass ausschließlich der sunnitische Islam gelehrt wurde. 

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Meinungs- und Medienfreiheit wurde immer drastischer eingeschränkt. Im März 2023 kamen Berichten zufolge mindestens zwei Journalisten bei einem Bombenattentat ums Leben. Dutzende Journalist*innen wurden willkürlich festgenommen und drangsaliert, weil sie kritisch über die Taliban berichtet oder deren Vorschriften missachtet hatten. Ab ihrer Machtübernahme im August 2021 inhaftierten die Taliban bis August 2023 mindestens 64 Journalist*innen für unterschiedlich lange Zeiträume. Der französisch-afghanische Journalist Mortaza Behboudi kam im Oktober 2023 nach neun Monaten Haft wieder frei.

Mehr als 80 Prozent der Journalistinnen im Land mussten zwischen August 2021 und August 2023 ihre Arbeit wegen der zunehmenden Einschränkungen für Frauen niederlegen. Eine der Einschränkungen, die Journalistinnen betraf, war das Verbot, unverschleiert im Fernsehen aufzutreten.

Die Taliban schlossen den in der Provinz Nangarhar ansässigen Radio- und Fernsehsender Hamisha Bahar für 20 Tage, weil dort Frauen und Männer gemeinsam Journalismuskurse besucht hatten. 

Zwischen August 2021 und August 2023 stellten mehr als die Hälfte der registrierten Medienkanäle den Betrieb ein, und zwei Drittel aller Journalist*innen gaben ihre Arbeit auf. 

Personen, die öffentlich oder über Soziale Medien Kritik an den Taliban übten, wurden weiterhin unterdrückt. So wurde u. a. der Universitätsprofessor Rasoul Parsi im März 2023 wegen von ihm im Internet geäußerter Kritik festgenommen. Er befand sich Ende des Jahres noch immer in Haft.

Recht auf friedliche Versammlung

Gegen friedliche Protestveranstaltungen wurde rechtswidrige und exzessive Gewalt eingesetzt. Dies betraf auch zahlreiche von Frauen angeführte Proteste, von denen die Vereinten Nationen zwischen März und Juni 2023 landesweit 95 dokumentierten. Berichten zufolge setzten die Taliban Schusswaffen, Wasserwerfer und Elektroschocker ein, um Demonstrationen aufzulösen. So auch bei einer von Frauen geführten Protestveranstaltung gegen die Zwangsschließung von Kosmetik- und Friseursalons am 18. Juli 2023 in der Hauptstadt Kabul. 

Protestierende wurden weiterhin willkürlich festgenommen und fielen dem Verschwindenlassen zum Opfer. Als Folge fanden zahlreiche Proteste nur noch online statt.

Menschenrechtsverteidiger*innen

Aktivist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Mitglieder der Zivilgesellschaft waren weiterhin Gewalt, Einschüchterungen und Überwachung ausgesetzt. Viele wurden willkürlich festgenommen, rechtswidrig inhaftiert oder Opfer des Verschwindenlassens. Laut UN-Berichten waren inhaftierte Menschen Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt, u. a. sexualisierter Gewalt.

Die beiden Menschenrechtlerinnen Nida Parwani und Zhulia Parsi wurden am 19. bzw. 27. September 2023 zusammen mit Familienangehörigen festgenommen. Sie kamen im Dezember wieder frei. Der Bildungsaktivist Matiullah Wesa kam im Oktober 2023 nach sieben Monaten Haft frei. Im Februar 2023 nahmen die Taliban die beiden Frauenrechtlerinnen Nargis Sadat und Parisa Azada Mubariz willkürlich fest. Parisa Mubariz wurde nach wenigen Tagen und Nargis Sadat im April wieder freigelassen. Zahlreiche andere Aktivist*innen und Journalist*innen befanden sich Ende des Jahres noch immer in Haft.

Rechte von Flüchtlingen

Die allgegenwärtige Angst vor Verfolgung durch die Taliban brachte auch 2023 Tausende Afghan*innen dazu, aus dem Land zu fliehen. Viele fürchteten zudem Angriffe durch nichtstaatliche Akteure wie den IS-KP. Mehr als 1,4 Mio. Menschen, die aus Afghanistan nach Pakistan geflohen waren, drohte die Abschiebung in ihr Herkunftsland. Bis Dezember 2023 waren Berichten zufolge mehr als 490.891 afghanische Flüchtlinge von der pakistanischen Regierung nach Afghanistan abgeschoben worden. Viele weitere wurden aus dem Iran und der Türkei nach Afghanistan abgeschoben bzw. waren dort in Gefahr, abgeschoben zu werden.

Rechte von Binnenvertriebenen

Aufgrund langjähriger Konflikte gehörte Afghanistan zu den Ländern mit den meisten Binnenvertriebenen weltweit. Zahlreiche Menschen, die aus Pakistan oder anderen Ländern nach Afghanistan abgeschoben worden waren, sahen sich dort ohne Zugang zu angemessenem Wohnraum, zu Arbeit und zur Gesundheitsversorgung sowie ohne ausreichenden Lebensunterhalt einem strengen Winter ausgesetzt.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen blieben verboten und wurden mit der Todesstrafe geahndet. Lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen waren Diskriminierung, gezielten Angriffen, Drohungen, willkürlichen Inhaftierungen und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban ausgesetzt. Viele hielten sich weiterhin versteckt, da sie um ihr Leben fürchteten. Es gab Berichte über einige Fälle, in denen LGBTI+ gegen ihren Willen verheiratet wurden. 

Straflosigkeit

Es herrschte noch immer eine Kultur der Straflosigkeit, insbesondere für Verbrechen unter dem Völkerrecht. Die Ergebnisse laufender Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs zur Lage in Afghanistan waren bis Ende 2023 noch nicht veröffentlicht worden. Amnesty International forderte den UN-Menschenrechtsrat auf, zusätzlich zum Mandat des UN-Sonderberichterstatters zur Lage der Menschenrechte in Afghanistan einen unabhängigen internationalen Rechenschaftsmechanismus zu schaffen, um für ein mögliches Strafverfahren Beweise zu sammeln und zu sichern. Im Juli 2023 erklärte der Sonderberichterstatter, dass das Ausmaß der Diskriminierung gegen Frauen und Mädchen in Afghanistan geschlechtsspezifischer Verfolgung gleichkäme, die ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt. Er erklärte zudem, dass das Ziel der Taliban, mithilfe systemischer Diskriminierung die vollständige Kontrolle über das Leben von Frauen und Mädchen zu übernehmen, als "geschlechtsspezifische Apartheid" betrachtet werden könne.

Der Zugang zur Justiz war für die Menschen in Afghanistan stark eingeschränkt, da die Taliban frühere Gesetze außer Kraft gesetzt oder abgeschafft hatten. Zudem hatten sie die Posten von Justizangestellten und Jurist*innen mit Personen ihrer Wahl neu besetzt und eine enge Auslegung der Scharia angeordnet.

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