Amnesty Report Thailand 08. Mai 2012

Thailand 2012

 

Amtliche Bezeichnung: Königreich Thailand Staatsoberhaupt: König Bhumibol Adulyadej Regierungschefin: Yingluck Shinawatra (löste im August Abhisit Vejjajiva im Amt ab) Todesstrafe: nicht abgeschafft Einwohner: 69,5 Mio. Lebenserwartung: 74,1 Jahre Kindersterblichkeit: 13,5 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 93,5%

Der bewaffnete Konflikt im Süden Thailands wurde mit zunehmender Gewalt ausgetragen. Die Aufständischen nahmen verstärkt Zivilpersonen ins Visier und verübten willkürliche Angriffe, bei denen Zivilpersonen ums Leben kamen. Die Sicherheitskräfte folterten und misshandelten weiterhin Gefangene im Süden des Landes. Im achten Jahr in Folge wurde kein einziger Angehöriger der Sicherheitskräfte wegen der im südlichen Landesteil verübten Menschenrechtsverletzungen verurteilt. Es kam auch zu keiner strafrechtlichen Verfolgung wegen der Tötungen bei den gegen die Regierung gerichteten Demonstrationen im Jahr 2010. Die Behörden beantworteten friedlich vorgebrachte Meinungsäußerungen weiterhin mit strafrechtlicher Verfolgung. Das geschah hauptsächlich auf der Grundlage des Gesetzes über Majestätsbeleidigung und des Gesetzes über Computerdelikte. Die Behörden verstärkten besonders während der massiven Überschwemmungen die Auflagen für Asylsuchende und Flüchtlinge aus Myanmar und beuteten Arbeitsmigranten aus den Nachbarländern aus.

Hintergrund

Bei den im Juli 2011 durchgeführten nationalen Wahlen wurde Yingluck Shinawatra, die Schwester des abgesetzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra, zur Ministerpräsidentin gewählt. Ihre Partei Puea Thai gewann die absolute Mehrheit im Parlament. Die Partei konnte sich jedoch keine Parlamentssitze aus den drei südlichen von Aufständen zerrütteten Provinzen des Landes sichern, wo die Angriffe erheblich zunahmen und die Zahl der während der letzten acht Jahre registrierten Todesopfer auf 5000 anstieg. Die seit sechs Jahren anhaltende politische Krise setzte sich fort. Während des Wahlkampfs kam es zu Gewaltausbrüchen, und später im Jahr traten Spannungen zwischen der neuen Regierung und dem Militär auf. Die Wahrheits- und Versöhnungskommission, die nach den Demonstrationen in den Monaten April und Mai 2010 ins Leben gerufen worden war, veröffentlichte ihre ersten beiden Berichte mit Empfehlungen.

Im August 2011 besuchte der UN-Sonderberichterstatter über Menschenhandel Thailand. Im Oktober wurde die Menschenrechtssituation in Thailand auf der Grundlage der Universellen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) durch den UN-Menschenrechtsrat begutachtet.

Interner bewaffneter Konflikt

Wie schon in der Vergangenheit handelte es sich auch im Berichtsjahr bei den meisten im bewaffneten Konflikt in Südthailand Getöteten um Zivilpersonen, mehr als die Hälfte von ihnen waren Muslime. Die Aufständischen setzten bei ihren willkürlichen Angriffen zunehmend Bomben und selbst gebaute Sprengkörper ein, auch gegen Zivilpersonen, wobei es Verletzte gab. Diese Attacken hatten teilweise das Ziel, Panik unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten.

  • Am 3. Februar 2011 schlitzten zwei Aufständische dem Muslim Abdullah Kaboh die Kehle auf, als er spätabends im Distrikt Yarang in der Region Pattani Kautschuk zapfte. Er war verheiratet und hatte sechs Kinder.

  • Gleichfalls in Yarang erschossen zwei Aufständische auf einem Motorrad am 4. Februar den 79 Jahre alten Buddhisten Ruem Meesrisawad. Er hatte vor dem Eintritt in den Ruhestand als staatlich unterstützter Heiler nach den Regeln der traditionellen Medizin gearbeitet. Der Angriff erfolgte vormittags, keine 100m entfernt von mehreren Sicherheitskräften.

  • Am 16. September wurden im Distrikt Sungai Kolok in der Provinz Narathiwat fünf malaysische Zivilpersonen, darunter ein Kind, getötet und mindestens 118 Menschen verletzt, als in einem Vergnügungsviertel innerhalb von 45 Minuten drei Bomben hochgingen.

  • Am 25. Oktober explodierten im Zentraldistrikt der Provinz Yala kurz nach Sonnenuntergang fast gleichzeitig mindestens elf Bomben. Dabei wurden drei Personen getötet und mindestens 65 weitere verletzt. Die Sicherheitskräfte begingen bei ihren Aktionen zur Aufstandsbekämpfung nach wie vor Menschenrechtsverletzungen.

  • Nach dem Angriff Aufständischer auf eine Militäreinrichtung in Narathiwat im Juni 2011 folterten oder misshandelten die Behörden Berichten zufolge mindestens neun Verdächtige.

Straflosigkeit

Im achten Jahr in Folge wurde in den drei südlichsten Provinzen Thailands kein Beamter oder Angehöriger der thailändischen Sicherheitskräfte wegen Verbrechen im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen verurteilt. Ursächlich dafür war zum Teil Artikel 17 der Notstandsverordnung, die dort – mit Ausnahme eines Distrikts – seit Juli 2005 in Kraft ist. Die Verordnung gewährt Beamten, die derartige Taten bei der Durchführung ihrer Aufgaben begingen, Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung. Niemand wurde wegen der Tötung von 85 Muslimen durch die Behörden vor Gericht gestellt, die sich im Oktober 2004 im Distrikt Tak Bai in der Provinz Narathiwat verübt worden war. Ebenso wenig kam es im Fall des im März 2008 durch Folter in Gewahrsam zu Tode gekommenen Imam Yapha Kaseng zu einer strafrechtlichen Verfolgung.

  • Am 10. August 2011 verurteilte ein Gericht in Narathiwat Sudi-Rueman Mah-Leh zu zwei Jahren Gefängnis. Laut Anschuldigung hatte er den Beamten, die seiner Anzeige gegen einen Polizisten nachgingen, der ihn gefoltert haben soll, falsche Informationen gegeben. Die Verurteilung von Sudi-Rueman Mah-Leh wurde mit dem Freispruch für den von ihm beschuldigten Polizisten und fünf seiner Kollegen begründet.

Die Abteilung für Sonderermittlungen beim Justizministerium (Department of Special Investigation) kam zu dem Ergebnis, dass die Sicherheitskräfte für mindestens 16 Todesfälle während der gegen die Regierung gerichteten Demonstrationen zwischen April und Mai 2010 verantwortlich waren. Ihre Fälle wurden der Generalstaatsanwaltschaft vorgelegt, um über eine Untersuchung vor Gericht zu entscheiden. Niemand wurde für den Tod dieser 16 Personen oder eine der weiteren 76 Tötungen zur Verantwortung gezogen.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Meinungsfreiheit wurde weiterhin unterdrückt, und zwar hauptsächlich auf der Grundlage des Gesetzes über Majestätsbeleidigung (Lèse Majesté Act, Artikel 112 des Strafgesetzbuchs), des Gesetzes über Computerdelikte (Computer-related Crimes Act) und durch Einschüchterung der Medien. Die meisten der auf der Grundlage dieser Gesetze inhaftierten, angeklagten und/oder verurteilten Personen waren gewaltlose politische Gefangene. Am 1. Dezember 2011 weihte die Regierung das Zentrum für Sicherheit im Netz (Cyber Security Operation Centre) ein, um Verbrechen im Internet zu unterbinden, insbesondere Straftaten gegen die Monarchie auf Social-Media- Webseiten.

  • Am 10. März 2011 wurde Ekkachai Hongkangvarn auf Basis des Lèse-Majesté-Gesetzes angeklagt, weil er DVDs eines australischen Dokumentarfilms über Thailands Monarchie verkauft und Kopien von durch WikiLeaks veröffentlichten diplomatischen Depeschen über Thailand übersetzt hatte. Er wurde gegen Kaution aus der Haft entlassen.

  • Am 15. März wurde Thanthawuthi Thaweewarodom, Webdesigner der Domain norporchorusa.com, wegen Verstoßes gegen das Lèse-Majesté-Gesetz zu zehn Jahren Gefängnis und auf der Grundlage des Gesetzes über Computerdelikte zu weiteren drei Jahren Freiheitsentzug verurteilt, weil seine Internetseite Texte enthielt, die als monarchiekritisch erachtet wurden. Es handelte sich entweder um seine eigenen Einträge oder Kommentare anderer, die er nicht gelöscht hatte. Er befindet sich noch in Haft.

  • Joe Gordon (auch bekannt als Lerpong Wichaikhammat), der sowohl die Staatsbürgerschaft der USA als auch Thailands besitzt, wurde am 8. Dezember wegen Verstoßes gegen das Lèse-Majesté-Gesetz zu fünf Jahren Haft verurteilt. Das Strafmaß wurde später um die Hälfte verringert. Ihm wurde vorgeworfen, für einen Blog verantwortlich zu sein, der einen Link zu einer Thai-Übersetzung eines in Thailand verbotenen Buches enthielt. Joe Gordon soll die ihm zur Last gelegte Tat begangen haben, während er sich in den USA aufhielt.

  • Im Juli 2011 urteilte das Verfassungsgericht, dass nach den Bestimmungen der Verfassung durch den Ausschluss der Öffentlichkeit in dem Verfahren von 2009 gegen die Angeklagte Darunee Charnchaoengsilpakul wegen Verstößen gegen das Lèse-Majesté-Gesetz in keiner Weise die Rechte der Angeklagten während des Strafprozesses eingeschränkt wurden. Die Verurteilung zu 18 Jahren Haft im Jahr 2009 wurde im Dezember auf 15 Jahre reduziert.

  • Am 23. November verurteilte ein Strafgericht Ampon Tangnoppakul, einen 61 Jahre alten Mann, der unter Kehlkopfkrebs litt, auf der Grundlage des Lèse-Majesté-Gesetzes und des Gesetzes über Computerdelikte zu 20 Jahren Gefängnis. Obwohl er angegeben hatte, nicht zu wissen, wie man eine SMS verschickt, war er für schuldig befunden worden, vier SMS-Mitteilungen abgeschickt zu haben, die als Beleidigung eines Mitglieds der königlichen Familie betrachtet wurden.

Flüchtlinge und Migranten

Nachdem der Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats und der Gouverneur der Provinz Tak Anfang des Jahres zunächst erklärt hatten, dass die Flüchtlinge aus Myanmar repatriiert würden, gab die Regierung während der Begutachtung der Menschenrechtslage in Thailand im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) durch den UN-Menschenrechtsrat die Zusage, ihrer internationalen Verpflichtung nachzukommen, keine Menschen in Länder zurückzuschicken, in denen diese verfolgt würden.

Die Zahl der Flüchtlinge in Thailand wuchs weiter an, und die Wiederansiedlung in Drittstaaten wurde fortgesetzt. Ende 2011 lebten fast 150000 Flüchtlinge in neun Lagern an der Grenze zu Myanmar. Im fünften Jahr in Folge setzte die Regierung jedoch ihr Verfahren zur Überprüfung der Asylsuchenden aus, so dass fast die Hälfte der in den Lagern untergebrachten Menschen nicht registriert war. Die Behörden behinderten Hilfsorganisationen dabei, diese Menschen mit Nahrungsmitteln zu versorgen und ihnen andere humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. Asylsuchende wurden weiterhin festgenommen, auf unbestimmte Zeit inhaftiert und in Länder zurückgeführt, in denen sie dem Risiko der Verfolgung ausgesetzt waren.

  • Im Juni erlaubten die Einwanderungsbehörden zum ersten Mal, dass 96 Flüchtlinge – sämtlich Ahmadiyya aus Pakistan – gegen Kaution aus dem Haftzentrum für Einwanderer in Bangkok entlassen wurden.

  • Im Juli 2011 wurde Arbeitsmigranten in der Fischereiindustrie eine Frist bis August gesetzt, um ihre Namen und Arbeitgeber bei den Behörden registrieren zu lassen. Migranten, die in anderen Industriebereichen arbeiteten, mussten sich bis Juli registrieren lassen. Das Programm zur Registrierung war in der Absicht eingeführt worden, die Ausbeutung durch Menschenhändler und Arbeitgeber zu bekämpfen.

  • Im Dezember übergaben die Behörden einen vom UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) anerkannten Flüchtling, Ka Yang, und seine Familie an der thailändisch-laotischen Grenze in Ubon in der Provinz Ratchathani den laotischen Behörden. Die USA hatten am 24. Dezember 2009 der Wiederansiedlung von Ka Yang zugestimmt, doch befand er sich unter den 158 Flüchtlingen, die Thailand am selben Tag nach Laos abgeschoben hatte. Ka Yang war dann erneut aus Laos nach Thailand geflohen.

Während der ausgedehnten Überschwemmungen, die im August eingesetzt hatten, nahmen die Migrationsbehörden und die Polizei viele Migranten fest, die ihre Personaldokumente während der Überschwemmungen verloren hatten oder deren Papiere von ihren Arbeitgebern einbehalten worden waren. Die Behörden ordneten ihre Rückführung an und erpressten Geld von ihnen. Arbeitsmigranten, die ohne Pass an die Grenze zu ihrem Herkunftsland zurückkehrten, wurden häufig an Einwanderungskontrollstellen aufgehalten und – insbesondere im Fall von Arbeitern aus Myanmar – festgenommen und inhaftiert. Im Allgemeinen folgte darauf die Rückführung, die manchmal in der Nacht durchgeführt wurde. Von einigen der Rückgeführten wurde dabei Geld erpresst, entweder direkt von den thailändischen Behörden oder mit deren Wissen.

Als Reaktion auf Berichte, dass Migranten von Notunterkünften, die für die Allgemeinheit bestimmt waren, abgewiesen würden, errichtete die Regierung im November 2011 mindestens eine Notunterkunft für Migranten.

Todesstrafe

Es gingen 2011 keine Berichte über Hinrichtungen ein. Die thailändischen Gerichte verhängten im Berichtsjahr 40 Todesurteile. Dies stellt einen leichten Rückgang im Vergleich zu den vergangenen Jahren dar, in denen durchschnittlich etwa ein Todesurteil pro Woche erging. Die im Todestrakt Inhaftierten wurden weiterhin während der gesamten Haft in Fußeisen gelegt, obwohl ein – inzwischen angefochtener – Gerichtsentscheid dies im Jahr 2009 für rechtswidrig erklärt hatte.

  • Ikeda Kengo, ein japanischer Staatsbürger, der im März 2009 zum Tode verurteilt worden war, verblieb weiterhin im Todestrakt, obwohl er entweder tatsächlich keinen Verteidiger hatte oder aber nicht wusste, dass ihm einer zugewiesen war. Nach thailändischem Recht ist es erforderlich, dass das Gericht in Mordprozessen für diejenigen Angeklagten, die keinen Rechtsbeistand haben, einen Anwalt bestellt.

Amnesty International: Mission und Bericht

Delegierte von Amnesty International besuchten Thailand im September.

"They took nothing but his life": Unlawful killings in Thailand’s southern insurgency (ASA 39/002/2011)

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