Amnesty Report Iran 09. Mai 2011

Iran 2011

 

Amtliche Bezeichnung: Islamische Republik Iran Staatsoberhaupt: Ayatollah Sayed Ali Khamenei Regierungschef: Mahmoud Ahmadinedschad Todesstrafe: nicht abgeschafft Einwohner: 75,1 Mio. Lebenserwartung: 71,9 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 33/35 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 82,3%

Die Behörden hielten 2010 die drastischen Beschränkungen der Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit weiterhin aufrecht. Iranische und internationale Medien unterlagen einer weitreichenden Kontrolle, mit dem Ziel, iranischen Staatsbürgern den Kontakt zur übrigen Welt zu erschweren. Personen oder Gruppen, die den Anschein erweckten, als würden sie mit Menschenrechtsorganisationen oder persischsprachigen Medien im Ausland zusammenarbeiten, drohten Festnahme, Folter und Gefängnis. Regierungskritiker, Frauenrechtlerinnen, Personen, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, sowie andere Menschenrechtsverteidiger, Rechtsanwälte, Journalisten und Studierende wurden im Zuge von Massenverhaftungen oder anderweitig festgenommen und zu Hunderten inhaftiert. Folterungen und andere Misshandlungen an Gefangenen waren an der Tagesordnung und blieben straflos. Frauen wurden weiterhin durch die Gesetzgebung und im Alltag diskriminiert. Die Behörden räumten die Hinrichtung von 252 Personen ein, es gab jedoch glaubwürdige Berichte über mehr als 300 weitere Hinrichtungen. Die tatsächliche Gesamtzahl könnte sogar noch höher gewesen sein. Unter den Hingerichteten war mindestens eine Person, die zur Tatzeit noch minderjährig war. Es wurden Todesurteile durch Steinigung verhängt. Soweit bekannt wurden jedoch keine Steinigungen vollstreckt. Dagegen wurden Prügel- und Amputationsstrafen vermehrt ausgeführt.

Hintergrund

Im Februar 2010 bewertete der UN-Menschenrechtsrat im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) die Lage der Menschenrechte im Iran. Die Regierung akzeptierte die allgemeinen Empfehlungen des Gremiums, wies jedoch alle Empfehlungen zurück, die darauf abzielten, die Diskriminierung aufgrund von Religion und Geschlecht zu beenden. Kritik an der Anwendung der Todesstrafe, insbesondere gegen jugendliche Straftäter, lehnte die Regierung ebenso ab wie die Empfehlung, mit bestimmten UN-Menschenrechtsorganen zusammenzuarbeiten.

Im April wurde der Iran in die UN-Kommission für die Rechtsstellung der Frau gewählt. Im August zeigte sich der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung besorgt darüber, dass verschiedene Minderheiten ihre politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nur begrenzt ausüben konnten, insbesondere bezüglich Wohnraum, Bildung, Meinungsfreiheit, Religion, Gesundheit und Beschäftigung. Im September betonte der UN-Generalsekretär in einem Bericht vor der UN-Generalversammlung, im Iran gebe es bezüglich der Menschenrechte viele Bereiche, die anhaltend Sorge bereiteten. Im Dezember verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Resolution, in der sie ihre Besorgnis über die Lage der Menschenrechte im Iran zum Ausdruck brachte und die Regierung aufforderte, den Menschenrechtsverletzungen ein Ende zu setzen.

Dutzende, wenn nicht Hunderte von Iranern flohen weiterhin aus dem Land, da sie angesichts des hohen Maßes an Repression durch die Behörden um ihre Sicherheit fürchteten.

Das iranische Programm zur Urananreicherung sorgte weiterhin für Spannungen auf internationaler Ebene. Im Juni beschloss der UN-Sicherheitsrat eine weitere Verschärfung der wirtschaftlichen und politischen Sanktionen gegen das Land. Hintergrund waren Befürchtungen, der Iran könne Atomwaffen entwickeln.

Im Jahr 2010 kamen viele Zivilpersonen bei Bombenattentaten bewaffneter Gruppen ums Leben. So starben im Juli bei einem Anschlag auf eine Moschee in Zahedan 21 Menschen, darunter viele Gläubige. Hunderte wurden verletzt. Bei einem weiteren Anschlag in der Nähe einer Moschee in Chabahar wurden mindestens 38 Menschen getötet und mehr als 50 Personen verletzt. Zu beiden Anschlägen bekannte sich die Widerstandsbewegung des Iranischen Volkes (People’s Resistance Movement of Iran – PRMI), eine auch unter dem Namen Jondallah bekannte bewaffnete Gruppe. Im September riss ein Sprengstoffanschlag in Mahabad mindestens zehn Menschen in den Tod und verletzte mehr als 80 Personen, darunter viele Kinder. Berichten zufolge sollen iranische Sicherheitskräfte daraufhin die Grenze zum Irak überquert und dort mindestens 30 Personen getötet haben. Kurdische Gruppen wiesen die Verantwortung für den Anschlag zurück.

Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

Die Regierung hielt an den 2009 verhängten drastischen Einschränkungen der Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit fest. Die Sicherheitskräfte waren angewiesen, weitere öffentliche Protestkundgebungen mit Gewalt zu unterbinden oder aufzulösen. Dutzende, wenn nicht Hunderte von Menschen, die 2009 im Zusammenhang mit den Massenprotesten festgenommen worden waren, blieben weiterhin inhaftiert. Die meisten von ihnen verbüßten Gefängnisstrafen, einige kamen frei. Zahlreiche weitere Personen wurden 2010 festgenommen.

Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi, die bei den Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 gegen Präsident Ahmadinedschad kandidiert hatten, waren 2010 in ihrer Bewegungsfreiheit noch immer stark eingeschränkt. Gefolgsleute der Regierung griffen sie und ihre Familien tätlich an. Zeitungen durften weder über sie noch über den ehemaligen Präsidenten Mohammad Khatami berichten. Zwei große politische Oppositionsparteien wurden 2010 verboten, andere blieben verboten.

Die Regierung "säuberte" die Universitäten von "weltlichen" Lehrkräften. Studierende, die an Protestkundgebungen auf dem Campus teilgenommen hatten, wurden vom Studium ausgeschlossen.

Die Behörden beschränkten weiterhin den Zugang zu Informationen, die von außen kamen, z.B. über das Internet. Der Empfang internationaler Radio- und Fernsehsender wurde gestört. Im Januar verboten die Behörden den iranischen Bürgern den Kontakt zu rund 60 Medien und Organisationen mit Sitz im Ausland. Wer trotzdem bereit war, sich gegenüber den wenigen großen persischsprachigen Medien zur Lage der Menschenrechte zu äußern, wurde von den Sicherheitskräften bedroht oder schikaniert. Viele Iraner gingen deshalb dazu über, ihre Meinungen über die sozialen Netzwerke im Internet zu verbreiten.

Die Behörden verboten Zeitungen und studentische Publikationen. Journalisten, deren Berichterstattung angeblich "gegen das System" gerichtet war, wurden strafrechtlich verfolgt. Telefongespräche wurden routinemäßig abgehört, E-Mails und SMS-Mitteilungen abgefangen. Eine undurchsichtige "Cyberarmee", die Berichten zufolge mit den Revolutionären Garden in Verbindung stehen soll, organisierte Angriffe auf vermeintlich regierungskritische iranische und ausländische Internetseiten. Andere Internetseiten wurden gefiltert, darunter auch solche, die in Bezug zu religiösen Führungspersönlichkeiten standen.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Sicherheitsbeamte nahmen weiterhin willkürlich Regierungskritiker sowie Personen fest, die aufgrund ihrer Meinung oder aufgrund ihres Lebensstils als Abweichler gegenüber den offiziell verordneten Werten galten. Dabei traten die Beamten in aller Regel in Zivil auf, sie wiesen sich nicht aus und zeigten keinen Haftbefehl vor. Zu den Festgenommenen zählten Menschenrechtsverteidiger, unabhängige Gewerkschafter, Studierende und Oppositionelle.

Die Festgenommenen blieben oft über lange Zeiträume inhaftiert. Man verweigerte ihnen den Kontakt zu einem Rechtsbeistand und zu ihren Familien. Sie wurden gefoltert oder anderweitig misshandelt und erhielten keine medizinische Behandlung. Einige wurden nach unfairen Gerichtsverfahren zu Freiheitsstrafen verurteilt. Andere, die in den vergangenen Jahren in unfairen Prozessen verurteilt worden waren, befanden sich noch immer im Gefängnis.

  • Im Februar 2010 stellte die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen fest, dass drei US-amerikanische Bürger, die im Juli 2009 beim Wandern in der Nähe der irakisch-iranischen Grenze festgenommen worden waren, willkürlich inhaftiert seien. Im August befand die Arbeitsgruppe, dass auch Isa Saharkhiz willkürlich inhaftiert sei, und forderte seine sofortige Freilassung. Der Journalist, der dem iranischen Komitee zum Schutz der Pressefreiheit angehört, war im Juli 2009 inhaftiert worden. Im September 2010 wurde er wegen "Beleidigung der Führung des Landes" und "Propaganda gegen das System" zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

  • Am 4. September 2010 wurde die Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh festgenommen. Ende des Jahres befand sie sich noch immer in Haft. Man warf ihr Vergehen gegen die nationale Sicherheit vor. Nasrin Sotoudeh hatte sich in friedlicher Weise für die Menschenrechte eingesetzt und ihre Mandanten verteidigt.

Unfaire Gerichtsverfahren

Das Strafjustizsystem wurde 2010 weiter geschwächt. Es bot so gut wie keinen Schutz der Menschenrechte. Angeklagte, die aus politischen Gründen vor Gericht standen, erhielten äußerst unfaire Verfahren. Die Anklagepunkte waren dabei häufig so vage formuliert, dass sich darin keine strafbaren Handlungen erkennen ließen. Die Angeklagten hatten häufig keinen Rechtsbeistand und wurden aufgrund von "Geständnissen" oder anderen Informationen verurteilt, die offenbar während der Untersuchungshaft unter Folter erpresst worden waren. Die Gerichte ließen diese "Geständnisse" als Beweismittel zu, ohne zu untersuchen, wie sie zustande gekommen waren.

  • Der Blogger Hossein Ronaghi-Maleki, der im Dezember 2009 festgenommen worden war, wurde zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Anklage lautete auf Vergehen gegen die nationale Sicherheit. Als er sich darüber beklagte, dass man ihn gefoltert habe, sagte der Richter, er habe "das verdient".

Folter und andere Misshandlungen

Folter und andere Misshandlungen waren 2010 in der Untersuchungshaft nach wie vor weit verbreitet. Den Übergriffen wurde dadurch Vorschub geleistet, dass den Häftlingen regelmäßig der Kontakt zu einem Rechtsanwalt verweigert wurde und die Verantwortlichen für die Menschenrechtsverletzungen straffrei blieben. Es gingen Berichte ein, dass Inhaftierte heftig geschlagen wurden und dass sie mit dem Kopf in eine Toilette getaucht und gezwungen wurden, menschliche Exkremente zu sich zu nehmen. Es gab Berichte über Scheinhinrichtungen und darüber, dass Inhaftierte in winzige, überfüllte Verschläge gesperrt wurden. Die Foltermethoden umfassten weiterhin den Entzug von Licht, Nahrung und Wasser sowie die systematische Verweigerung von medizinischer Behandlung. In einem Fall wurde ein männlicher Gefangener dem Vernehmen nach vergewaltigt, anderen Häftlingen wurde die Vergewaltigung angedroht.

  • Im August 2010 starb der kurdische Jugendliche Gholam-Reza Bayat offenbar an inneren Blutungen, nachdem er im Gewahrsam in Kamyaran geschlagen worden war.

Es drangen weitere Einzelheiten über Folterungen im Jahr 2009 ans Licht der Öffentlichkeit. Im Februar schilderte ein ehemaliges Mitglied der freiwilligen paramilitärischen Basij-Milizen, wie zahlreiche Jungen in Shiraz nach einer Razzia in Frachtcontainer geworfen und systematisch vergewaltigt worden waren. Nach Beschwerden bei einem Anführer der Basij-Milizen wurden er und weitere Personen 100 Tage lang ohne Kontakt zu ihren Familien festgehalten und geschlagen. Den Angaben zufolge wurde er außerdem einer Scheinhinrichtung unterzogen.

Straflosigkeit

Angehörige der Sicherheitskräfte verübten weiterhin Menschenrechtsverletzungen und wurden dafür fast nie strafrechtlich verfolgt.

Zwölf Männer, darunter elf Staatsbeamte, wurden angeklagt, Gefangene im Kahrizak-Gefängnis schwer misshandelt zu haben, bevor das Gefängnis im Juli 2009 geschlossen wurde. Die Beamten niedrigerer Dienstgrade wurden als Bauernopfer nur für einige der schwerwiegenden Übergriffe zur Rechenschaft gezogen, die dort nach den Wahlen im Juni 2009 verübt worden waren und die zum Tod von mehreren Häftlingen geführt hatten. Zwei der zwölf Männer erhielten Todesurteile, wurden aber dann von den Familien der Opfer begnadigt, was nach iranischem Recht möglich ist. Neun weitere Angeklagte erhielten Freiheitsstrafen.

Gegen mindestens 50 Personen wurden 2010 gerichtliche Untersuchungen eingeleitet. Sie standen im Zusammenhang mit Misshandlungen in einem Studentenwohnheim der Teheraner Universität unmittelbar nach den Wahlen im Jahr 2009.

Menschenrechtsverteidiger

Menschenrechtsverteidiger, die sich für die Rechte von Frauen und ethnischen Minderheiten einsetzten und ein Ende von Steinigungen sowie von Hinrichtungen jugendlicher Straftäter forderten, waren das gesamte Jahr über schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Frauenrechtlerinnen, Rechtsanwälte, Gewerkschafter, Menschen, die sich für die Rechte ethnischer Minderheiten einsetzten, Studierende und andere Menschenrechtsaktivisten, die in den vergangenen Jahren in unfairen Prozessen verurteilt worden waren, saßen noch immer im Gefängnis. Andere wurden willkürlich inhaftiert, schikaniert, strafrechtlich verfolgt und in unfairen Gerichtsverfahren verurteilt. Einige waren gewaltlose politische Gefangene. Andere durften nicht mehr ins Ausland reisen. Unabhängige Gewerkschaften blieben weiterhin verboten.

  • Emadeddin Baghi, ein Journalist, Autor und Leiter der verbotenen Vereinigung zur Verteidigung der Rechte von Gefangenen, war von Dezember 2009 bis Juni 2010 inhaftiert. Im Dezember 2010 trat er eine siebenjährige Freiheitsstrafe an. Er war wegen seines friedlichen Einsatzes für die Menschenrechte und seiner journalistischen Arbeit strafrechtlich verfolgt worden.

Die Behörden schikanierten Menschenrechtsorganisationen und nahmen einige ihrer Mitglieder fest. Dies betraf u.a. die Organisationen Committee of Human Rights Reporters (CHRR) und Human Rights Activists in Iran (HRAI).

  • Shiva Nazar Ahari, die dem CHRR angehört, war im Dezember 2009 festgenommen worden und kam im September 2010 gegen Kaution frei. Unmittelbar danach wurde sie zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Mehr als die Hälfte der Strafe sollte sie in einem entlegenen Gefängnis im inneriranischen Exil verbringen. Sie legte Rechtsmittel gegen das Urteil ein und blieb bis zu der Entscheidung des Berufungsgerichts auf freiem Fuß.

Diskriminierung von Frauen

Frauen waren nach wie vor Diskriminierung ausgesetzt, sowohl durch die Gesetzgebung als auch im täglichen Leben. Frauenrechtlerinnen wurden weiterhin Opfer gezielter staatlicher Unterdrückungsmaßnahmen. Das Parlament diskutierte 2010 über einen Gesetzentwurf zum Schutz der Familie. Sollten die umstrittenen Klauseln tatsächlich in Kraft treten, würden die Rechte von Frauen noch weiter untergraben. Personen, die sich mit der Kampagne "Eine Million Unterschriften" für ein Ende der rechtlichen Diskriminierung von Frauen einsetzten, wurden weiterhin unter Druck gesetzt.

  • Mahboubeh Karami, die an der Kampagne "Eine Million Unterschriften" beteiligt war, wurde im März zum fünften Mal festgenommen und blieb bis 18. August 2010 in Haft. Im September wurde sie wegen ihrer Mitgliedschaft bei HRAI, wegen "Propaganda gegen den Staat" und wegen "Verschwörung gegen den Staat" zu vier Jahren Haft verurteilt. Bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts blieb sie auf freiem Fuß.

  • Fatemeh Masjedi und Maryam Bigdeli drohte Ende 2010 eine Haftstrafe von sechs Monaten, nachdem ein Berufungsgericht die Schuldsprüche gegen sie bestätigt hatte. Die beiden Frauen waren wegen Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Sammeln von Unterschriften für die Kampagne "Eine Million Unterschriften" schuldig gesprochen worden.

Im April forderte die Oberste Justizautorität Ayatollah Sayed Ali Khamenei, man müsse der Durchsetzung der staatlich verordneten Bekleidungsvorschriften wieder mehr Aufmerksamkeit schenken. Im Mai wurde unter Berufung auf ein Gesetz aus dem Jahr 2005 eine "Keuschheits- und Sittsamkeitskampagne" gestartet. Die Kampagne zielte auf Frauen, die sich in der Öffentlichkeit, wie z.B. auf dem Campus einer Universität, nicht an die staatliche Kleiderordnung hielten. Im September wurden Berichte bekannt, wonach sich die Zahl der Frauen, die ein Universitätsstudium aufnehmen wollten, erheblich verringert hat.

Diskriminierung von ethnischen Minderheiten

Ethnische Minderheiten litten weiterhin unter systematischer Diskriminierung sowohl durch die Gesetzgebung als auch im Alltag. Dies betraf u.a. Angehörige der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aserbaidschaner, Belutschen, Kurden und Turkmenen. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprachen in Schulen und Regierungseinrichtungen blieb untersagt. Diejenigen, die sich für ein stärkeres politisches Mitspracherecht oder die Anerkennung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Minderheiten einsetzten, wurden systematisch bedroht, festgenommen und inhaftiert.

  • Im September 2010 wurden dem Vernehmen nach vier Angehörige der Gemeinschaft der Ahwazi, die seit Juni 2009 inhaftiert waren, zum Tode verurteilt. Sie waren u.a. wegen "Feindschaft gegen Gott und Verdorbenheit auf Erden" angeklagt worden.

  • Rund 20 aserbaidschanische Menschenrechtsverteidiger, die im Mai festgenommen worden waren, kamen im November 2010 frei. Die Festnahme erfolgte rund um den Jahrestag der Massenproteste von 2006. Diese hatten sich gegen eine Karikatur in einer staatlichen Zeitung gerichtet, die von vielen Aserbaidschanern als beleidigend empfunden worden war. Der Schriftsteller Akbar Azad befand sich weiterhin in Haft, weil seine Familie die hohe Kautionssumme nicht aufbringen konnte.

  • Mohammad Saber Malek Raisi, ein 15-jähriger belutschischer Jugendlicher aus Sarbaz, wurde einem Bericht von Juli zufolge seit September 2009 ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Haft gehalten. Es wurde vermutet, dass mit seiner Inhaftierung Druck auf seinen älteren Bruder ausgeübt werden sollte, sich den Behörden zu stellen. Im Dezember wurden elf belutschische Männer, die in unfairen Prozessen verurteilt worden waren, in Zahedan hingerichtet. Es handelte sich dabei offenbar um eine Vergeltungsmaßnahme für einen Bombenanschlag der PRMI fünf Tage zuvor.

  • Kaveh Ghasemi Kermanshahi, ein kurdischer Menschenrechtsverteidiger und Mitglied der Kampagne "Eine Million Unterschriften", wurde von Februar bis Mai 2010 im Gewahrsam gehalten, davon 80 Tage in Einzelhaft. Sein Verfahren begann im Oktober. Ihm wurden Vergehen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit zur Last gelegt.

  • Im Oktober wurde der Turkmene Arash Saghar zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Er hatte den Wahlkampf des Präsidentschaftskandidaten Mir Hossein Mussawi unterstützt. Die Anklage lautete auf "Spionage für Turkmenistan".

Religionsfreiheit

Angehörige religiöser Minderheiten sahen sich auch 2010 Diskriminierung, Schikanen und willkürlichen Festnahmen ausgesetzt. Zudem wurde in einigen Fällen ihr Gemeindeeigentum beschädigt. Zu den Betroffenen zählten Personen, die vom Islam zum Christentum konvertiert waren, sunnitische Muslime, oppositionelle schiitische Geistliche sowie die Gemeinschaften der Ahl-e Haqq und der Derwische. Anhänger der Baha’i-Glaubensgemeinschaft, denen weiterhin der Zugang zu weiterführenden Schulen verwehrt wurde, mussten mit verstärkter Verfolgung rechnen.

  • Der oppositionelle schiitische Geistliche Ayatollah Kazemeyni Boroujerdi, der 2007 in einem unfairen Gerichtsverfahren verurteilt worden war, befand sich weiterhin in Haft. Im Dezember 2010 wurden sieben seiner Anhänger inhaftiert.

  • Sieben führende Mitglieder der Baha’i-Glaubensgemeinschaft, die 2008 festgenommen worden waren, wurden im August 2010 nach grob unfairen Gerichtsverfahren der Spionage und der Propaganda gegen den Islam für schuldig befunden. Sie erhielten Freiheitsstrafen von 20 Jahren. Im September sollen die Urteile von einem Berufungsgericht auf zehn Jahre verkürzt worden sein.

  • Im Mai 2010 wurden 24 Derwische zu Gefängnisstrafen, inneriranischem Exil und Auspeitschungen verurteilt. Sie hatten 2009 an einer Kundgebung in Gonabad im Nordosten des Iran teilgenommen.

  • Der zum Christentum konvertierte Yousef Naderkhani, ein Mitglied der Church of Iran in Rasht, wurde im Oktober 2010 wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt.

Grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafen

Iranische Gerichte verhängten Prügel- und Amputationsstrafen, die auch vermehrt vollstreckt wurden. Das genaue Ausmaß dieser Strafen blieb im Dunkeln. In Reden vor dem UN-Menschenrechtsrat im April und Juni betonte der Generalsekretär der staatlichen iranischen Menschenrechtsbehörde, Mohammad Javad Larijani, dass die Regierung diese Strafen nicht als Form der Folter betrachte.

  • Im April 2010 wurde der Journalist und Filmemacher Mohammad Nourizad zu dreieinhalb Jahren Haft und 50 Peitschenhieben verurteilt. Ihm wurde "Propaganda gegen das System" sowie "Beamtenbeleidigung" vorgeworfen. Im November sagte er, dass er und weitere Personen gefoltert worden seien. Im Dezember trat er in einen Hungerstreik.

Todesstrafe

Die Behörden räumten die Hinrichtung von 252 Menschen ein, darunter fünf Frauen und ein jugendlicher Straftäter. Es gab glaubwürdige Berichte über mehr als 300 weitere Hinrichtungen, die meisten davon im Vakilabad-Gefängnis von Maschad, die offiziell nicht zugegeben wurden. Mindestens 143 weitere jugendliche Straftäter saßen Ende 2010 noch in den Todeszellen ein. Es ist davon auszugehen, dass die tatsächlichen Zahlen noch höher waren, da die Berichterstattung über die Todesstrafe von den Behörden eingeschränkt wurde.

Es wurden Todesurteile verhängt wegen Drogenschmuggel, bewaffnetem Raub, Mord, Spionage, politisch motivierter Gewalt und Sexualstraftaten. Die Behörden benutzten die Todesstrafe und Hinrichtungen auch als politisches Instrument.

  • Im Januar 2010 wurden zwei Männer – ohne vorherige Ankündigung – durch den Strang hingerichtet. Sie waren im Zusammenhang mit den Protesten nach den Präsidentschaftswahlen wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer monarchistischen Organisation zum Tode verurteilt worden.

  • Im Mai 2010 richteten die Behörden vier Kurden hin, die wegen mutmaßlicher Verbindungen zu kurdischen Oppositionsgruppen verurteilt worden waren.

Es gab keine Berichte über Steinigungen. Doch drohte mindestens 15 Gefangenen, in der Mehrzahl Frauen, weiterhin die Hinrichtung durch Steinigung.

  • Der Fall von Sakineh Mohammadi Ashtiani, die 2006 zum Tod durch Steinigung verurteilt worden war, wurde überprüft. Er erregte weltweite Aufmerksamkeit, nachdem es Anzeichen dafür gab, dass sie hingerichtet werden würde. Personen, die sich für Sakineh Mohammadi Ashtiani einsetzten, wurden schikaniert und festgenommen.

Im Dezember 2010 wurden Änderungen des Gesetzes zur Drogenbekämpfung bekanntgegeben. Damit kann die Todesstrafe künftig auch für Straftaten im Zusammenhang mit synthetischen Drogen verhängt werden. Ebenfalls im Dezember gehörte der Iran zu den wenigen Staaten, die gegen die Resolution der UN-Generalversammlung für ein weltweites Hinrichtungsmoratorium stimmten.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Die iranischen Behörden beantworteten keine Briefe von Amnesty International und verweigerten weiterhin den Zugang zum Land. Sie hindern die Organisation auf diese Weise daran, die Lage der Menschenrechte vor Ort zu untersuchen. Das Einreiseverbot gilt seit 1979.

Iran: Amnesty International’s comments on the national report presented by the Islamic Republic of Iran for the Universal Periodic Review (MDE 13/021/2010)

From protest to prison: Iran one year after the election (MDE 13/062/2010)

Sakineh Mohammadi Ashtiani: A life in the balance (MDE 13/089/2010)

Iran: Executions by stoning (MDE 13/095/2010)

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