Amnesty Report Tschechische Republik 16. April 2020

Tschechische Republik 2019

Kinder auf Schulbänken, im Hintergrund eine bunte Tafel

Roma-Kinder in einer Schule in der tschechischen Stadt Ostrava (Archivfoto)

Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) wurde vom Parlament nicht ratifiziert. Das Sozialministerium schlug ein neues Gesetz über Wohngeld vor, das dazu führen könnte, dass viele Menschen obdachlos werden. Die Verwendung einer diskriminierenden Sprache in Bezug auf Migrant_innen und Roma bot weiterhin Anlass zur Besorgnis.

Hintergrund

Im April, Mai, Juni und November 2019 gab es Massendemonstrationen, bei denen Hunderttausende von Menschen im ganzen Land auf die Straße gingen. Die Proteste wurden alle von derselben Gruppe organisiert. Auslöser waren Befürchtungen, die Regierung könne sich in die Justiz einmischen. Insbesondere zu Beginn des Jahres forderten die Demonstrierenden außerdem Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise.

Im August 2019 kritisierte der UN-Ausschuss für die Beseitigung rassistischer Diskriminierung (CERD) die Benachteiligung von Roma, was deren Zugang zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten betrifft, sowie die rassistische Rhetorik von politisch Verantwortlichen, darunter Bürgermeister_innen, Parlamentsabgeordneten und Regierungsmitgliedern. Der Ausschuss wies auch auf die hohe Zahl rassistisch motivierter Angriffe hin, die sich gegen Roma, Jüd_innen, Migrant_innen und Verfechter_innen von Minderheitenrechten richteten.

Das Parlament versäumte es, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) zu ratifizieren, obwohl Berichte vorlagen, wonach nur ein geringer Prozentsatz derjenigen, die für häusliche Gewalt verantwortlich sind, vor Gericht gestellt wird.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Im Februar 2019 stellte die Europäische Kommission fest, dass es in Tschechien nicht genug erschwingliche und hochwertige Sozialwohnungen gab und dass Obdachlosigkeit und private Verschuldung zunahmen.

Im Juni legte das Sozialministerium einen Gesetzentwurf über Wohngeld vor, der strengere Anspruchskriterien vorsah und diejenigen ausschließen würde, die in Langzeithotels wohnen. Nichtregierungsorganisationen, die sich für das Recht auf Wohnraum engagieren, wiesen darauf hin, dass durch das Gesetz Tausende von Familien keinen Anspruch mehr auf Zuschüsse hätten.

Diskriminierung – Roma

Recht auf Wohnraum

Im März 2019 entschied die Behörde der Mittelböhmischen Region, dass ein Erlass der Stadt Kladno rechtswidrig sei, der mehrere Gebiete, von denen viele von Roma bewohnt wurden, zu "Zonen sozial unerwünschten Verhaltens" erklärt hatte. Der Erlass stand in Zusammenhang mit einer Änderung der Sozialgesetze im Jahr 2017, wonach die Bewohner solcher "Zonen" kein Wohngeld beantragen dürfen. Nach Ansicht der Regionalbehörde waren in dem Erlass die Gebiete nicht klar genug eingegrenzt, sondern ganze Stadtteile zu solchen "Zonen" erklärt worden. Im August 2019 kritisierte der UN-Ausschuss für die Beseitigung rassistischer Diskriminierung die Ausweisung derartiger "Zonen" als diskriminierend.

Zahlreiche andere Kommunen mit einem hohen Anteil von Roma, darunter Ústí nad Labem (Aussig), Most (Brüx), Karviná (Karwin) und der Südteil von Ostrava (Ostrau), wiesen jedoch weiterhin Gebiete als "Zonen sozial unerwünschten Verhaltens" aus – ungeachtet dessen, dass internationale Gremien zur Überwachung der Menschenrechte einen besseren Zugang für Roma zu angemessenem Wohnraum und ein Ende der diskriminierenden Praktiken forderten.

Recht auf Bildung

Der UN-Ausschuss für die Beseitigung rassistischer Diskriminierung äußerte sich im August 2019 besorgt darüber, dass es nach wie vor sehr viele Sonderschulen gab, in denen die große Mehrheit der Schüler_innen Roma waren.

Im September überprüfte das Ministerkomitee des Europarats die Maßnahmen zur Bekämpfung der diskriminierenden Segregation von Roma-Kindern in Schulen und Klassen für Schüler_innen mit geistigen Behinderungen. Anlass war, dass die Behörden das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall "D.H. und andere gegen die Tschechische Republik" aus dem Jahr 2007 immer noch nicht umgesetzt hatten. Der Ausschuss begrüßte, dass einige Reformen erfolgt waren, stellte jedoch mit Besorgnis fest, dass Roma-Kinder in Schulen und Klassen für Schüler_innen mit leichten geistigen Behinderungen nach wie vor überrepräsentiert waren. Nach Angaben der Regierung lag der Anteil von Roma-Kindern in Regelgrundschulen im Schuljahr 2018/2019 bei 3,7 Prozent, während sie bei eingeschränkten Bildungsangeboten 29,1 Prozent der Schüler_innen ausmachten.

Im Oktober reduzierte das Bildungsministerium die Unterstützung für Schüler_innen mit sonderpädagogischem Förderungsbedarf, indem es die Zahl der Assistenzlehrer_innen auf eine Person pro Klasse beschränkte. Außerdem erlaubte es den Schulen auch rückwirkend, gesonderte Klassen für Schüler_innen mit Lern- und Verhaltensproblemen einzuführen. Mehrere Nichtregierungsorganisationen äußerten die Befürchtung, dass diese Maßnahmen die Segregation von Roma-Kindern in Schulen verstärken würden.

Diskriminierung – Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche

Im März 2019 erörterte das Parlament einen Entwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs, der die gleichgeschlechtliche Ehe ermöglichen und die bestehende Rechtsvorschrift zur eingetragenen Lebenspartnerschaft ersetzen würde. Eine Gruppe von Abgeordneten brachte einen Gegenvorschlag ein, der den Schutz der "traditionellen Ehe" zwischen Mann und Frau in der Verfassung verankern soll. Bis zum Jahresende war über keinen der beiden Vorschläge abgestimmt worden.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Tschechien hielt weiterhin einige Asylsuchende, darunter auch Minderjährige, in Gewahrsam, bevor sie auf Grundlage des Dublin-Verfahrens in einen anderen EU-Mitgliedstaat überstellt wurden.

Die Regierung lehnte es weiterhin ab, sich an Bemühungen zur Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU zu beteiligen. Über die Klage gegen Tschechien, die die Europäische Kommission 2017 beim Europäischen Gerichtshof eingereicht hatte, war Ende 2019 noch nicht entschieden. Anlass war die Weigerung des Landes, sich an der Notfallregelung der EU zur Umsiedlung von Flüchtlingen zu beteiligen, die verbindliche Quoten festlegt.

Die Ombudsfrau hatte in der Vergangenheit die Behandlung einer Gruppe chinesischer Asylsuchender durch die Behörden sowohl aus verfahrenstechnischen als auch aus inhaltlichen Gründen kritisiert. Im Jahr 2017 hatten 78 chinesische Staatsbürger_innen einen Asylantrag wegen religiöser Verfolgung gestellt, 2018 waren jedoch 70 dieser Anträge abgelehnt worden. Im September 2019 verwies das Oberste Verwaltungsgericht drei Fälle von abgelehnten Asylsuchenden zur erneuten Überprüfung an die Migrationsbehörde zurück.

Waffenhandel

Die anhaltenden Waffenlieferungen an die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten angeführte Militärallianz, die in den bewaffneten Konflikt im Jemen eingriff, gaben nach wie vor Anlass zur Besorgnis. Es bestand die große Gefahr, dass die Waffen im Jemen eingesetzt wurden, um schwere Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu begehen oder entsprechenden Verstößen Vorschub zu leisten.

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