Amnesty Report Senegal 28. März 2023

Senegal 2022

Ruinen an einem Strand

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

Die Rechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit waren eingeschränkt. Minderjährige wurden weiterhin zum Betteln gezwungen. In zwei Krankenhäusern brachen aufgrund mangelhafter Wartung Brände aus. Die Behörden bekundeten die Absicht, die Treibhausgasemissionen zu verringern. Der Klimawandel führte weiterhin zu Erosionen in Küstengebieten und bedrohte die Lebensgrundlagen der dortigen Bevölkerung.

Hintergrund

Bei den Kommunalwahlen im Januar 2022 gewann in mehreren Gemeinden die Opposition. Bei der Parlamentswahl im Juli konnte die Regierungskoalition ihre Mehrheit knapp behaupten. Präsident Sall ernannte den ehemaligen Finanz- und Außenminister Amadou Ba zum Premierminister.

Im März 2022 startete die senegalesische Armee eine Militäroperation namens "Nord Bignona", die zum Ziel hatte, Stützpunkte der bewaffneten Gruppe Mouvement des Forces Démocratiques de la Casamance (MFDC) nahe der Grenze zu Gambia zu zerstören und illegalen Holzeinschlag und Holzhandel zu unterbinden. Wie die Katastrophenschutzbehörde Gambias mitteilte, führte der Militäreinsatz dazu, dass 691 Senegales*innen in das Nachbarland flüchteten und mehr als 5.600 Gambier*innen, die nahe der Grenze lebten, aus ihren Dörfern vertrieben wurden. Im August 2022 unterzeichnete der Senegal mit einem Teil der MFDC ein vorläufiges Friedensabkommen, das eine Entwaffnung dieser Gruppe und eine Rückkehr von Flüchtlingen vorsah.

Recht auf Versammlungsfreiheit

Am 31. März 2022 wies der Gerichtshof der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft die senegalesischen Behörden an, den Ministerialerlass Nr. 7580 vom 20. Juli 2011 aufzuheben, der "politische Demonstrationen" im Zentrum der Hauptstadt Dakar untersagt hatte, weil er nach Ansicht des Gerichtshofs gegen die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit verstieß. Im Dezember weigerten sich die Behörden aber immer noch, das Urteil umzusetzen.

Im Juni 2022 – in der spannungsgeladenen Zeit vor der Parlamentswahl – verboten die senegalesischen Behörden mehrere Demonstrationen der Opposition. Am 17. Juni nahmen die Sicherheitskräfte mindestens drei führende Oppositionspolitiker fest und hinderten weitere Oppositionelle daran, ihre Häuser zu verlassen. Auf diese Weise wollten sie eine nicht genehmigte Demonstration in Dakar verhindern, die an diesem Tag stattfinden sollte. Dethié Fall, ein führender Vertreter des Oppositionsbündnisses Yewwi Aksan Wi, wurde wegen "Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration" zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Ahmed Aidara, der Bürgermeister der Stadt Guediawaye, erhielt wegen "Teilnahme an einer unbewaffneten Versammlung" eine einmonatige Bewährungsstrafe.

Am 18. Juni 2022 nahm die Polizei in Ziguinchor den Oppositionsführer Guy Marius Sagna und zwei weitere Personen fest, als sie 33 Inhaftierte besuchen wollten, die am Vortag auf einer Protestveranstaltung festgenommen worden waren. Alle wurden wegen "Teilnahme an einer verbotenen Demonstration" und "Störung der öffentlichen Ordnung" angeklagt. Guy Marius Sagna und die beiden Aktivisten Cheikh Sourate Sagna und Amadou Tom Mbodj wurden zu einer einmonatigen Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe von 50.000 CFA-Francs (etwa 76 Euro) verurteilt. Die übrigen Festgenommenen wurden freigesprochen.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Am 10. Juni 2022 wurde der Oppositionsführer Cheikh Abdou Mbacké Bara Dolly festgenommen und wegen "Verleumdung, Verbreitung von Falschnachrichten und Beleidigung des Staatsoberhaupts" angeklagt, nachdem er bei einer Protestveranstaltung der Opposition eine Rede gehalten hatte. Im Juli kam er vorläufig frei.

Am 3. August 2022 inhaftierten die Behörden den Aktivisten Pape Ibra Gueye (auch Papito Kara genannt) wegen "Verbreitung von Falschnachrichten sowie Löschung, Veränderung, Fälschung und Verwendung von Computerdaten" zwecks subversiver Manipulation von Zeitungsschlagzeilen. Fünf Tage später kam der Aktivist Outhmane Diagne wegen desselben Vorwurfs in Haft. Beiden wurde vorgeworfen, Schlagzeilen aus Tageszeitungen zu Satirezwecken "gefälscht" zu haben.

Am 6. November 2022 nahm die Polizei Pape Alé Niang fest, weil er drei Tage zuvor auf Facebook ein Live-Video gepostet hatte, in dem er die mündliche Verhandlung im Prozess gegen Oppositionsführer Ousmane Sonko kommentiert und einen internen Untersuchungsbericht der Gendarmerie veröffentlicht hatte. Man warf ihm "Preisgabe und Veröffentlichung interner militärischer Dokumente, die der nationalen Verteidigung schaden könnten, Aufruf zur Rebellion und Verbreitung von Falschnachrichten" vor.

Exzessive Gewaltanwendung

Am 17. Juni 2022 gingen die Sicherheitskräfte mit scharfer Munition gegen Proteste vor und töteten dabei in Bignona Albert "Abdoulaye" Diatta und in Ziguinchor den Taxifahrer Idrissa Goudiaby. Die erste Autopsie von Idrissa Goudiaby ergab einen "gewaltsamen Tod durch einen hämorrhagischen Schock infolge einer Halswunde, die durch eine stumpfe und scharfkantige Waffe, etwa eine Axt oder ein Schwert, verursacht wurde". Eine zweite Autopsie, die auf Betreiben seiner Familie von drei unabhängigen Forensiker*innen vorgenommen wurde, ergab, dass sein Tod durch Schusswunden verursacht wurde, was mit Aussagen von Zeug*innen übereinstimmte.

Was den Tod von 14 Menschen bei Protesten in mehreren Städten im März 2021 betraf, gab es keine Informationen zum Stand der Ermittlungen. Zwölf von ihnen waren an Schussverletzungen gestorben.

Folter und andere Misshandlungen

Während der Protestwelle im Juni 2022 nahmen die Sicherheitskräfte am 16. und 17. Juni elf Personen fest, denen sie u. a. vorwarfen, "staatsgefährdende Aktivitäten" geplant zu haben. Einer der Festgenommenen, der ehemalige Soldat François Mancabou, wurde am 29. Juni aus seiner Polizeizelle geholt und mit schweren Verletzungen in das Hôpital Principal in Dakar gebracht. Dort fiel er ins Koma und starb am 13. Juli. Seine Familie warf der Polizei vor, ihn in Gewahrsam gefoltert und seinen Tod verursacht zu haben. Die Polizei wies die Vorwürfe zurück und gab an, er habe sich die Wunden in der Haft selbst zugefügt. Es wurde keine Untersuchung eingeleitet, um zu klären, wie es zu den schweren Verletzungen während der Haft gekommen war.

Kinderrechte

Obwohl sich die Regierung auf einen Gesetzentwurf zur Modernisierung des Koranunterrichts verständigt hatte, wurde dieser nicht zur Abstimmung ins Parlament eingebracht. Das geplante Gesetz würde dazu beitragen, Zwangsbettelei durch Minderjährige zu verhindern und die Rechte Minderjähriger im Bildungswesen zu schützen. Über einen Gesetzentwurf zum Kinderschutz hatte die Regierung Ende 2022 immer noch nicht beraten.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Im Januar 2022 lehnte das Parlament einen Gesetzentwurf ab, der vorsah, die sexuelle Orientierung von LGBTI+ zu kriminalisieren. Gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen waren gemäß Strafgesetzbuch bereits strafbar. In den Monaten vor der Entscheidung im Parlament hatten mehrere konservative Gruppen eine Kampagne gegen LGBTI+ lanciert und den Behörden vorgeworfen, zum Sittenverfall beizutragen. LGBTI+ waren weiterhin Diskriminierung, Schikanen und öffentlichen Einschüchterungen ausgesetzt.

Recht auf Gesundheit

Der schlechte Zustand einiger Gesundheitseinrichtungen führte zu schweren Zwischenfällen. Im Mai 2022 starben elf Neugeborene, als in der Entbindungsstation des Krankenhauses von Tivaouane ein Feuer ausbrach, das auf mangelhafte Wartung zurückzuführen war. Im August gab es aus demselben Grund einen Brand auf der Entbindungsstation im Krankenhaus von Mbour. In diesem Fall konnten die Babys jedoch rechtzeitig gerettet werden, und es gab keine Todesopfer.

Klimakrise

Aufgrund des Klimawandels kam es 2022 erneut zu Überschwemmungen während der Regenzeit, aber auch zu Dürre und Wasserknappheit. Der Anstieg des Meeresspiegels führte weiterhin zu Erosion in Fischerdörfern und Siedlungen wie Guet-Ndar in der Region Saint-Louis, bedrohte die Lebensgrundlagen der Menschen und zwang einige Gemeinden, ins Landesinnere umzuziehen. Auf einem Teil der Halbinsel Langue de Barbarie wurden die Arbeiten an einem Deich fortgesetzt, um die Küste zu schützen.

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