Amnesty Report Namibia 29. März 2022

Namibia 2021

Zwei Schülerinnen und ein Schüler mit Schuluniform und Masken stehen in einer Schlange vor einem Waschbecken.

Hygienemaßnahmen an einer Schule in Windhoek, Namibia aufgrund der Coronapandemie (26. Januar 2021)

Berichtszeitraum: 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021

Die Polizei setzte wiederholt unverhältnismäßige Gewalt ein. Vor dem Hintergrund der Coronabeschränkungen wurden vermehrt Personen über lange und unbefristete Zeiträume hinweg in Untersuchungshaft genommen. Geschlechtsspezifische Gewalt war weiterhin an der Tagesordnung, und LGBTI+ wurden diskriminiert. Es herrschte ein Mangel an Covid-19-Impfstoffen. Die Erschließung von Öl- und Gasvorkommen bedrohte die Umwelt und die Lebensgrundlagen indigener Gemeinschaften. Eine Kommission empfahl der Regierung den Erlass von Rechtsvorschriften zum Schutz der Landrechte für traditionelle Siedlungsgebiete. Der Präsident war in Korruptionsvorwürfe verwickelt.

Exzessive Gewaltanwendung

Im April 2021 griffen Polizist_innen in der Stadt Khorixas einen Mann mit Behinderungen an. Anschließend nahmen sie ihn und seine Schwägerin wegen Verstoßes gegen die zur Eindämmung des Coronavirus verhängte Ausgangssperre fest. Im Juni verletzte eine Polizeikraft in der Polizeistation von Rundu drei Untersuchungshäftlinge durch Schüsse. Im August erschoss ein Polizist in Lüderitz einen anderen Polizisten und eine weitere Person.

Rechte von Inhaftierten

Die Coronabeschränkungen hatten zur Folge, dass die Behörden vermehrt auf lange und unbefristete Untersuchungshaft zurückgriffen. Die Termine für die mündlichen Verhandlungen mehrerer Häftlinge wurden verschoben, da die Strafvollzugsbehörden aufgrund der Pandemie einen Lockdown über die Gefängnisse verhängt hatten. Die Bedingungen in den Haftanstalten und den Arrestzellen der Polizei waren weiterhin schlecht.

Diskriminierung

Rechte von Frauen und Mädchen

Der im Rahmen der Coronawarnstufe vier verhängte Lockdown machte das Leben für jene Frauen und Mädchen besonders schwer, die während der Selbstisolation mit den Menschen unter einem Dach leben mussten, die sie misshandelten. Der Oberste Richter Namibias gab im Februar 2021 bekannt, dass die Zahl der Gerichtsverfahren wegen häuslicher Gewalt im Jahr 2020 stark angestiegen war. Es gab weiterhin Kinderehen. Im Januar 2021 gingen Berichte ein, denen zufolge ein inzwischen vierjähriges Mädchen von seinen Eltern im Alter von erst zwei Jahren mit einem 25-jährigen Mann verheiratet worden war.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

LGBTI+ in Namibia waren nach wie vor starker Diskriminierung ausgesetzt. Im April 2021 wurde eine trans Frau von der Polizei beschuldigt, durch eine gefälschte Identität der Strafverfolgung entgehen zu wollen. Sie wurde in Gewahrsam transfeindlich belästigt.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Recht auf Gesundheit

Im Juli 2021 kam es in Namibia zu einer dritten Welle von Coronainfektionen, die durch nicht ausreichende Impfstoffvorräte und eine langsame Durchimpfungsrate zusätzlich verschärft wurde. Die Pandemie hatte zur Folge, dass der Zugang zu Diensten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit noch schwieriger war.

Landrechte

Im Januar 2021 veröffentlichte die Untersuchungskommission für Landansprüche und -rückgabe (Commission of Inquiry into Claims of Ancestral Land Rights and Restitution) einen Bericht, der die Rückgabe angestammter Landrechte unterstützt. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass Landansprüche, die von Gruppen und Einzelpersonen in Form einer Rückgabe von Rechten geltend gemacht werden, unter das umfassendere Konzept der Wiedergutmachung nach internationalen Menschenrechtsnormen fallen. Vor diesem Hintergrund empfahl sie dem Parlament, innerhalb der nächsten zwei Jahre ein Gesetz über die Beanspruchung und Rückgabe von Rechten an angestammtem Land zu verabschieden, wobei die Bedingung erfüllt sein müsse, dass das Verfahren und seine Ergebnisse mit der Verfassung und den internationalen Menschenrechtsnormen vereinbar sind.

Umweltzerstörung

Im August 2021 äußerte das UNESCO-Welterbekomitee seine Besorgnis darüber, dass dem in Kanada ansässigen Bergbauunternehmen ReconAfrica Lizenzen für die Erdölgewinnung in ökologisch sensiblen Gebieten im Kavango-Flussbecken im Nordosten Namibias erteilt worden waren. Dies geschah, nachdem die Regierung bestätigt hatte, dass die Bohrungen am Bohrloch 6-1 erfolgreich abgeschlossen worden waren. Umweltschützer_innen und die örtliche Bevölkerung organisierten im Laufe des Jahres mehrere Petitionen und andere Proteste gegen die Bohrungen, die jedoch nicht eingestellt wurden. Die Bohrungen bedrohten die empfindliche Umwelt und die Lebensgrundlage der dort lebenden indigenen Gemeinschaften.

Straflosigkeit

Im April 2021 war der namibische Präsident in Korruptionsvorwürfe verwickelt, welche die lukrative Fischereiindustrie des Landes betrafen. Regierungsvertretern wurden korrupte Praktiken vorgeworfen, für die sie jedoch Straffreiheit genossen.

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