Amnesty Report Kolumbien 24. April 2024

Kolumbien 2023

Das Bild zeigt eine Frau, die eine Kerze anzündet und sie auf den Asphalt stellt.

Eine trans Person zündet in Kolumbiens Hauptstadt Bogota eine Kerze an während einer Mahnwache für ermordete Angehörige der Trans-Community, die Opfer von Hassverbrechen wurden (20. November 2023).

Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023

Trotz Friedensgesprächen und Waffenruhen litt die Zivilbevölkerung weiterhin unter dem bewaffneten Konflikt und damit einhergehenden Menschenrechtsverletzungen wie z. B. massenhaften Vertreibungen. Die Regierung brachte keine umfassende Polizeireform auf den Weg, legte aber geänderte Vorschriften für die Anwendung von Gewalt bei Protesten vor. Die Auswirkungen des bewaffneten Konflikts trafen indigene, afrokolumbianische und kleinbäuerliche Gemeinschaften nach wie vor unverhältnismäßig stark. Feminizide sowie Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) gaben weiterhin Anlass zu großer Sorge. Das Verfassungsgericht bestätigte die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur 24. Schwangerschaftswoche, doch war der Zugang zu entsprechenden Dienstleistungen weiterhin eingeschränkt. Angesichts fortgesetzter Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger*innen kündigte die Regierung Maßnahmen zu deren Schutz an. Es gab Fortschritte bei der strafrechtlichen Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Venezolanische Flüchtlinge, die sich um internationalen Schutz oder andere Möglichkeiten eines regulären Aufenthalts bemühten, stießen weiterhin auf Hindernisse.

Hintergrund

Nach Einschätzung der kolumbianischen Stiftung Ideen für den Frieden (Fundación Ideas para la Paz) gewannen im Jahr 2023, dem ersten Jahr der Präsidentschaft von Gustavo Petro, die bewaffneten Gruppen an Stärke, und Konflikte zwischen ihnen nahmen zu, während die Zusammenstöße zwischen der kolumbianischen Armee und bewaffneten Gruppen abnahmen.

Die Friedensgespräche zwischen der Regierung und der bewaffneten Gruppe Ejército de Liberación Nacional (ELN) kamen voran, und im August 2023 einigten sich beide Seiten auf einen sechsmonatigen Waffenstillstand. Im Mai 2023 wurde der zwischen der Regierung und der FARC-Splittergruppe Estado Mayor Central (EMC) vereinbarte Waffenstillstand teilweise aufgehoben, nachdem die EMC vier indigene Jugendliche getötet hatte. Im September wurden die Verhandlungen zwischen der Regierung und der EMC wieder aufgenommen. Sie führten zur Vereinbarung eines dreimonatigen Waffenstillstands. Die Regierung versuchte außerdem, Verhandlungen mit sechs weiteren bewaffneten Gruppen aufzunehmen, u. a. Gruppen in den Städten Medellín, Quibdó und Buenaventura sowie mit der paramilitärischen Gruppe Autodefensas Gaitanistas de Colombia (AGC).

Im Oktober 2023 fanden Kommunalwahlen statt, bei denen es in verschiedenen Regionen des Landes zu Gewalttätigkeiten gekommen sein soll.

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte befand, dass der kolumbianische Staat für die Eliminierung der politischen Partei Unión Patriótica und für Menschenrechtsverletzungen an mehr als 6.000 Mitgliedern und Aktivist*innen der Partei und ihren Familien über einen Zeitraum von 20 Jahren verantwortlich sei.

Die Regierung legte Gesetzentwürfe für Sozialreformen in den Bereichen Gesundheit, Arbeit, Rente und Bildung vor. Die entsprechenden Gesetze waren jedoch am Jahresende noch nicht verabschiedet.

Nach Angaben der Weltbank gehörte Kolumbien 2023 zu den Ländern Südamerikas, in denen extreme Wetterereignisse besonders häufig auftraten. Etwa 84 Prozent der Bevölkerung waren mehrfachen Umweltgefahren ausgesetzt.

Die Regierung leitete erste Schritte ein, um ihren Plan für eine schrittweise Energiewende umzusetzen. Ziel war es vor allem, mehr in die Dekarbonisierung zu investieren, die Nutzung fossiler Brennstoffe schrittweise zu ersetzen und Vorschriften für Investitionen in erneuerbare Energien zu lockern.

Exzessive und unnötige Gewaltanwendung

Die NGO Temblores und die zivilgesellschaftliche Organisation Instituto de Estudios para el Desarrollo y la Paz (INDEPAZ) berichteten über 191 Fälle von Polizeigewalt im ersten Regierungsjahr von Präsident Petro. Im Vergleich zum Vorjahr war dies ein Rückgang um 59 Prozent. 43 Fälle ereigneten sich im Zusammenhang mit Protesten. Rassifizierte Bevölkerungsgruppen waren weiterhin von Racial Profiling und polizeilichen Übergriffen betroffen.

Im Februar 2023 legte die Koalition für eine Polizeireform (Mesa por la Reforma Policial), eine Gruppe von Menschenrechtsorganisationen und Organisationen für Opfer rechtswidriger Polizeigewalt, Vorschläge für eine Polizeireform mit einem menschenrechtlichen und intersektionalen Ansatz vor. Dennoch brachte die Regierung keine Gesetze für eine umfassende Polizeireform auf den Weg. Sie verabschiedete jedoch verschiedene Vorschläge zur Änderung der Struktur und Arbeitsweise der Polizei. So gab sie z. B. ein neues Polizeihandbuch zum Einsatz von Gewalt bei Protesten heraus.

Diskriminierung

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission äußerte sich besorgt darüber, dass indigene Gemeinschaften, afrokolumbianische Bevölkerungsgruppen und kleinbäuerliche Gemeinschaften in der Pazifikregion Gewalt ausgesetzt waren.

Rechte indigener Gemeinschaften

Gewalt und bewaffnete Konflikte betrafen indigene Gemeinschaften im ganzen Land. Im September 2023 wurden indigene Gemeinschaften im Departamento Nariño mit Waffengewalt vertrieben. Einige Familien berichteten, dass man sie mit Gewalt daran gehindert habe, ihre Wohnorte zu verlassen.

Die indigene Gemeinschaft der Awá im Süden der Pazifikregion litt weiterhin unter Angriffen bewaffneter Gruppen und forderte die Behörden auf, ihre humanitäre Notlage schneller und wirksamer zu bekämpfen. Das Verfassungsgericht hatte bereits 2009 darauf hingewiesen, dass der Gemeinschaft der Awá aufgrund der kontinuierlichen Angriffe die Ausrottung drohe.

Das Verfassungsgericht erließ ein Urteil, das das Recht der indigenen Gemeinschaften auf vorherige Konsultation bei der Kommunalisierung ihrer Gebiete schützt. 

Rechte afrokolumbianischer Gemeinschaften

Im Juli 2023 kam es zu Protesten, nachdem zwei junge afrokolumbianische Männer in den Departamentos Valle del Cauca und Bolívar möglicherweise aufgrund rassistisch motivierter Polizeigewalt gestorben waren. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen Ilex Acción Jurídica, Temblores und Instituto Internacional sobre Raza, Igualdad y Derechos Humanos berichteten, dass die Polizei durch rassistisch motivierte Gewalt zu systemischem Rassismus beitrage.

Rechte von Kleinbäuer*innen 

Artikel 64 der Verfassung wurde abgeändert, um Kleinbäuer*innen als kollektive Rechteinhaber*innen (sujeto de derechos y de especial protección) anzuerkennen und ihren Schutz vor Diskriminierung zu bestätigen und zu stärken.

Frauenrechte

Im Juni 2023 wurde ein Gesetz verabschiedet, das den Geltungsbereich der Geschlechterparität auf weitere Entscheidungsgremien ausweitet. Der Grundsatz der Geschlechterparität garantiert eine bestimmte Frauenquote auf den höchsten Entscheidungsebenen kolumbianischer Institutionen.

Geschlechtsspezifische Gewalt

Im Mai 2023 wurde mittels des Nationalen Entwicklungsplans 2022–26 ein landesweiter Notstand wegen geschlechtsspezifischer Gewalt ausgerufen. Die Kolumbianische Beobachtungsstelle für Feminizide (Observatorio Colombiano de Feminicidios) meldete von Januar bis November 483 geschlechtsspezifische Tötungen von Frauen und Mädchen.

Das Regionale Informationsnetzwerk zu Gewalt gegen LGBT (Red Regional de Información sobre Violencias LGBT) registrierte 2023 insgesamt 21 Tötungen von LGBTI+ in Kolumbien, die in die Kategorie "vorurteilsbedingte Gewalt" fielen, also Gewalt, die darauf abzielt, einer Person Schaden zuzufügen, weil ihre Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung negativ beurteilt wird.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Im Februar 2023 berichtete die NGO Ärzte ohne Grenzen, dass es hinsichtlich der Verfügbarkeit sexueller und reproduktiver Gesundheitsleistungen, einschließlich Schwangerschaftsabbrüchen, weiterhin Hürden gab. Laut dem zivilgesellschaftlichen Netzwerk Causa Justa ("Gerechte Sache") existierten mindestens neun Hindernisse für Schwangerschaftsabbrüche, darunter fehlende rechtliche Kenntnisse des Gesundheitspersonals, unnötige Anforderungen der Gesundheitsbehörden und unangemessene Verzögerungen bei der Bereitstellung von Dienstleistungen.

Im August 2023 bestätigte das Verfassungsgericht die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur 24. Schwangerschaftswoche. Es hob damit Entscheidungen auf, die die Rechtswirkung seines im Jahr 2022 gefällten Urteils zur Entkriminalisierung gefährdet hatten.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Im April 2023 erhielt eine Person in Kolumbien zum ersten Mal ein Universitätsabschlusszeugnis mit der Geschlechtsbezeichnung, die ihrer nicht-binären Identität entsprach.

Menschenrechtsverteidiger*innen

Das Innenministerium kündigte an, das Programm für den kollektiven Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen aus Basisorganisationen und Gemeinschaften, die häufig Rechte auf Land und Territorium verteidigen, zu stärken und die Zahl derjenigen, die von kollektiven Schutzmaßnahmen profitieren, bis Ende 2023 zu erhöhen. Das Programm für den kollektiven Schutz hat zum Ziel, Menschenrechtsverletzungen und -verstöße, die sich gegen Basisorganisationen und Gemeinschaften richten, zu verhindern sowie Risikofaktoren zu identifizieren und diese durch entsprechende Maßnahmen auszuschalten oder zu minimieren. Das Programm läuft parallel zu individuellen Schutzprogrammen.

Im August 2023 verabschiedete die Nationale Kommission für Sicherheitsgarantien (Comisión Nacional de Garantías de Seguridad) Maßnahmen zur Zerschlagung krimineller Organisationen, die Menschenrechtsverstöße wie z. B. Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger*innen verüben.

Im September 2023 gab die staatliche Ombudsstelle angesichts der Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger*innen eine nationale Frühwarnung heraus. 

Obwohl die Regierung versuchte, die Risiken für Menschenrechtsverteidiger*innen zu verringern, war das Ausmaß der Gewalt gegen sie nach wie vor extrem hoch. Die Menschenrechtsorganisation Programa Somos Defensores registrierte von Januar bis September 2023 insgesamt 632 Angriffe auf Menschenrechtler*innen, von denen 123 tödlich waren.

Vertreibung

Afrokolumbianer*innen und indigene Gemeinschaften waren weiterhin unverhältnismäßig stark von Vertreibung betroffen. Von Januar bis November 2023 wurden nach Angaben des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge 163.719 Menschen vertrieben. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission verwies auf Zahlen des UN-Amts für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), wonach 45 Prozent aller Vertriebenen im Jahr 2023 Afrokolumbianer*innen und 32 Prozent Indigene waren.

Im Mai 2023 wurden 300 Familien, insgesamt etwa 1.500 Personen, aufgrund von Kämpfen zwischen den bewaffneten Gruppen ELN und AGC aus der Gemeinde Sipí (Departamento Chocó) vertrieben. Die meisten Vertriebenen waren Afrokolumbianer*innen und Indigene. Im Juli berichteten die Behörden im Departamento Antioquia, in den Gemeinden Segovia und Remedios seien mindestens 53 Familien aufgrund von Kampfhandlungen derselben Konfliktparteien gewaltsam aus ihren Häusern vertrieben worden.

Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht

Die Stiftung Fundación Ideas para la Paz meldete, dass im ersten Jahr der Präsidentschaft von Gustavo Petro Vertreibungen, die Zwangsisolierung von Gemeinden sowie Massaker und Morde an zivilgesellschaftlichen Sprecher*innen erheblich zugenommen hätten. Zwar wurden im Laufe des Jahres mehrere Waffenstillstandsvereinbarungen geschlossen, doch hatten diese nur begrenzte Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. 

Im Oktober 2023 teilte der UN-Generalsekretär dem UN-Sicherheitsrat mit, dass der seit August geltende Waffenstillstand zwischen der ELN und der Regierung die Konfrontation zwar deeskaliert, die Auswirkungen des bewaffneten Konflikts auf die Zivilbevölkerung jedoch kaum verringert habe.

Von Juli 2022 bis Juni 2023 registrierte der UN-Minenräumdienst landesweit 119 Opfer von Antipersonenminen, darunter vier Minderjährige und 33 Indigene und Afrokolumbianer*innen. Im Juni 2023 wurde im Departamento Nariño eine von der EMC installierte Antipersonenminenanlage gemeldet.

Im Mai 2023 forderte die Ombudsstelle die verschiedenen bewaffneten Gruppen auf, die illegale Rekrutierung von Kindern zu beenden. Die Koalition gegen die Rekrutierung von Kindern im kolumbianischen bewaffneten Konflikt (Coalición contra la vinculación de niñas, niños y jóvenes al conflicto armado en Colombia) registrierte im ersten Halbjahr 112 derartige Fälle.

Es gab weiterhin mit Waffengewalt erzwungene Ausgangssperren und Zwangsisolierungen, hauptsächlich infolge von Kämpfen bewaffneter Gruppen in ländlichen Gebieten. Im Juni warnte die Ombudsstelle vor einer von der ELN verhängten Ausgangssperre in der Gemeinde Nóvita (Departamento Chocó), die fast 5.000 Menschen betraf. Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge gab an, dass bis November 2023 in Kolumbien 72.389 Personen von Zwangsisolation betroffen waren. Im September erklärte die Interamerikanische Menschenrechtskommission unter Berufung auf OCHA, dass von den isolierten Menschen 37 Prozent Afrokolumbianer*innen und 25 Prozent Angehörige indigener Gemeinschaften seien.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Nachdem es in den Sozialen Medien zu Auseinandersetzungen zwischen dem Präsidenten und Medienvertreter*innen bzw. Journalist*innen gekommen war, empfahl die Stiftung für Pressefreiheit (Fundación para la Libertad de Prensa – FLIP) Präsident Petro mehrfach, er solle Maßnahmen ergreifen, um die Medien zu unterstützen und die Pressefreiheit zu fördern, anstatt ein feindliches Umfeld zu schaffen.

Laut FLIP gab es bis Oktober in Kolumbien 2023 insgesamt 398 Angriffe auf die Pressefreiheit, darunter 132 Fälle von Bedrohung, 41 Fälle von Drangsalierung und 51 Fälle von Stigmatisierung.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Das Kroc Institute for International Peace Studies, das die Einhaltung des Friedensabkommens von 2016 überwacht, verzeichnete zwischen April und Juni 2023 einige Fortschritte bei dessen Umsetzung, da eine Verfassungsreform zur Schaffung der Landwirtschaftsgerichtsbarkeit verabschiedet wurde. Eines der Hauptprobleme war die Umsetzung von Bestimmungen, die sich auf ethnische und geschlechtsspezifische Aspekte bezogen. Im Juni schätzte das Institut, dass 74 Prozent der Bestimmungen zu ethnischen Aspekten und 70 Prozent der Bestimmungen zu geschlechtsspezifischen Aspekten innerhalb der vereinbarten Frist nicht umsetzbar waren.

Der UN-Generalsekretär berichtete dem UN-Sicherheitsrat, dass die Sucheinheit für verschwundene Personen (Unidad de Búsqueda de Personas dadas por Desaparecidas) von März bis Juni 2023 die Leichen von 86 Personen geborgen und von Juni bis September die sterblichen Überreste von sieben Personen an die Angehörigen übergeben habe. Seit 2018 hatte die Einheit 929 Leichen geborgen und 196 an die Angehörigen übergeben. Im Oktober 2023 meldete das Kroc Institute, dass die Umsetzung von 28 regionalen Suchplänen starten würde.

Die Organisation INDEPAZ dokumentierte bis Dezember 2023 die Tötung von 44 ehemaligen Mitgliedern der Guerillagruppe FARC-EP (Fuerzas Armadas Revolucionarias de ColombiaEjército del Pueblo), die im Jahr 2016 das Friedensabkommen mit der Regierung unterzeichnet hatten. Im März 2023 schlugen ehemalige Mitglieder der bewaffneten Gruppe Alarm, weil sich ihre Sicherheitslage verschlechterte.

Im September 2023 legte die Regierung einen Gesetzentwurf zur Reform des Opfer- und Landrückgabegesetzes (Ley de Víctimas y Restitución de Tierrasvor. Nach Angaben der Regierung soll durch die Änderungen sichergestellt werden, dass für die Anwendung des Gesetzes eine angemessene Finanzierung bereitsteht und dass dauerhafte Lösungen und differenzierte Ansätze umgesetzt werden.

Straflosigkeit

Im Februar 2023 erhob die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (Jurisdicción para la Paz – JEP) Anklage gegen zehn ehemalige Mitglieder der FARC-EP wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit Angriffen auf Indigene, Afrokolumbianer*innen und Kleinbäuer*innen in den Departamentos Cauca und Valle del Cauca.

Im Mai 2023 eröffnete die JEP ein kontradiktorisches Verfahren gegen einen ehemaligen Parlamentsabgeordneten wegen mutmaßlicher Beteiligung an einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er soll gemeinsam mit Mitgliedern der FARC-EP eine politische Gruppe im Departamento Caquetá verfolgt haben.

Im Juli 2023 erhob die JEP Anklage gegen zehn ehemalige FARC-EP-Mitglieder wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit 349 Entführungen in den Departamentos Tolima, Huila und Quindío. Außerdem wurden 15 ehemalige FARC-EP-Mitglieder wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Departamento Nariño angeklagt. Ihnen wird eine Politik der sozialen und territorialen Kontrolle zur Last gelegt, die sich gegen indigene Gemeinschaften, Afrokolumbianer*innen, Kleinbäuer*innen, die städtische und ländliche Bevölkerung, Frauen und Mädchen, LGBTI+, die Natur sowie angestammte und kollektive Territorien richte.

Im August 2023 erhob die JEP Anklage gegen neun Militärangehörige, darunter einen ehemaligen General, wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit 130 außergerichtlichen Hinrichtungen und dem Verschwindenlassen von Personen im Departamento Antioquia. Auch gegen einen ehemaligen Oberst der Armee, der seine Verantwortung für außergerichtliche Hinrichtungen und das Verschwindenlassen von Personen in der Karibikregion nicht anerkannte, begann ein kontradiktorisches Verfahren. 

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Im August 2023 erklärten die panamaischen Behörden, dass die Zahl der Personen, die den Urwald von Darién in Richtung Panama durchquert hätten, erheblich gestiegen sei und bereits höher liege als im gesamten Jahr 2022. Ende 2023 hatten 520.000 Menschen die Grenze zwischen Kolumbien und Panama auf diesem Weg passiert.

Zivilgesellschaftliche Organisationen forderten 2023 wiederholt mehr Transparenz über die Zahl der in Kolumbien lebenden venezolanischen Flüchtlinge und Migrant*innen. Laut der Internetplattform R4V lebten in Kolumbien 2,89 Mio. venezolanische Staatsangehörige. Sie stießen jedoch auf Hindernisse, wenn sie internationalen Schutz oder einen anderen Schutzstatus erhalten wollten, der es ihnen ermöglichen würde, sich regulär in Kolumbien aufzuhalten und ihre Rechte wahrzunehmen.

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