Amnesty Report Estland 29. März 2022

Estland 2021

Eine Personengruppe mit bedruckten Schildern steht vor einer Grünanlage.

Rettungskräfte demonstrierten am 29. September 2021 in Talin vor dem estnischen Parlament für fairere Löhne.

Diskriminierung

Im Rechtsrahmen war außer im Arbeitsrecht kein Verbot von Diskriminierung aufgrund von Religion bzw. Weltanschauung, Alter, Geschlechtlichkeit, sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität verankert. Dadurch existierten Schutzlücken in den Bereichen Wohnen, Gesundheitsfürsorge, Sozialfürsorge und Bildung sowie bei der Möglichkeit, Schadenersatzansprüche geltend zu machen.

Rechte von Menschen mit Behinderungen

Der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen identifizierte Schutzlücken bei den Rechten von Menschen mit Behinderungen, u. a. beim Zugang zu Justiz, Bildung, Gesundheitsfürsorge sowie sexuellen und reproduktiven Rechten. Frauen und Mädchen waren davon in besonderem Maße betroffen. Zudem wies der Ausschuss auf die unverhältnismäßigen Auswirkungen der Coronapandemie auf Menschen mit Behinderungen hin.

Rechte von Frauen und Mädchen

Die Definition von Vergewaltigung entsprach noch immer nicht dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention), da sie im Wesentlichen auf der Anwendung von Gewalt beruhte und anderen nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen weniger Gewicht beimaß. Frauen, die ein Kontaktverbot beantragten, mussten dem mutmaßlichen Täter im Gerichtssaal gegenübertreten. Häusliche Gewalt wurde in Sorgerechtsverfahren nicht immer als Faktor berücksichtigt.

Estland wies das größte geschlechtsspezifische Lohngefälle in der EU auf.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant_innen

Berichten zufolge gab es Unzulänglichkeiten bei den Verfahren, die die Polizei- und Grenzschutzbehörde bei der Prüfung von Asylanträgen anwendete. In einigen Fällen soll die Behörde die Annahme von Anträgen verweigert und versucht haben, Asylsuchende zur Rückkehr in ihr Herkunftsland zu bewegen. Das Estnische Menschenrechtszentrum (EHRC) stellte fest, dass Entscheidungen der Polizei- und Grenzschutzbehörde häufig von den Gerichten wieder rückgängig gemacht wurden.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Eine Umfrage des EHRC dokumentierte einen deutlichen Wandel in der Einstellung gegenüber LGBTI+: 64 Prozent der Bevölkerung unterstützten das Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften von 2016, das gleichgeschlechtlichen Paaren die Eintragung in das Lebenspartnerschaftsregister ermöglicht. Bis Ende 2021 war das Gesetz jedoch noch immer nicht umgesetzt worden, sodass Gerichtsverfahren weiterhin die einzige Möglichkeit waren, die vom Gesetz garantierten Rechte durchzusetzen. Im September 2021 erklärte der Oberste Gerichtshof das Ausländergesetz für verfassungswidrig, da es Personen, die in Estland in einer gleichgeschlechtlichen eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, nicht dasselbe Recht auf eine Aufenthaltsgenehmigung zugesteht wie heterosexuellen Paaren.

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