Amnesty Report Bahrain 28. März 2023

Bahrain 2022

Amnesty-Logo: Kerze umschlossen von Stacheldraht.

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

In den Gefängnissen wurden Menschen gefoltert und anderweitig misshandelt, u. a. indem sie nicht angemessen medizinisch behandelt wurden oder als Vergeltungsmaßnahme erst verspätet Zugang zu einer Behandlung erhielten. Häufig wurde den Insassen auch der Kontakt zu ihren Familienangehörigen verweigert. Die Behörden schränkten weiterhin die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit ein und inhaftierten Personen, die diese Rechte ausgeübt hatten. Die Regierung schützte Arbeitsmigrant*innen nicht ausreichend vor Ausbeutung. Angemessene Schritte zur Bewältigung der Klimakrise wurden nicht unternommen. Die Regierung schränkte für staatenlose Kinder den Zugang zur Gesundheitsversorgung ein.

Folter und andere Misshandlungen

Mindestens sechs Gefangene wurden im Laufe des Jahres 2022 gefoltert und anderweitig misshandelt.

Im Februar 2022 berichtete Ahmed Jaafar Mohamed, der am 24. Januar von Serbien nach Bahrain abgeschoben und dort inhaftiert worden war, der staatsanwaltlichen Sonderermittlungseinheit (Special Investigation Unit – SIU), dass Bedienstete des Jaw-Zentralgefängnisses ihn geschlagen hätten. Die SIU ist für die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Institutionen zuständig. Sie teilte den Vereinten Nationen mit, dass den Vorwürfen nachgegangen werde, legte jedoch keine Untersuchungsergebnisse vor.

Erst im März 2022 verlegten die Behörden den inhaftierten Ahmed Jaber Ahmed, der seit elf Monaten krank und nicht mehr in der Lage war, zu gehen oder sich selbst anzukleiden, in ein Krankenhaus außerhalb des Gefängnisses. Dort wurde Tuberkulose diagnostiziert, die auch seine Wirbelsäule befallen hatte, sodass ihm ein orthopädisches Gestell zur Fixierung des Kopfes angelegt werden musste. Die Verweigerung medizinischer Versorgung kann als grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe angesehen werden.

Im Mai berichtete der nach einem Massenprozess wegen Terrorismusvorwürfen im Jaw-Gefängnis inhaftierte Abdali Khayer in einem aufgezeichneten Anruf aus dem Gefängnis, dass er einen Wärter um eine Behandlung in der Gefängnisklinik gebeten habe, da er unter einer schmerzhaften Gichterkrankung leide, die ihm das Stehen erschwere. Daraufhin sei der Wärter mit den Fäusten auf ihn losgegangen.

Rechte von Inhaftierten

Recht auf Gesundheit

Die Behörden verletzten 2022 das Recht von Inhaftierten auf Gesundheit, indem sie ihnen keine angemessene Gesundheitsversorgung gewährten.

Gefängnisbedienstete verwehrten Gefangenen, die sich kritisch zu Wort meldeten, als Strafmaßnahme bewusst den Zugang zu medizinischer Versorgung. Als Vergeltung dafür, dass er pro-palästinensische Slogans skandiert hatte, verweigerten die Behörden dem gewaltlosen politischen Gefangenen Abdulhadi al-Khawaja neun Monate lang den Besuch einer Augenarztpraxis außerhalb des Jaw-Gefängnisses, um sich einer Glaukomuntersuchung zu unterziehen, und setzten ihn damit dem Risiko von Erblindung aus.

Als mehrere Insassen des Jaw-Gefängnisses an der hochansteckenden Krankheit Tuberkulose erkrankten, leitete die Verwaltung keine Präventivmaßnahmen ein. Es erfolgten weder eine Kontaktverfolgung noch Tests. Zwei Tage nachdem bei dem Gefangenen Hasan Abdulla Bati Tuberkulose diagnostiziert worden war, brachten die Behörden ihn aus dem Krankenhaus zurück in seine Zelle, die er sich mit acht weiteren Insassen teilte.

Von Juni bis Ende Dezember 2022 verweigerte das Innenministerium dem 74-jährigen Hasan Mushaima einen Zahnarzttermin, obwohl er unter starken Zahnschmerzen litt und bereits einen Zahn verloren hatte. Er war seit 2011 inhaftiert, weil er an Massenprotesten teilgenommen hatte.

Weitere Einschränkungen der Rechte von Inhaftierten

Gefangene, die dem Gefängnispersonal Widerworte gaben, wurden auch im Jahr 2022 mit Einschränkungen ihres Zugangs zu Telefon- und Videogesprächen mit ihrer Familie bestraft, obwohl ihnen laut Gefängnisordnung vier Anrufe pro Woche zustehen. Da Familienbesuche bei Gefangenen seit Beginn der Coronapandemie im Jahr 2020 verboten waren, hatten Familien keine Informationen über ihre inhaftierten Angehörigen, wenn geplante Telefonate ohne Erklärung gestrichen wurden. Die Verwaltung des Dry-Dock-Jugendgefängnisses verbot dem Gefangenen Ali Isa Abdul-Ithnashr zehn Tage lang – vom 11. bis 21. August 2022 – seine Familie anzurufen, nachdem er sich mit einem Wärter gestritten hatte.

Im September verweigerte die Verwaltung des Jaw-Gefängnisses 14 Gefangenen, die zuvor aus ihren regulären Zellen verlegt worden waren, ohne Angabe von Gründen den Zugang zu Telefonaten.

Die Behörden hielten weiterhin ein Manuskript von ’Abdel-Jalil al-Singace über die bahrainische Mundart unter Beschlag. ’Abdel-Jalil al-Singace befand sich seit 2011 in Verbindung mit friedlichen Protesten in Haft. Nach der Konfiszierung seines Manuskripts war er im Juli 2021 in den Hungerstreik getreten. Ein Jahr lang nahm er keine feste Nahrung zu sich, was seine Gesundheit erheblich schwächte.

Im November eröffneten die Behörden zwei neue Verfahren gegen Abdulhadi al-Khawaja, einmal wegen Beleidigung eines Gefängniswärters und einmal wegen des Skandierens politischer Parolen.

Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit

Die Behörden hielten nach wie vor Personen in Haft, die lediglich von ihren Rechten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht hatten.

Im Februar 2022 bestätigten Recherchen von Amnesty International, dass drei regierungskritische bahrainische Staatsangehörige mit der Spionagesoftware Pegasus der israelischen Firma NSO Group ausgespäht wurden.

In den letzten beiden Novemberwochen nahmen die Behörden sechs Familienmitglieder des gewaltlosen politischen Gefangenen Hasan Mushaima fest, weil sie sich friedlich mit einer Protestaktion für ihn eingesetzt hatten. Sie kamen alle kurz darauf wieder frei, doch eine Person wurde zwei Tage lang festgehalten und verhört.

Zehn Personen, die seit 2011 inhaftiert waren, weil sie damals bei Massenprotesten von ihren Rechten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht hatten, waren nach wie vor in Haft. Auch der Oppositionsführer Scheich Ali Salman  leistete weiterhin als gewaltloser politischer Gefangener eine lebenslange Haftstrafe ab.

Rechte von Arbeitsmigrant*innen

Die Regierung schützte Arbeitsmigrant*innen auch 2022 nicht vor Ausbeutung im Rahmen des Sponsorensystems Kafala.

Das Arbeits- und Sozialministerium ergriff keine Maßnahmen, um die Auszahlung der Löhne von mindestens 18 ehemaligen Angestellten des aufgelösten Bauunternehmens GP Zachariades zu erwirken. Die ehemaligen Beschäftigten waren ohne Bezahlung in ihre Heimatländer zurückgekehrt, nachdem das Ministerium ihnen zugesichert hatte, dass es mit den Insolvenzverwaltern des Bauunternehmens zusammenarbeiten werde, um sicherzustellen, dass die ausstehenden Löhne gezahlt würden. GP Zachariades hatte u. a. Aufträge von der bahrainischen Regierung erhalten.

Im August 2022 stellte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) fest, dass Arbeitsmigrant*innen auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor diskriminiert werden und nur begrenzten Zugang zu angemessenem Wohnraum, Bildung und Gesundheitsversorgung haben. Im Gegensatz zum öffentlichen Dienst gibt es in Bahrain in der Privatwirtschaft, in der die meisten Migrant*innen beschäftigt sind, keinen gesetzlich festgelegten Mindestlohn.

Rechte von Frauen und Mädchen

Familien, deren Kinder aufgrund des geschlechterdiskriminierenden bahrainischen Staatsangehörigkeitsgesetzes staatenlos sind, wurde es 2022 noch weiter erschwert, öffentliche Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen. Nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz können bahrainische Frauen ihre Staatsangehörigkeit nicht an ihre Kinder weitergeben. Ab April 2022 verlangten die staatlichen Gesundheitskliniken von den Familien solcher staatenloser Kinder jedes Mal einen neuen Antrag, wenn sie die kostenlose öffentliche Gesundheitsversorgung nutzen wollten.

Im August äußerte sich der CESCR besorgt über bahrainische Gesetze, die Schwangerschaftsabbrüche ausnahmslos unter Strafe stellen, auch wenn die Schwangerschaft die Folge einer Vergewaltigung ist. Der Ausschuss bemängelte zudem, dass Frauen in Erbrechtsangelegenheiten und bei der Weitergabe ihrer Staatsangehörigkeit benachteiligt sind.

Klimakrise

Bahrain aktualisierte seinen nationalen Klimaschutzbeitrag (Nationally Determined Contribution – NDC) im Jahr 2022 nicht. Der jährliche Regionalbericht des von den Vereinten Nationen geförderten Netzwerks "Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung" (Sustainable Development Solutions Network) stellte fest, dass die Bemühungen Bahrains zur Bekämpfung des Klimawandels gemäß dem UN-Nachhaltigkeitsziel Nr. 13 stagnierten. Nach Angaben der Weltbank hat Bahrain weltweit den dritthöchsten Kohlendioxidausstoß pro Kopf.

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