Amnesty Journal Indonesien 14. April 2023

Rezept für eine Katastrophe

Vogelperspektive auf eine zerfurchte Landschaft, die durch den Tagebau einer Gold- und Kupfermine zerstört wurde.

Indonesien, wichtiger Goldlieferant, wird auf der Hannover-Messe umworben. Ein großes Abbauvorhaben ist in der von Konflikten betroffenen Provinz Papua geplant. Amnesty kritisiert die weitere Gefährdung der dort lebenden indigenen Bevölkerung.

Von Esther Hoffmann

Indonesien liefert der Weltwirtschaft wichtige Rohstoffe, darunter auch Gold für Schmuck, die Industrie und Geldanlagen. Auf der Hannover-Messe im April ist der Rohstoff­lieferant wie bereits vor zwei Jahren ­erneut umworbenes Partnerland. Die ­Bedingungen der Rohstoffgewinnung in Indonesien sind indes häufig alles andere als nachhaltig und menschenrechtlich verträglich.

Im Jahr 2020 erfuhr Amnesty, dass in dem von Indigenen besiedelten und konfliktbeladenen Bezirk Intan Jaya eine Goldmine geplant ist. Mit geschätzten 8,1 Millionen Unzen Gold wäre sie eine der größten Minen des Landes. Das Golderzvorkommen, bekannt als Wabu Block, liegt im äußersten Osten von Indonesien in der Provinz Papua. Das Gebiet ist zu 94 Prozent mit Wald bedeckt und als Siedlungsgebiet der indigenen Moni rechtlich anerkannt. Derzeit läuft das Genehmigungsverfahren der Zentralregierung für das Abbauvorhaben. Den Auftrag für die Entwicklung soll das staatseigene Bergbauunternehmen PT Antam erhalten.

Staat rüstet auf

Der Bezirk Intan Jaya ist seit Oktober 2019 ein Brennpunkt der Gewalt in den Provinzen Papua und West-Papua. Damals töteten Mitglieder einer bewaffneten Unabhängigkeitsgruppe drei Motorradtaxifahrer, die sie als Spione bezichtigten. Seitdem hat der Staat stark aufgerüstet. Zwei bereits bestehende Posten indonesischer Sicherheitskräfte in dem Bezirk wurden um 15 weitere ergänzt. Die Sicherheitskräfte bekämpfen die Unabhängigkeitsbewegung mit exzessiver Gewalt und machen auch vor rechtswidrigen ­Tötungen nicht Halt. Die strafrechtliche Verfolgung dieser Verbrechen versandet regelmäßig, weil der politische Wille der Behörden fehlt.

Seit 2019 dokumentierte Amnesty in Intan Jaya zwölf mutmaßlich rechtswidrige Tötungen sowie starke Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und Privatsphäre der Bevölkerung. So wurden bei ­einer Razzia im Distrikt Sugapa im April 2020 die Brüder Apianus und Luter Zanambani festgenommen. Sie starben bei den da­rauffolgenden Verhören. Ihre Tötung soll zwar vor einem Militärgericht verhandelt werden. Aufgrund der Erfahrung mit intransparenten Verfahren dieser Art ­befürchtet Amnesty jedoch Freisprüche oder Disziplinarstrafen, die der Schwere der Verbrechen nicht angemessen sind.

Die Menschen in Intan Jaya leben unter einem zunehmend harten und gewalttätigen Sicherheitsapparat, der viele Aspekte ihres täglichen Lebens kontrolliert.

Usman
Hamid
Geschäftsführer von Amnesty International Indonesien

Mehrere bereits existierende Projekte zur Rohstoffgewinnung schädigen die Interessen und Lebensgrundlagen der ­lokalen Gemeinschaften und verschärfen die bestehenden Konflikte. Reisebeschränkungen für Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen isolieren die beiden Provinzen. Ein Kreislauf von Gewalt und Misstrauen ist das Ergebnis.

"Die Menschen in Intan Jaya leben unter einem zunehmend harten und gewalttätigen Sicherheitsapparat, der viele Aspekte ihres täglichen Lebens kontrolliert, und nun ist ihre Lebensgrundlage durch dieses schlecht durchdachte Projekt bedroht", sagt Usman Hamid, Geschäftsführer von Amnesty International Indonesien. "Der Wabu Block könnte das Rezept für eine Katastrophe sein."

Sicherheitskräfte kontrollieren Alltag

Hunderte Menschen haben aufgrund des Militärvorgehens zeitweilig oder dauerhaft ihre Heimatdörfer in Intan Jaya verlassen. Angehörige der örtlichen Bevölkerung berichteten Amnesty über ­diverse Missstände. So müssen sie die ­Sicherheitskräfte um Erlaubnis für alltägliche Wege bitten, etwa um zu ihren landwirtschaftlichen Flächen zu gelangen oder einkaufen zu können. Sicherheitskräfte haben Bewohner*innen bei Kontrollen geschlagen. Auch schränken sie den Gebrauch elektronischer Geräte wie Mobiltelefone und Kameras ein und nehmen gelegentlich Männer fest, die sie wegen ihrer langen Haare pauschal als Unabhängigkeitskämpfer verdächtigen.

Indigene Papua befürchten, dass der geplante Goldabbau zum Verlust von Land und Lebensgrundlagen sowie zu Umweltverschmutzung führt. "Wenn dort Bergbau betrieben wird, haben wir kein Land mehr für die Gartenarbeit; und das Vieh wird keine frischen Früchte mehr ­direkt aus dem Wald bekommen", sagte ein Bewohner zu Amnesty. Religiöse und politische Persönlichkeiten sowie Initiativen vor Ort sprachen sich bereits im Ok­tober 2020 bei der Provinzregierung und ein Jahr später vor dem Provinzparlament Papuas gegen das Vorhaben aus.

Das internationale wie auch das in­donesische Recht sichern den indigenen Papua ihr angestammtes Land zu. Internationale Standards zum Schutz indigener Völker verpflichten die indonesische Regierung, die freie, vorherige und informierte Zustimmung der Papua einzu­holen, die von der Mine betroffen sein könnten. Der erste Schritt besteht nach Ansicht von Amnesty nun darin, festzustellen, ob eine wirksame Konsultation in einem Klima der Gewalt und Einschüchterung überhaupt durchführbar ist. In der Zwischenzeit sollte Indonesien das Vorhaben auf Eis legen. Und die Bundesrepublik als wichtiger Wirtschaftspartner Indonesiens muss auf der Hannover-Messe darauf hinwirken, dass das Gold nicht auf Kosten der Menschenrechte gefördert wird.

Die Autorin ist Mitglied der Amnesty-Koordinationsgruppe Indonesien. Hier finden Sie den Bericht von Amnesty ­Indonesien zum ­Abbauvorhaben – und hier geht es zur Petition von Amnesty ­Indonesien zur Goldmine.

HINTERGRUND

Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten der Wirtschaft



von Mathias John

Goldabbau ist häufig mit Konflikten, Umwelt- und Gesundheitsschäden verbunden. "Faires" Gold ist ein Nischenprodukt. So zeigt sich auch hier der Bedarf für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten von Unternehmen und Banken. Den Rahmen bilden die UN-Leitprinzipien ­Wirtschaft und Menschenrechte von 2011: ­Danach muss Wirtschaft Menschenrechte ­achten, menschenrechtliche Risiken erfassen und Menschenrechtsverstöße beenden, zudem Beschwerdewege und Abhilfe für Betroffene ­sichern.

Da Unternehmen selten freiwillig handeln, ­sollen die Staaten diese Sorgfalt verbindlich ­regeln. Die Pflichten gelten in der ganzen Wertschöpfungskette – vom Rohstoff über die Lieferketten bis zum Vertrieb. Das deutsche Lieferkettengesetz greift da leider zu kurz. Daher muss das geplante EU-Lieferkettengesetz aus Amnesty-Sicht bessere Regeln für menschenrechtliche, umwelt- und klimabezogene Sorgfaltspflichten enthalten. Die Versuche von Regierungen, Parteien und Wirtschaft, den EU-Entwurf zu verwässern, sind zu stoppen: Das Gesetz hat für alle Unternehmen und all ihre Aktivitäten zu gelten. Es darf keine Ausnahmen für die Rüstungs- oder Finanzwirtschaft geben, schwache Branchenstandards oder unzulängliche Zertifizierungen dürfen verbindliche Sorgfaltspflichten nicht ersetzen. Die Umsetzung muss transparent sein, Betroffene einbeziehen und bei Verstößen Strafen vorsehen.

Mathias John ist Sprecher der Koordinationsgruppe Wirtschaft, Rüstung und Menschenrechte von Amnesty Deutschland.

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