Aktuell Kultur Deutschland 19. September 2023

Kritischer Chronist

Das Foto zeigt ein großes grünes Fahrzeug der Bundespolizei und vier teilweise vermummte Menschen, die davor auf dem Boden sitzen. Eine Person hebt die linke Faust in den Himmel.

Szene aus dem Dokumentarfilm "Vergiss Meyn nicht"

Von Jürgen Kiontke

Der Dokumentarfilm "Vergiss Meyn nicht" behandelt den Kampf von Umweltaktivist*innen gegen die Zerstörung des Hambacher Forsts und stellt die Frage, wie weit Aktivismus gehen muss.

Seinen Arbeitsplatz hat sich Steffen Meyn sorgfältig ausgesucht. In der Absicht, den Widerstand gegen die Räumung des Camps im Hambacher Wald zu dokumentieren, hat sich der Filmstudent in 30 Meter Höhe einquartiert. Von dort oben filmt er die Aktionen der Campbewohner, die den Wald vor den Baggern schützen wollen. Über zwei Jahre gelingen ihm beeindruckende Aufnahmen, die er unter anderem mit einer 360-Grad-Helmkamera filmt.

Der Hambacher Wald steht schon Jahrhunderte und ist ökologisch wertvoll. Dass er wegsoll, ist vielen Aktiven der Klimabewegung nicht vermittelbar. Die Braunkohle werde nicht gebraucht, heißt es. Breiter Widerstand hat sich aufgebaut. Steffen Meyn protokolliert mit, beeindruckendes Filmmaterial entsteht. Seine pragmatische Devise: "Die Leute brauchen Sinnhaftigkeit und sonst nix! Und was zu Essen."

Trailer des Dokumentarfilms "Vergiss Meyn nicht":

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Dann der 19. September 2018: Die NRW-Landesregierung hat die Räumung angeordnet, es soll einer der größten Polizeieinsätze werden, die je in diesem Bundesland stattgefunden haben. Polizeikräfte rücken unter Einsatz aller Mittel vor, die Aktivisten reagieren mit Sitzblockaden, Barrikaden und auch Angriffen auf die Polizei. Meyn stürzt aus 15 Metern ab, überlebt den Tag nicht.

Vier Jahre danach sichten Meyns' Kommilitonen Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl und Jens Mühlhoff das Filmmaterial, schneiden daraus und neuen Interviews einen komprimierten Dokumentarfilm, in dem sowohl die Geschichte des Kampfes um den Hambacher Wald dargestellt wie auch über den gesellschaftlichen Standort des Klimaaktivismus philosophiert wird: Wie weit soll Aktivismus gehen? Welche Ziele kann er erreichen? Was ist mit den Menschen, die für den Einsatz fürs Klima sogar ihr Leben gefährden?

Den dreien ist ein kluger Blick in die Klimaprotestbewegung gelungen, die ohne die spektakulären Aufnahmen von Steffen Meyn nicht möglich wäre. Ein ganz spezieller und äußerst sehenswerter Dokumentarfilm ist so entstanden – und ein cineastisches Denkmal für den jungen Künstler.

"Vergiss Meyn nicht". D 2022. Regie: Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl, Jens Mühlhoff. Derzeit in den Kinos

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