Aktuell Deutschland 11. März 2024

Was kann ich tun, wenn jemand rassistisch angegriffen wird?

Das Bild zeigt Menschen mit Protestschildern

Amnesty-Aktion bei der "Hand in Hand"-Demonstration gegen Antisemitismus und Rassismus am 3. Februar 2024 vor dem Bundestag in Berlin

Wenn Menschen in der Öffentlichkeit rassistisch beschimpft oder angegriffen werden – zum Beispiel wegen ihrer Hautfarbe, Sprache, vermeintlichen Religion oder Herkunft –, dann verurteilen das viele im Stillen. Doch zu wenige zeigen Haltung und schreiten ein. Oft sind wir verunsichert: Wann muss ich etwas tun? Wie mache ich das, ohne mich aufzudrängen? Gefährde ich mich selbst?

Es ist wichtig, dass wir in solchen Momenten eingreifen, uns mit den Betroffenen solidarisieren und deutlich machen: Rassismus muss entschieden zurückgewiesen werden. Für die Betroffenen ist das Schweigen der Umstehenden oft genauso schlimm wie die Attacken.  Hier ein paar Impulse, wie du Angegriffenen zur Seite stehen kannst.

1. Wann sollte ich eingreifen?

Rassistische Angriffe können vielfältig sein: Ungleichbehandlung, das Benutzen rassistischer Begriffe, Beleidigungen zu Kopftuch oder Kippa, verbale Angriffe wie "Haut ab aus diesem Land!" bis hin zu körperlicher Gewalt. Welches Verhalten, welche Äußerung rassistisch ist, ist manchmal nicht so einfach zu erkennen. Entscheidend ist die Wahrnehmung der Betroffenen. Für Menschen, die bislang wenig Berührungspunkte mit rassistischen Angriffen hatten, ist es daher wichtig, Betroffenen zuzuhören und sich mit ihren Sichtweisen und Erfahrungen auseinanderzusetzen. Hier findest du zum Beispiel kurze Videos in denen unterschiedliche Menschen von ihren rassistischen Erfahrungen im Alltag berichten: 

amnesty.de/alltagsrassismus-protokolliert

Es gibt keine klare Regel im Sinne von: Jetzt ist die Grenze überschritten. Daher vertraue auf dein Bauchgefühl. Meist haben wir ein gutes Gespür dafür, ob jemand unangemessen angegangen und angegriffen wird.

Du musst auch gar nicht unbedingt entscheiden, ob es sich um einen rassistischen Angriff handelt. Biete der betroffenen Person einfach deine Unterstützung an.

2. Überwinde dich und werde aktiv!

Je mehr Menschen bei einem Angriff anwesend sind, desto seltener schreitet eine Person ein. Offenbar hofft jede*r, dass jemand anderes aktiv wird. Oder wir denken, es geht uns nichts an. Mach dir das bewusst und nimm Kontakt zu den Umstehenden auf. Oft warten Menschen, bis jemand anderes den Mut zum Handeln aufbringt. Du kannst diese Person sein und damit einen großen Unterschied machen.

3. Beschimpfungen: Sei bei der angegriffenen Person!

Es ist vor allem wichtig, der angegriffenen Person zu zeigen, dass sie nicht allein ist. Richte daher deine volle Aufmerksamkeit auf sie. 

Frag die angegriffene Person, ob sie Unterstützung möchte und wie du dich einbringen sollst. Manche wünschen das vielleicht gar nicht. In diesem Fall schenke dem oder der Angreifer*in keine Aufmerksamkeit – behalte ihn oder sie aber im Blick. Wende dich weiter der angegriffenen Person zu und bleib mit ihr in Kontakt. Die ausbleibende Reaktion von euch wird den oder die Angreifenden in vielen Fällen nach einer Zeit dazu bewegen, sich zu entfernen.

4. Sprich nur für dich selbst!

Wenn du die Zustimmung erhältst, auf die Beschimpfungen zu reagieren, sprich nur aus deiner eigenen Perspektive. Oft reden Leute für die Menschen, die angegriffen wurden. Das hält die Betroffenen davon ab, sich selbst zu wehren. Das können sie meist selbst, wenn sie von Umstehenden Unterstützung erfahren.

Ein Beispiel: Eine Frau wird wegen ihres Kopftuchs beleidigt. Dann erkläre nicht, dass sie es aus religiösen Gründen trägt. Stattdessen kannst du sagen, dass alle Menschen sich so kleiden können, wie sie möchten. Sag etwas wie "Mich stören Ihre rassistischen Kommentare. Hören Sie bitte damit auf!"

5. Körperliche Angriffe: Sorge für Aufmerksamkeit!

Mach Lärm, ruf "Aufhören!" Rede laut in dein Telefon. Sorge für Aufmerksamkeit. So zeigst du der angreifenden Person, dass sie unter Beobachtung steht. Fordere Andere zum Unterstützen auf: Zum Beispiel den*die Busfahrer*in zu informieren oder notfalls die Polizei zu rufen, wenn die betroffene Person dies möchte. Sprich Umstehende dabei direkt an: "Sie mit der grünen Jacke, bitte helfen Sie!" Meistens werden Menschen dann aktiv.

Auch hier: Sprich mit der betroffenen Person so viel wie möglich. Greif nur körperlich ein, wenn du dafür ausgebildet bist. Deine eigene Sicherheit sollte Priorität haben. Aber nichts zu tun ist keine Option. Wenn niemand einschreitet, wird rassistische Gewalt normalisiert.

6. Hilfe rufen, filmen und melden!

In vielen Fällen von Gewalt: Ruf die Polizei, das Sicherheitspersonal oder andere verantwortliche Personen! Überlass das direkte Eingreifen den Behörden, statt dich selbst in Gefahr zu bringen. Falls möglich, sprich jedoch erst mit der angegriffenen Person, bevor du die Polizei rufst. Sie könnte bereits rassistische Erfahrungen mit den Sicherheitsbehörden gemacht haben oder es aus anderen Gründen ablehnen.

Filme den Angriff, wenn möglich, mit dem Handy: Das sorgt nicht nur für Aufmerksamkeit, du erstellst damit auch wichtiges Beweismaterial, das später für die Verurteilung der angreifenden Person erforderlich ist. Aber veröffentliche das Video auf keinen Fall in den sozialen Medien. Damit kannst du dich selbst strafbar machen.

7. Was tun, wenn die Polizei sich rassistisch verhält?

Manchmal verhält sich die Polizei selbst rassistisch, z. B. bei Einlass­-, Ticket­- oder Personenkontrollen. Du kannst unter anderem die Dienstnummern der Beamt*innen erfragen. Wenn die betroffene Person dagegen vorgehen möchte, ist es wichtig, ihr deine Unterstützung anzubieten. 

Du kannst sie auch zu einer Beratungsstelle begleiten, bei einer Dienstaufsichtsbeschwerde beim Polizeipräsidium oder einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft unterstützen. 

Beachte dabei, dass es ein Risiko von Gegenanzeigen für die betroffene Person gibt. In einigen Bundesländern gibt es auch unabhängige Polizei beauftragte, an die sich Betroffene wenden können. In jedem Fall kannst du dich der Person als Zeug*in anbieten.

8. Nach dem Angriff: Unterstützung anbieten!

Bleib bei dem angegriffenen Menschen, bis die angreifende Person fort ist, und begleite ihn – falls gewünscht – an einen sicheren Ort. Oft setzt erst nach dem Angriff der Schock ein. Frag die Person, wie es ihr geht und was du für sie tun kannst. Biete ihr an, gemeinsam Kontakt zu einer Beratungsstelle aufzunehmen. Dort kann sie den Vorfall melden und weitere professionelle Unterstützung bekommen. Eine Übersicht über Beratungsstellen findest du hier: 

www.verband-brg.de/beratung/#beratungsstellen

Beratungsstellen helfen auch zu entscheiden, ob es sinnvoll ist, rechtliche Schritte einzuleiten. 

9. Dranbleiben!

Wenn du bei rassistischen Angriffen und Äußerungen aktiv wirst, schützt du nicht nur die unmittelbar Betroffenen. Du trägst auch dazu bei, dass sich Rassismus in unserer Gesellschaft nicht weiter normalisiert, sondern beim Namen genannt und hinterfragt wird. Das ist auch wichtig, wenn gerade keine Betroffenen anwesend sind.

Bleib also dran, informiere dich über Rassismus im Alltag in Deutschland und die Sichtweisen von Betroffenen. Ob gewollt oder ungewollt, alle Menschen handeln im Alltag rassistisch. Dies bei anderen – und vor allem bei uns selbst – zu erkennen, ist aber gar nicht so einfach. 

Weitere Artikel