Aktuell Deutschland 07. Oktober 2022

Dritter Jahrestag des Anschlags in Halle: Erinnern heißt Verändern

Das Bild zeigt eine Gedenktafel mit der Aufschrift "In Gedenken an"

Gedenktafel an der Synagoge in Halle für die Opfer des antisemitischen Terroranschlags vom 9. Oktober 2019

Der antisemitisch motivierte Anschlag auf die Synagoge in Halle (Saale) am höchsten jüdischen Feiertag Yom Kippur jährt sich am 9. Oktober zum dritten Mal. Mutige Menschen verriegelten die Synagoge von innen und der Täter konnte somit dort trotz Waffengewalt nicht eindringen. Er setzte daraufhin seinen rassistischen Gewaltlauf fort und erschoss Jana Lange auf der Straße vor der Synagoge und Kevin Schwarze in einem nahegelegenen Döner-Imbiss. Außerdem verletzte er weitere Menschen, einige von ihnen schwer.

Mittlerweile wurde der Täter zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Somit ist der Fall juristisch abgeschlossen. Doch die Hinterbliebenen und Überlebenden dieser menschenfeindlichen Tat sowie ihre Communities leben weiterhin mit den traumatischen Erfahrungen und im schmerzhaften Gedenken an die Opfer. Auch denjenigen, die den Angriff auf das Recht auf Leben nicht direkt miterlebt haben, bleibt dieser Tag im Gedächtnis. Die Tatsache, dass während des Gottesdienstes am diesjährigen Yom Kippur, der auf den 5. Oktober fiel, in der Synagoge in Hannover ein Fenster zu Bruch ging, weckte daher sofort schreckliche Erinnerungen an den Anschlag in Halle drei Jahre zuvor.

Die tödliche Gewalt dieser Tat ist der sichtbare Ausdruck tiefsitzender Menschenfeindlichkeit basierend auf antisemitischen Verschwörungsideologien und der rassistischen Überzeugung von der Überlegenheit weißer Menschen. Diese Vorstellungen sind leider weiterhin gesellschaftlich stark verbreitet. Viel zu viele Personen handeln auch danach: Im Jahr 2021 wurden laut offiziellen Angaben des Bundeskriminalamtes zu politisch motivierter Kriminalität 3.027 antisemitische Straftaten verübt, was ein Anstieg um 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Für denselben Zeitraum haben die Meldestellen des Bundesverbandes der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) e.V. insgesamt 2.738 antisemitische Vorfälle erfasst, was einen Anstieg um fast 40 Prozent darstellt. Der Anschlag in Halle ist kein Einzelfall.

Die vom Täter geäußerte Motivation, People of Color Schaden zufügen zu wollen, reiht seine Schreckenstat in die Reihe rassistisch motivierter Anschläge ein wie die des NSU, im Münchner Olympia-Einkaufszentrum, in Hanau oder auf verschiedene Geflüchteten-Unterkünfte. Auch sie lassen die Hinterbliebenen und Überlebenden dieser Taten zumeist mit Schmerz, Verzweiflung und vielen Fragen zurück. Einige dieser Fragen stellen sich auch Menschen, die nicht vor Ort waren: Wieso konnten all diese Angriffe nicht verhindert werden? Wann wird ein mögliches Fehlverhalten der Sicherheitsbehörden endlich aufgeklärt? Gibt es überhaupt noch einen Ort, an dem wir vor rassistischer Gewalt sicher sind?

Taten wie das Attentat von Halle 2019 können ein Klima der Angst schaffen, in dem sich Menschen, die von strukturellem Antisemitismus und sonstigem Rassismus betroffen sind, um ihr Leben fürchten. Es ist gefährlich, antisemitischen und anderen rassistischen Angriffen nichts entgegenzusetzen. Sie beruhen auf menschenfeindlichen Überzeugungen, die tief in der Gesellschaft verwurzelt sind. Diese zugrundeliegende, strukturelle Dimension des Problems muss klar benannt und angegangen werden. Der Staat und die Gesellschaft müssen den Menschen zuhören, die tagtäglich von Ausgrenzung, Hetze und Gewalt betroffen sind. Auch bei der Erarbeitung von Maßnahmen sind Betroffene und Selbstorganisationen eng einzubeziehen. Denn das Gedenken an den Anschlag von Halle muss mit dem Einsatz gegen Antisemitismus und gegen Rassismus einhergehen.

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