08. Oktober 2018

Gerhart Baum über den Anspruch auf ein faires Gerichtsverfahren (Artikel 10)

Porträtfoto von einem Mann in weißem Hemd

Gerhart Baum

In meinem Leben haben Menschenrechte schon früh eine Rolle gespielt. Ich war seit der Studienzeit politisch aktiv und natürlich danach als Politiker. Mir war von Beginn an klar, dass kein Schlussstrich unter die Verbrechen der Nazis im Zweiten Weltkrieg gezogen werden darf.

Wir haben heftige Debatten über die Frage der Aufarbeitung geführt, vor allem mit der älteren Generation. Menschenrechte waren dabei ein gewichtiges Argument. Für die junge deutsche Demokratie war es unerlässlich, zu fragen: Was ist geschehen? Was passiert mit den Tätern? Es hat viele Jahre gedauert, bis man sich in Deutschland mit der eigenen Vergangenheit beschäftigen konnte.

Wir haben daraus gelernt, dass staatliche Willkür fatale Folgen haben kann und wie wichtig die unabhängige Kontrolle staatlichen Handelns ist. Unser heutiges Verständnis einer Verfassung beruht deshalb auf einer unabhängigen Justiz. Wir brauchen die Gewissheit, dass Gerichte unabhängig von staatlichen Machthabern agieren können. Das Gewaltmonopol des Staates ist eine wichtige Errungenschaft, aber sie funktioniert nur, wenn sie nach bestimmten Regeln vollzogen wird.

Damit Menschen dieser Willkür nicht hilflos ausgesetzt, brauchen wir unabhängige Gerichte und Gesetze, die ein faires Verfahren garantieren. Was wir damit schützen, ist ein Urbedürfnis der Menschheit: Das Bedürfnis uns zu artikulieren und unsere Meinung zu sagen. Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte bietet all dem einen Rahmen.

Gerhart
Baum
Politiker

In diesem Video spricht Gerhart Baum über dein Recht auf ein faires Gerichtsverfahren

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Es liegt an uns, und damit meine ich vor allem auch Politiker, in jedem einzelnen Fall die Menschenrechte zur Geltung zu bringen. Und ich wehre mich entschieden dagegen, diese Bemühungen als "lächerliches Gutmenschentum" abzutun. Wir haben heute das Glück, in einem befreiten Europa zu leben. Aus diesem Grund fühle ich mich in besonderer Weise verpflichtet, mit denen Kontakt zu halten, die dieses Glück nicht haben. Das ist meines Erachtens eine besondere Verpflichtung aus unserer eigenen, deutschen Geschichte.

Dieses Bewusstsein ist allerdings gefährdet. Viele Menschen haben Angst vor der Zukunft, vor dem Unbekannten, Angst vor Globalisierung, vor Terrorismus, vor Flüchtlingen, vor Finanzkatastrophen. Sie versammeln sich dann sinngemäß um das Stammesfeuer von gestern, wenden sich der Vergangenheit zu, denn diese scheint bekannt, überschaubar und ohne Risiko.

Menschenrechte brauchen Menschenrechtsverteidiger. Vor allem junge Leute, die sich entschieden haben, etwa bei Amnesty International oder anderen Organisationen mitzuarbeiten. Mein ganzes Leben lang habe ich versucht, sie dazu zu motivieren. Man kann sie aber nicht motivieren, indem man das ganze Elend der Welt vor ihnen aufblättert. Man muss ihnen Hoffnung geben, etwas verändern zu können. Und man muss ihnen zeigen, wo bereits etwas verändert wurde. Ihnen diesen Mut zu geben, war für mich immer eine Lebensaufgabe.

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