Aktuell Ägypten 17. Juli 2013

Ägypten: Festgenommenen Mursi-Unterstützern werden Rechte verweigert

Verletzter Anhänger von Mursi auf der Flucht vor Tränengas, Kairo, 16. Juli 2013

Verletzter Anhänger von Mursi auf der Flucht vor Tränengas, Kairo, 16. Juli 2013

17. Juli 2013 - Nach Amnesty-Recherchen haben die ägyptischen Behörden Hunderten festgenommenen Mursi-Anhängern, die Inanspruchnahme ihrer Rechte verweigert. Häftlinge sagten gegenüber Amnesty-Mitarbeitern aus, dass sie bei ihrer Verhaftung geschlagen, Elektroschocks ausgesetzt und mit Gewehrkolben malträtiert worden seien.

Die ägyptischen Behörden müssen das Recht auf ein faires Verfahren derjenigen respektieren, die in den letzten zwei Wochen verhaftet wurden und denen der Aufruf zur Gewalt oder die Teilnahme an Gewaltakten vorgeworfen wird. Die Misshandlungsvorwürfe müssen dringend untersucht werden.

"Ägypten ist derzeit ein tief gespaltenes und polarisiertes Land. Daher ist es nun wichtiger als je zuvor, dass die Staatsanwaltschaft zeigt, dass sie autonom handelt und politisch unabhängig ist", sagt Hassiba Hadj Sahraoui stellvertretende Direktorin der Abteilung für den Mittleren Osten und Nordafrika bei Amnesty International. "Diese Fälle könnten sonst als reine Racheakte und nicht als gerechte Urteile angesehen werden."

Ägyptische Anwälte berichteten Amnesty International, dass seit der Absetzung von Präsident Mursi am 3. Juli allein in Kairo mehr als 660 Männer festgenommen worden seien, darunter prominente Mitglieder der Muslimbruderschaft und deren politischem Flügel, der Freiheits- und Gerechtigkeitspartei. Viele von ihnen wurden am 8. Juli während der gewaltsamen Zusammenstöße vor dem Hauptquartier der Republikanischen Garde festgenommen . Dort kamen mindestens 51 Mursi-Unterstützer ums Leben.

Laut Angaben der Anwälte wurden etwa 650 der Festgenommenen inzwischen wieder frei gelassen. Eine unbekannte Zahl an Gefangenen sei jedoch weiter in Haft, da sie die Kaution in Höhe von 1000-5000 ägyptischen Pfund (etwa 109-543 Euro) nicht bezahlen können.

Unterdessen ist der Aufenthaltsort des abgesetzten Präsidenten und seiner Berater weiterhin unbekannt. Amnesty International fürchtet, dass die Bedingungen ihrer Haft dem Tatbestand des Verschwindenlassens entsprechen könnten. Familienmitglieder, die sich nach ihren Angehörigen erkundigt hatten, wurden Informationen über den Aufenthaltsort verweigert. Bisher wurden sie offenbar keinem Richter vorgeführt und hatten keinen Zugang zu einem Anwalt.

"Es wird unmöglich sein, Vertrauen in das Rechtssystem herzustellen, wenn nur Unterstützer von Mursi und den Muslimbrüdern ins Visier genommen werden, während die Sicherheitskräfte von ihrer Verantwortung für unrechtmäßige Tötungen und ihr Versagen beim Schutz von Demonstranten freigesprochen werden," sagt Hassiba Hadj Sahraoui.

"Jeder hat das Recht auf einen fairen Prozess, unabhängig davon was die Behörden von seiner politischen Einstellung oder Meinung halten. Wie jedem anderen auch sollten Mohamed Mursi und seinen Beratern, ihre Grundrechte zugestanden werden. Das schließt den unverzüglichen Kontakt zu ihren Anwälten und Familien ein."

Nach internationalem Recht müssen alle festgenommenen Personen entweder freigelassen oder unmittelbar für eine nach internationalem Recht anerkannte strafbare Handlung angeklagt werden. Jeder, der seiner Freiheit beraubt wurde, sollte weiterhin die Möglichkeit haben, die Rechtmäßigkeit seiner Haft vor einem Richter anzufechten. Weiter müssen sie die Möglichkeit haben, einen Anwalt zu konsultieren, ihre Familie zu kontaktieren und gegebenenfalls notwendige medizinische Versorgung zu erhalten. Außerdem muss es den Anwälten möglich sein, ihre Klienten ungehindert zu beraten.

Amnesty International fordert die ägyptischen Behörden nachdrücklich dazu auf, die Berichte darüber, dass festgenommene Personen im Zuge der Zusammenstöße vor dem Hauptquartier der Republikanischen Garde geschlagen und misshandelt worden seien, umfassend zu untersuchen. Die Festgenommenen gaben an, dass sie mit Elektroschocks misshandelt und Gewehrkolben geschlagen wurden. Zudem seien sie in Polizeistationen mit verbundenen Augen von Männern verhört worden, die ihrer Einschätzung nach dem Geheimdienst angehörten. Diese Methode erinnert auf schaurige Weise an Praktiken der der Mubarak-Ära. Frisch entlassene Häftlinge beschwerten sich außerdem darüber, dass sie ihre Familien und Anwälte nicht kontaktieren durften.

Der ehemalige Gefangene Mostafa Ali berichtete, dass seine Frau und er nach ihrer Festnahme von den Sicherheitskräften dazu gezwungen worden waren, durch Glasscherben zu kriechen. Sie hatten in einem naheliegenden Gebäude Schutz gesucht, nachdem die Proteste vor dem Quartier der Republikanischen Garde aufgelöst worden waren. Die Sicherheitskräfte hatten ihn und andere Gefangene dann gezwungen, über den Boden zu kriechen, während sie mit Handschellen aneinander gefesselt waren. Er berichtete weiter, sie seien geschlagen und mit Elektroschocks misshandelt worden.

Mindestens neun ranghohe Führungsmitglieder der Muslimbruderschaft sind bereits in Haft. Haftbefehle für weitere prominente Mitglieder sowie für den spirituellen Führer der Bruderschaft wurden bereits ausgestellt. Der Chefjurist der Muslimbruderschaft, Abdelmonim Abdelmaqsoud, wird im Tora-Gefängnis südlich von Kairo festgehalten.

"Die Beweislast liegt bei der Staatsanwaltschaft und den Behörden. Sie müssen Anklage erheben und Beweise vorlegen, um die Anschuldigungen gegen die Gefangenen zu stützen", sagt Hassiba Hadj Sahraoui. "Ohne Beweise, die vor Gericht geprüft werden können, handelt es sich hier um eine weitere Unterdrückungsmaßnahme gegen die Muslimbruderschaft."

Direkt nachdem das Militär am 3. Juli die Absetzung Präsident Mursis bekannt gegeben hatte, waren mindestens sechs pro-Mursi Fernsehsender geschlossen und ihre Studios durchsucht worden. Am darauffolgenden Tag meldete die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei, dass die staatliche Druckerei sich geweigert hatte, die Partei-Zeitung zu drucken. Am Sonntag fror die Staatsanwaltschaft die Vermögen von 14 Männern ein, die in Verbindung mit den Muslimbrüdern und den Parteien, die diese unterstützen, stehen sollen.

Die deutsche Sektion von Amnesty International setzt sich 2013 mit einer Kampagne für den Schutz der Menschenrechte in Ägypten ein. Ziel ist es, dass die Menschen in Ägypten wieder ohne Angst vor Gewalt und Repression ihre Meinung sagen und demonstrieren können.

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