Rechtsbeistände in Gefahr

In der Ukraine sind die Rechtsanwältin Oksana Sokolovskaya und der Rechtsanwalt Yuri Grabovski wiederholt von den Behörden schikaniert und eingeschüchtert worden. Dies steht möglicherweise im Zusammenhang mit einem stark politisierten Fall von hohem öffentlichem Interesse, an dem die beiden arbeiten. Am 6. März ist Yuri Grabovski unter bislang ungeklärten Umständen "verschwunden".

Appell an

GENERALSTAATSANWALT DER UKRAINE
Viktor Shokin
Vul. Riznytska 13/15

01601, Kyiv
UKRAINE
(Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 380) 44 280 2603
E-Mail: press-service@gp.gov.ua

LEITER DES UKRAINISCHEN INLANDSGEHEIMDIENSTES
Vasyl Hrytsak
Volodymyrska St., 35
01034, Kyiv-34
UKRAINE
(Anrede: Dear Colonel-General / Sehr geehrter Herr Generaloberst)
Fax: (00 380) 44 279 30 40
E-Mail: pressinfo@ssu.gov.ua

Sende eine Kopie an

INNENMINISTER
Arsen Avakov
Bohomoltsa str. 10
01024, Kyiv
UKRAINE
Fax: (00 380) 44 256 16 33
E-Mail: mvsinfo@mvsinfo.gov.ua

BOTSCHAFT DER UKRAINE
S. E. Herrn Andrii Melnyk
Albrechtstraße 26
10117 Berlin
Fax: 030-2888 7163
E-Mail: emb_de@mfa.gov.ua

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 3. Mai 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

LUFTPOSTBRIEFE, FAXE ODER E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte stellen Sie sicher, dass das "Verschwinden" von Yuri Grabovski ohne Verzögerung, umfassend und unparteiisch untersucht wird, sein Verbleib aufgeklärt und für seine Sicherheit gesorgt wird.

  • Sorgen Sie bitte dafür, dass Oksana Sokolovskaya wirksamen Schutz erhält und ihrer legitimen Arbeit als Rechtsanwältin sicher nachkommen kann.

  • Bitte sorgen Sie außerdem dafür, dass alle Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen in der Ukraine entsprechend den Grundprinzipien der Vereinten Nationen betreffend die Rolle der Rechtsanwälte ihre Arbeit ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikanen oder unstatthafte Beeinflussung durchführen können.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the authorities to ensure that the disappearance of Yuri Grabovski is promptly, thoroughly and impartially investigated, and that his whereabouts are established and his safety ensured.

  • Urging them to immediately provide Oksana Sokolovskaya with effective protection, and ensure that she can safely carry out her legitimate work as a lawyer.

  • Calling on them to ensure that all lawyers in Ukraine are able to perform their professional duties without intimidation, hindrance, harassment or improper interference in accordance with the UN Basic Principles on the Role of Lawyers.

Sachlage

2015 haben Oksana Sokolovskaya und Yuri Grabovski die Verteidigung in einem stark politisierten Fall von hohem öffentlichem Interesse übernommen. Die beiden haben mehrfach öffentlich von Schikanierungen und Einschüchterungsversuchen durch die ukrainischen Behörden berichtet. Sie glauben, dass sie dadurch daran gehindert werden sollen, ihre Mandanten erfolgreich zu verteidigen.

Yuri Grabovski wurde zuletzt am Abend des 6. März in seinem Büro gesehen. Er hatte Dokumente zu dem Fall aus seinem Safe geholt und das Büro zusammen mit einem unbekannten Mann verlassen. Am 3. März hatte er auf seiner Facebook-Seite gepostet, dass er damit rechne, dass die Behörden sie weiter schikanieren würden, um "all unsere Beweise zu vernichten und jeden Rechtsanwalt und jede Rechtsanwältin einzuschüchtern, der oder die es wagt, gegen den Willen des Systems zu handeln". In dem Zeitraum, in dem er "verschwunden" ist, erschienen ungewöhnliche Beiträge auf seiner Facebook-Seite, darunter auch einer am 9. März, in dem steht, dass er die Ukraine gegen seinen Willen aus Sorge um seine Sicherheit verlassen habe. Die Behörden haben in der Zwischenzeit bestätigt, dass er die ukrainische Grenze nicht über einen offiziellen Kontrollpunkt passiert hat. Am 10. März leitete die Polizei in Holoseyevskyi eine offizielle Untersuchung zu seinem "Verschwinden" ein, die jedoch später überraschend an die Oberstaatsanwaltschaft des Militärs (eine Abteilung innerhalb der Generalstaatsanwaltschaft, die sich mit Straftaten befasst, die durch Angehörige des Militärs oder der Sicherheitskräfte verübt wurden) übergeben wurde. Am 20. März gab die Oberstaatsanwaltschaft des Militärs bekannt, dass eine Person im Zusammenhang mit dem "Verschwinden" von Yuri Grabovski festgenommen wurde und zurzeit verhört wird. Weitere Einzelheiten wurden nicht genannt.

Oksana Sokolovskaya begann ihre Arbeit an dem Fall im Mai 2015. Einen Monat später wurde ein Strafverfahren gegen sie eingeleitet, in dem sie wegen schwerer Körperverletzung bei einem häuslichen Streit im Juli 2014 angeklagt wurde. Die Staatsanwaltschaft in Kiew beantragte eine 60-tägige Haft mit der Begründung, dass Oksana Sokolovskaya sich absetzen oder Zeug_innen beeinflussen könnte. Der Richter gab dem Antrag nicht statt, woraufhin die Staatsanwaltstaft ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegte. Die Anhörung des Rechtsmittels soll am 23. März stattfinden. Oksana Sokolovskaya sagt, dass die Vorwürfe gegen sie konstruiert seien, und dass das Strafverfahren sie davon abhalten solle, ihre legitime Arbeit als Anwältin auszuüben und ihren Mandanten zu verteidigen. Nach dem "Verschwinden" von Yuri Grabovski hat Oksana Sokolovskaya bei den Behörden beantragt, in ein staatliches Schutzprogramm aufgenommen zu werden. Ihrem Antrag auf staatlichen Schutz wurde am 21. März durch eine gerichtliche Entscheidung stattgegeben, bisher hat sie jedoch keinen Personenschutz oder anderweitigen Schutz erhalten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Oksana Sokolovskaya und Yuri Grabovski haben die Verteidigung der beiden russischen Staatsbürger Yevgeny Yerofeyev bzw. Aleksander Aleksandrov übernommen. Yevgeny Yerofeyev und Aleksander Aleksandrov wurden im Mai 2015 von ukrainischen Truppen in der Region Lugansk im Osten der Ukraine aufgegriffen, nachdem sie in einem Gefecht zwischen ukrainischen und separatistischen Truppen verletzt worden waren. Die ukrainischen Behörden beschuldigen sie, russische Soldaten zu sein, was sie Berichten zufolge zunächst bestätigt, später jedoch abgestritten haben. Sie sind wegen illegalen Grenzübertritts, illegalen Waffenbesitzes und Beteiligung an terroristischen Aktivitäten angeklagt. Die russischen Behörden haben bestritten, dass Yevgeny Yerofeyev und Aleksander Aleksandrov zum Zeitpunkt ihrer Festnahme aktive Mitglieder des russischen Militärs waren und gaben an, dass die beiden Männer zuvor von ihrem Militärdienst zurückgetreten waren und als "Freiwillige" in die Ukraine gekommen seien.

Im Zuge der Ermittlungen zum "Verschwinden" von Yuri Grabovski haben die zuständigen Ermittler_innen seinen Computer beschlagnahmt, auf dem sich Daten zu dem Fall befinden. Die bisherigen Untersuchungsergebnisse, einschließlich aller gesammelten Beweise und aller Dateien auf dem Computer, können nun von der Oberstaatsanwaltschaft des Militärs eingesehen werden. Die Oberstaatsanwaltschaft des Militärs vertritt im Gerichtsverfahren gegen Yevgeny Yerofeyev und Aleksander Aleksandrov die Anklage.