Amnesty Journal 04. Februar 2014

Mehr Toleranz

Rückzug kommt nicht in Frage. Im Büro von Alice Nkom.

Rückzug kommt nicht in Frage. Im Büro von Alice Nkom.

Die Organisation zur Verteidigung der Rechte homosexueller Menschen führt in Kamerun einen schwierigen Kampf.

Von Arne Kouker

Im Januar 2013 kam es zu einem Novum in der kamerunischen Geschichte: Erstmals wurden Personen, die homosexueller Handlungen bezichtigt worden waren, vor Gericht freigesprochen. Einen großen Anteil daran hatte die Organisation ADEFHO (Organisation zur Verteidigung der Rechte homosexueller Menschen), die die beiden Angeklagten in ihrem Gerichtsverfahren unterstützt hatte, nachdem sie – wie viele andere Betroffene in dem Land – in Haft schweren Misshandlungen ausgesetzt waren.

ADEFHO wurde 2003 von der Rechtsanwältin Alice Nkom als erste kamerunische Organisation zur Unterstützung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen (LGBTI) gegründet. Inzwischen besteht sie aus einem Vorstand mit sechs Mitgliedern, einem Büro mit vier festangestellten Mitarbeitern und 16 Mitgliedern, die ehrenamtlich tätig sind.

Die Organisation bietet LGBTI nicht nur Rechtsberatung und Verteidigung vor Gericht an, sondern auch medizinische Behandlung, psychologische Beratung, sexuelle Aufklärung, Mediation und Sicherheitstrainings. Grundsätzlich hilft ADEFHO jeder betroffenen Person, unabhängig davon, ob sie für das Angebot etwas bezahlen kann und wo im Land sie lebt. Deshalb nehmen die Mitarbeiter oft lange Reisen auf sich.

Häufig gelingt es ihnen, die Beschuldigten bereits aus dem Polizeigewahrsam zu befreien, bevor sie überhaupt vor Gericht gestellt werden. ADEFHO konnte bereits mehr als siebzig Personen helfen, die aufgrund der Vorwürfe in vielen Fällen von ihren Familien verstoßen wurden. ADEFHO setzt sich für eine tolerantere Gesellschaft ein, weil die Diskriminierung von LGBTI in Kamerun alltäglich ist. Die Betroffenen müssen stets in der Angst leben, nicht nur strafrechtlich verfolgt, sondern auch von ihren Familien getrennt, auf offener Straße beleidigt, erpresst und tätlich angegriffen zu werden. Zur Vorbeugung finden Veranstaltungen innerhalb der LGBTI-Gemeinschaft statt, um die Betroffenen über ihre Rechte aufzuklären. Zusätzlich organisiert ADEFHO Konferenzen, Debatten, Seminare sowie Radio- und Fernsehprogramme, um die Gesellschaft für das Thema zu sensibilisieren.

Um gegen die geltenden gesetzlichen Bestimmungen vor­zugehen, versucht ADEFHO, einen Fall bis vor den Obersten Gerichtshof zu bringen. Auf diesem Weg will die Organisation die Verfassungsmäßigkeit des Artikels 347 a des kamerunischen Strafgesetzbuches prüfen lassen. Ein solches Verfahren kann sich allerdings über mehrere Jahre hinziehen.

Mit ihrer Arbeit schafft sich ADEFHO in Kamerun allerdings nicht nur Freunde. Die Organisation muss in der Öffentlichkeit ihre Worte stets sorgfältig wählen. Vor allem Alice Nkom erhält immer wieder Morddrohungen. Der ehemalige Vizepräsident von ADEFHO wurde bereits auf offener Straße angegriffen, die Rechtsanwaltskanzlei von Nkoms Kollegen verwüstet und aus­geraubt.

Der Autor ist Mitarbeiter der deutschen Amnesty-Sektion.

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