Amnesty Report Vereinigte Arabische Emirate 08. Mai 2012

Vereinigte Arabische Emirate 2012

 

Amtliche Bezeichnung: Vereinigte Arabische Emirate Staatsoberhaupt: Scheich Khalifa bin Zayed al-Nahyan Regierungschef: Scheich Mohammed bin Rashid al-Maktoum Todesstrafe: nicht abgeschafft Einwohner: 7,9 Mio. Lebenserwartung: 76,5 Jahre Kindersterblichkeit: 7,4 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 90%

Fünf Männer wurden 2011 willkürlich festgenommen und später zu Haftstrafen verurteilt. Sie hatten Kritik an der Regierung geübt und sich für Reformen ausgesprochen. Alle wurden im Rahmen einer Präsidialamnestie begnadigt und freigelassen. Die Regierung wechselte die Vorstände von fünf NGOs aus, die sich gemeinsam für direkte Wahlen eingesetzt hatten. Frauen sahen sich nach wie vor Diskriminierung vor dem Gesetz und im täglichen Leben ausgesetzt. Arbeitsmigranten, vor allem weibliche Hausangestellte, waren noch immer nicht ausreichend gegen Ausbeutung und Missbrauch durch ihre Arbeitgeber geschützt. Die Regierung weigerte sich, mit UN-Menschenrechtsgremien zusammenzuarbeiten. Es ergingen weiterhin Todesurteile, und es fand mindestens eine Hinrichtung statt.

Hintergrund

Die Regierung versuchte 2011 Protestbewegungen, wie sie anderswo in der Region stattfanden, vorzubeugen und versprach den Bürgern "würdevolle Lebensbedingungen". Die Pensionen ehemaliger Armeeangehöriger wurden beträchtlich erhöht sowie Reis und Brot stärker subventioniert. Im Februar sprach die Regierung mehr Bürgern das Wahlrecht für die zweiten Wahlen zum Föderativen Nationalrat zu. Die insgesamt 40 Mitglieder des Föderativen Nationalrats werden zur Hälfte von der Bevölkerung gewählt, während die anderen 20 Abgeordneten von der Regierung ernannt werden. Im März unterzeichneten über 130 Menschen eine Petition an den Präsidenten und den Obersten Regierungsrat. Sie forderten freie Wahlen und das allgemeine Wahlrecht; ferner solle der Föderative Nationalrat mit der Legislative betraut werden. Im November sicherte der Präsident den Bürgern des Landes mehr Rechte zu.

Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit

Personen, die Kritik an der Regierung oder an befreundeten Staaten übten, liefen Gefahr, festgenommen zu werden.

  • Hassan Mohammed Hassan al-Hammadi, Vorstandsmitglied des Lehrerverbandes, wurde am 4. Februar 2011 festgenommen und Berichten zufolge wegen "Störung der öffentlichen Sicherheit" angeklagt, weil er sich offen mit den Demonstrierenden solidarisch erklärt hatte, die in Ägypten politische Reformen forderten. Er wurde im Hauptquartier des Staatssicherheitsdienstes in Abu Dhabi festgehalten, am 17. Februar jedoch bis zum Beginn seiner Verhandlung im November auf freien Fuß gesetzt.

  • Sechs Männer, die sich im Internet-Diskussionsforum UAE Hewar engagiert hatten, wurden im April 2011 festgenommen. Die Internetseite wurde von den Behörden der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) blockiert. Einer der Männer kam nach einer Woche wieder frei, die anderen sind als die "UAE 5" bekanntgeworden und wurden im Juni vor Gericht gestellt. Die Anklage lautete auf Verleumdung und bezog sich auf Artikel, die bei UAE Hewar veröffentlicht worden waren. Die fünf Männer – der Menschenrechtsverteidiger und Blogger Ahmed Mansoor, der Universitätsdozent und Unterstützer politischer Reformen Nasser bin Ghaith sowie die Internetaktivisten Fahad Salim Dalk, Ahmed Abdul-Khaleq und Hassan Ali al-Khamis – gelten alle als gewaltlose politische Gefangene. Ihr Gerichtsverfahren fand zunächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Später durften internationale Beobachter sowie Vertreter von NGOs den Prozess verfolgen, darunter auch eine Rechtsanwältin, die im Auftrag von Amnesty International in die VAE gereist war. Am 22. November kam die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen zu dem Schluss, dass Ahmed Mansoor sich aufgrund der "friedlichen Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung" willkürlich in Haft befand und sein Gerichtsverfahren unfair war. Sie forderte die Regierung auf, ihn freizulassen und ihm einen angemessenen Rechtsbehelf zu gewähren. Am 27. November wurde Ahmed Mansoor dennoch zu drei Jahren Haft verurteilt. Die anderen vier Angeklagten erhielten Haftstrafen zwischen zwei und vier Jahren. Am Tag darauf wurden alle im Rahmen einer Präsidialamnestie begnadigt. Ihre Strafregister wurden jedoch nicht gelöscht.

Im April 2011 ging das Sozialministerium gegen vier NGOs vor, die Anfang des Monats in einem gemeinsamen Aufruf Reformen gefordert hatten. Das Ministerium besetzte die Vorstände des Juristenverbands, des Lehrerverbands und zweier anderer Organisationen mit regierungstreuen Personen.

Im Dezember entzog die Regierung sechs Männern die Staatsangehörigkeit und begründete dies mit Sicherheitsbedenken und ihrer mutmaßlichen Verbindung zu einer islamistischen Gruppe. Einige von ihnen hatten im März die Petition an den Präsidenten unterzeichnet. Berichten zufolge wurde bereits zehn Monate zuvor einem Mann die Staatsbürgerschaft der VAE aus ähnlichen Gründen aberkannt.

Frauenrechte

Frauen sahen sich 2011 weiterhin Diskriminierungen vor dem Gesetz und im täglichen Leben ausgesetzt. Außerdem wurden sie häufig Opfer von sexueller Gewalt, auch innerhalb der Familie. Die Regierung machte so gut wie keine Fortschritte bei der Umsetzung der Empfehlungen des UN-Ausschusses zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW-Ausschuss). Der Ausschuss hatte die Regierung Anfang 2010 aufgefordert, umfangreiche Schritte zu unternehmen, um Frauen vor häuslicher Gewalt zu schützen.

Rechte von Arbeitsmigranten

Ausländische Arbeitsmigranten waren noch immer nicht ausreichend gegen Ausbeutung und Missbrauch durch ihre Arbeitgeber geschützt. Im Februar 2011 waren Berichten zufolge Migranten, die ihre Arbeitsplätze in der Bauindustrie verloren hatten, in den VAE gestrandet, weil ihre Arbeitgeber ihnen ihren Lohn nicht ausbezahlten oder ihre Pässe nicht herausgaben. Viele der Migranten lebten in erbärmlichen Verhältnissen in Arbeitercamps.

Ausländische Frauen, die als Hausangestellte in den VAE tätig sind, waren besonders gefährdet. Viele müssen lange Arbeitszeiten für sehr wenig Geld ableisten und werden von ihren Arbeitgebern oder von ihren einheimischen Bürgen missbraucht. Die Bürgen sind Teil des Kafala-Systems, das die Arbeitsbedingungen ausländischer Staatsangehöriger regelt. Ein Bericht, den die Regierung Anfang September veröffentlichte, belegte, dass in den vorangegangenen acht Monaten mindestens 900 Hausangestellte aus den Häusern ihrer Bürgen geflohen und von den Behörden in Dubai festgenommen worden waren.

Im Dezember 2011 kritisierte der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) die Arbeitsgesetzgebung der VAE, da sie die Existenz von Gewerkschaften entweder ganz verbietet oder sie in ihrer Funktion einschränkt und Tarifverhandlungen und Streiks untersagt. Der IGB beanstandete auch, dass dem Arbeitsminister das Recht eingeräumt wird, Streiks einseitig zu beenden und die Streikenden zur Weiterarbeit zu zwingen.

Todesstrafe

Auch im Berichtsjahr ergingen wieder Todesurteile. Es gab mindestens eine Hinrichtung. Im Februar 2011 wurde ein Mann in Dubai durch ein Erschießungskommando hingerichtet. Er war wegen Vergewaltigung und Mordes an einem Kind zum Tode verurteilt worden. Dies war offenbar die erste Hinrichtung seit 2008.

Die Todesurteile gegen 17 indische Staatsbürger, die im Jahr 2010 wegen Mordes verurteilt worden waren, wurden aufgehoben. Die Angeklagten erklärten sich bereit, für das Opfer diya (Blutgeld) zu bezahlen. Da jedoch noch keine Einigung über die zu zahlende Summe erzielt worden war, befanden sie sich weiterhin in Haft.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Eine Delegation von Amnesty International stattete den Vereinigten Arabischen Emiraten im Juni einen Besuch ab, um Recherchen durchzuführen. Im September beobachtete eine Delegierte den Prozess der "UAE 5".

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