Amnesty Report 08. Mai 2012

Kamerun 2012

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Kamerun Staatsoberhaupt: Paul Biya Regierungschef: Philémon Yang Todesstrafe: in der Praxis abgeschafft Einwohner: 20 Mio. Lebenserwartung: 51,6 Jahre Kindersterblichkeit: 154,3 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 70,7%

Die Regierung schränkte weiterhin die Aktivitäten von Regierungsgegnern und Journalisten ein. Es wurden Personen festgenommen, die unter Verdacht standen, homosexuelle Beziehungen zu unterhalten. Einige von ihnen erhielten lange Gefängnisstrafen. Die Regierung reduzierte einige Freiheitsstrafen und wandelte Todesurteile in Haftstrafen um. Sie gab jedoch nicht bekannt, in wie vielen Fällen dies geschah.

Hintergrund

Präsident Paul Biya wurde bei den Präsidentschaftswahlen am 9. Oktober 2011 mit 78% der Stimmen wiedergewählt. Von den 22 Gegenkandidaten erhielt John Fru Ndi von der Sozialdemokratischen Front (Social Democratic Front – SDF) die meisten Stimmen, doch konnte er nur etwas mehr als 10% der Wählerstimmen auf sich vereinen. Die Oppositionsparteien gaben an, die Wahlen seien unfair verlaufen. Nach Einschätzung der Wahlbeobachter der Afrikanischen Union, der Internationalen Organisation der Frankophonie (Organisation Internationale de la Francophonie – OIF) und des Commonwealth verliefen sie überwiegend fair.

Dagegen sagte der US-Botschafter in Kamerun, die Wahlbeobachter der US-Regierung hätten weit verbreitete Unregelmäßigkeiten auf allen Ebenen festgestellt.

Vor Beginn seiner neuen Amtszeit im November erließ Präsident Biya ein Dekret zur Umwandlung gerichtlich verhängter Strafen. Danach waren Personen mit Gefängnisstrafen von einem Jahr oder weniger freizulassen, lebenslange Haftstrafen auf 20 Jahre zu reduzieren und Todesurteile in lebenslange Freiheitsstrafen umzuwandeln. Wegen Wirtschaftsverbrechen, schweren Raubes oder Mordes verurteilte Gefangene blieben von der Begnadigung durch den Präsidenten ausgeschlossen.

Auf der Halbinsel Bakassi, die nach einem Urteil des Internationalen Gerichtshofs im Jahr 2002 von Nigeria an Kamerun zurückgegeben worden war, kam es zu mehreren Angriffen bewaffneter Gruppen. Bei einem dieser Angriffe wurden im Februar zwei kamerunische Soldaten getötet und mindestens 13 Zivilpersonen entführt.

Korruptionsvorwürfe

Zahlreiche ehemalige Regierungsbeamte, denen Korruption vorgeworfen wurde, blieben weiterhin in Gewahrsam; viele befanden sich in Untersuchungshaft, andere verbüßten Haftstrafen. Das Verfahren gegen Titus Edzoa und Thierry Atangana wegen neuer gegen sie erhobener Korruptionsvorwürfe war Ende 2011 noch nicht abgeschlossen, obwohl sie ihre 15-jährige Gefängnisstrafe fast verbüßt hatten, zu der sie 1997 in einem unfairen Gerichtsverfahren verurteilt worden waren.

Straflosigkeit

Angehörige der Sicherheitskräfte, die bei Demonstrationen und Ausschreitungen im Februar 2008 Menschenrechtsverletzungen, darunter auch rechtswidrige Tötungen, begangen oder angeordnet hatten, genossen 2011 weiterhin Straffreiheit. Die Justizbehörden unternahmen nichts, um die Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und die Täter vor Gericht zu stellen.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Mehrere Journalisten und Regierungskritiker wurden während des Berichtsjahres festgenommen, einige kamen frei.

  • Bertrand Zepherin Teyou, ein Schriftsteller, der im November 2010 festgenommen worden war, als er versuchte, sein Buch über die Ehefrau des Präsidenten vorzustellen, wurde am 29. April 2011 auf freien Fuß gesetzt. Das Strafgericht der ersten Instanz in Douala hatte ihn wegen "Beleidigung einer hochgestellten Persönlichkeit" für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von 2030150 CFA-Francs (ca. 4425 US-Dollar) oder alternativ zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

  • Der ehemalige Bürgermeister von Njombé-Penja, Paul Eric Kingué, verbüßte eine Gefängnisstrafe im Zusammenhang mit den Ausschreitungen im Jahr 2008. Menschenrechtsverteidiger und Anwälte forderten weiterhin seine Freilassung, da er ihrer Ansicht nach nur deshalb inhaftiert worden war, weil er Menschenrechtsverletzungen durch Regierungskräfte kritisiert hatte. Er stand außerdem wegen angeblicher Korruption vor Gericht.

  • Der Musiker Pierre Roger Lambo Sandjo wurde im April 2011 freigelassen, nachdem er eine dreijährige Freiheitsstrafe verbüßt hatte. Die ihm 2008 auferlegte Geldstrafe in Höhe von 330 Mio. CFA-Francs musste er nicht bezahlen. Nach Ansicht von Menschenrechtsverteidigern war er inhaftiert worden, weil er ein Lied komponiert hatte, das die Verfassungsänderung kritisierte, die Präsident Biya eine erneute Kandidatur für das Präsidentenamt ermöglichte.

  • Reinnier Kazé, ein Journalist der Nachrichtenagentur Agence France-Press, wurde am 23. Februar 2011 von Polizisten festgenommen, als er über eine Demonstration der Opposition in der Stadt Douala berichtete. Bevor er am nächsten Tag wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, löschten Polizeibeamte Aufnahmen auf seinem Diktiergerät.

  • Im Mai verhinderte die Polizei die öffentliche Aufführung eines Dokumentarfilms über mutmaßliche Menschenrechtsverstöße im Zusammenhang mit der kommerziellen Bananenproduktion. Berichten zufolge wurde in dem Dokumentarfilm der Vorwurf erhoben, kleine Bananenproduzenten würden ohne Entschädigung von ihrem Land vertrieben und Plantagenarbeiter bekämen Hungerlöhne.

  • Gueimé Djimé, ein Mitglied der Menschenrechtsgruppe OS-Civil Droits de l’Homme in Kousséri in der Region Extrême-Nord/Extreme North, wurde in der Nacht vom 10. Juni im Schlaf erschossen. Berichten zufolge hatten Mitglieder von OS-Civil Droits de l’Homme anonyme Morddrohungen erhalten, da die Gruppe die Einsetzung von zwei traditionellen Würdenträgern durch die Regierungsbehörden kritisiert hatte. Obwohl vier Männer unter dem Verdacht festgenommen wurden, Gueimé Djimé ermordet zu haben, war bis zum Jahresende niemand zur Verantwortung gezogen worden.

Rechte auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

Gruppen, die sich für politische Ziele oder für die Menschenrechte einsetzten, wurden häufig an der Ausübung ihres Rechts gehindert, friedliche Aktivitäten oder Demonstrationen zu organisieren.

  • Mindestens acht politische Aktivisten, darunter ehemalige Mitglieder einer Studentenvereinigung, wurden im Februar 2011 von Angehörigen des Sicherheitsdienstes Direction de la Surveillance du Territoire (DST) in Yaoundé festgenommen. Sie hatten sich getroffen, um eine Demonstration zu organisieren, die an die Opfer der Menschenrechtsverletzungen bei den Demonstrationen im Februar 2008 erinnern sollte. Die Festgenommenen erhielten keinen Zugang zu Rechtsanwälten. Man warf ihnen vor, die Sicherheit des Staates bedroht zu haben. Sie kamen vorläufig auf freien Fuß und waren bis zum Jahresende noch nicht vor Gericht gestellt worden.

  • Im April nahm die Polizei in Douala den politischen Aktivisten Mboua Massock fest, als er versuchte, eine Protestkundgebung gegen die Präsidentschaftswahlen im Oktober zu organisieren. Er wurde aus der Stadt gebracht und 35 km außerhalb von Douala ausgesetzt.

  • Im Mai nahm die Bereitschaftspolizei in Yaoundé 37 Bauern fest und trieb mehr als 100 weitere Personen auseinander, die demonstrieren wollten. Ihr Protest richtete sich gegen schlechte Straßen und die mangelhafte Unterstützung der Landwirtschaft durch die Regierung. Am 1. Juni wurden die Festgenommenen ohne Anklageerhebung freigelassen. Die Sicherheitskräfte nahmen weiterhin Mitglieder des Nationalrats von Südkamerun (Southern Cameroons National Council – SCNC) fest und störten oder verhinderten dessen Versammlungen. Der SCNC tritt für die Abspaltung der englischsprachigen Regionen des Landes vom überwiegend französischsprachigen Kamerun ein.

  • Im Februar 2011 nahmen Angehörige der Sicherheitskräfte den Vorsitzenden des SCNC, Chief Ayamba Ette Otun, und weitere Personen fest, die ihn auf einer Fahrt nach Bamenda, der Hauptstadt der Region Nord-Ouest/Northwest, begleiteten. Berichten zufolge kehrte Ayamba Ette Otun aus der Stadt Buea in der Region Sud-Ouest/Southwest zurück, wo er einer Delegation der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker einen Bericht des SCNC übergeben hatte. Einige Tage später kamen alle Festgenommenen ohne Anklageerhebung wieder frei.

  • Am 1. Oktober unterbrachen Angehörige der Sicherheitskräfte eine Versammlung des SCNC in Buea und nahmen 50 Personen fest. Zur Begründung hieß es, der SCNC habe vorab keine Genehmigung bekommen, die Versammlung abzuhalten. Einige Tage später wurden die Festgenommenen ohne Anklageerhebung freigelassen.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern

Die Regierung schlug vor, das Strafgesetzbuch dahingehend zu ändern, dass gegen Personen, die wegen gleichgeschlechtlicher sexueller Beziehungen verurteilt werden, Haftstrafen von bis zu 15 Jahren und hohe Geldstrafen verhängt werden können.

Männer, die "homosexueller Handlungen" für schuldig befunden wurden, erhielten weiterhin Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren.

  • Jean-Claude Roger Mbede wurde am 28. April 2011 wegen "homosexueller Handlungen" zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Im November vertagte ein Gericht in Yaoundé das Berufungsverfahren auf Februar 2012.

  • Frankie Ndome Ndome, Jonas Nsinga Kimie und Hilaire Nguiffo wurden im November "homosexueller Handlungen" für schuldig befunden und zu Gefängnisstrafen von fünf Jahren verurteilt.

  • Im August 2011 wurden Joseph Magloire Ombwa, Nicolas Ntamack, Sylvain Séraphin Ntsama und Emma Loutsi Tiomela festgenommen. Sie warteten am Jahresende noch immer auf ihr Verfahren. Stéphane Nounga und ein als Eric O. bekannter Mann, die ebenfalls beide im August festgenommen worden waren, wurden vorläufig freigelassen.

  • Zu den weiteren Personen, die wegen vermeintlicher homosexueller Beziehungen festgenommen und wieder freigelassen wurden, gehörten Jean Jules Moussongo, Steve O., Depadou N. und Pierre Arno. Einige von ihnen waren von Angehörigen der Sicherheitskräfte bzw. Spitzeln, die sich als homosexuell ausgaben und angeblich Kontakte suchten, in die Falle gelockt worden.

Todesstrafe

Die Regierung informierte Amnesty International im März darüber, dass im Jahr 2010 17 Personen zum Tode verurteilt wurden. Die Behörden teilten mit, alle hätten Rechtsmittel gegen die Urteile eingelegt. Zu Todesurteilen im Jahr 2011 wurden keine Angaben gemacht.

Ein am 3. November 2011 erlassenes Dekret des Präsidenten wandelte Todesurteile in lebenslange Haftstrafen um. Ausgenommen waren Personen, die wegen Mordes und schweren Raubs verurteilt worden waren. Die Behörden gaben nicht an, wie viele Personen von der Strafumwandlung betroffen waren.

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