Aktuell 07. Juni 2013

Mali: Schwere Menschenrechtsverstöße auch nach französischer intervention

Seit Eingreifen der französischen Armee vor fünf Monaten werden in Mali nach wie vor Menschenrechtsverstöße gegen Zivilpersonen

Seit Eingreifen der französischen Armee vor fünf Monaten werden in Mali nach wie vor Menschenrechtsverstöße gegen Zivilpersonen

7. Juni 2013 - In einem am 7. Juni veröffentlichten Bericht stellt Amnesty International fest, dass seit Beginn der französischen Intervention in Mali vor fünf Monaten zahlreiche Menschen, darunter auch Zivilpersonen, gefoltert und getötet worden sind oder dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen sind.

Der Bericht Mali: Preliminary findings of a four-week mission. Serious human rights abuses ist das Ergebnis einer von Amnesty im Mai und Juni durchgeführten Missionsreise. Im Juli soll eine UN-Friedenstruppe nach Mali entsandt werden.
"Die Menschenrechtsbilanz der malischen Sicherheitskräfte seit Januar ist schlichtweg haarsträubend. Sie begehen Menschenrechtsverletzungen, ganz offensichtlich ohne befürchten zu müssen, dafür zur Verantwortung gezogen zu werden", so Gaëtan Mootoo, Experte für Mali bei Amnesty und Teilnehmer der Recherchemission.

VertreterInnen von Amnesty International dokumentierten während der Mission zahlreiche Fälle, in denen Häftlinge gefoltert oder auf andere Weise misshandelt wurden, nachdem sie wegen mutmaßlicher Verbindungen zu bewaffneten Gruppen inhaftiert worden waren. Es wurden zudem mehr als 20 Fälle von außergerichtlichen Hinrichtungen bzw. des Verschwindenlassen dokumentiert.

Mohamed Lemine und Mohamed Tidjani waren am 28. Januar dieses Jahres von den malischen Sicherheitskräften festgenommen worden – demselben Tag, an dem die französische und malische Armee in die Stadt Timbuktu einmarschierte.
Wenige Tage später wurden die Leichen der beiden Männer gefunden. Ein Familienangehöriger sagte gegenüber Amnesty International: "Beide trugen dieselben Klamotten und Schuhe, die sie am Tag ihrer Festnahme getragen hatten. Mohamed Lemine trug eine weiße Tunika [boubou] und eine schwarze Hose, und sein Freund trug ebenfalls eine Tunika. Wir wollten die Leichen nicht transportieren, daher haben wir das Grab wieder mit Sand überdeckt."

VertreterInnen von Amnesty International sprachen mit über 80 von 200 in der Hauptstadt Bamako inhaftierten Personen, von denen sich die meisten wegen terroristischer Handlungen und anderer Straftaten verantworten müssen.
Viele von ihnen gaben an, gefoltert oder anderweitig misshandelt worden zu sein. Manchen soll man medizinische Versorgung vorenthalten haben. Einige der Inhaftierten wiesen Verbrennungen, Schnitte oder Narben auf, u. a. am Rücken, auf der Brust und an den Ohren.

Mindestens fünf Häftlinge starben im April 2013 in der Haft, offenbar infolge der schlechten Haftbedingungen und fehlender medizinischer Versorgung.
Akassane Ag Hanina war in Timbuktu festgenommen und am 4. April in die Strafvollzugsanstalt Maison centrale d’arrêt in Bamako gebracht worden, wo er sieben Tage später starb. Vor seinem Tod erzählte er einigen Mitgefangenen, dass er in Timbuktu von Angehörigen des Militärs geschlagen worden sei.

Einer der Mithäftlinge von Akassane Ag Hanina sagte gegenüber Amnesty International: "Er sagte den Gefängniswärtern, dass er krank sei, erhielt jedoch keine medizinische Versorgung. Am Abend bevor er starb, bat er um Hilfe, es kam jedoch erst am nächsten Morgen jemand. Da war er bereits tot."
VertreterInnen von Amnesty, die der Hafteinrichtung einen Besuch abstatteten, dokumentierten, wie mehrere Kindersoldaten – manche erst 13 Jahre alt – in Zellen mit Erwachsenen festgehalten wurden.

Die malischen Behörden räumten ein, dass Menschenrechtsverletzungen begangen worden sind und verwiesen darauf, dass derzeit einige Fälle untersucht werden. Bisher ist jedoch noch niemand zur Verantwortung gezogen worden.
"Es wird nicht einfach sein, dafür zu sorgen, dass alle für Menschenrechtsverstöße Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden, doch dies ist unabdingbar für eine nachhaltige Stabilisierung der Situation und für einen Neuanfang für ein Land, das seit über 18 Monaten von Konflikten zerrüttet ist", so Gaëtan Mootoo.

Amnesty International bereitet zudem Sorge, dass das französische Militär und westafrikanische Truppen der afrikanisch geführten internationalen Unterstützungsmission in Mali (AFISMA) – darunter auch Truppen aus dem Tschad und Niger – Gefangene an die malischen Behörden übergeben haben, obwohl sie wussten oder hätten wissen müssen, dass ein erhebliches Risiko der Folter oder
anderweitiger Misshandlung besteht.

Während der Recherchemission erfuhr Amnesty International zudem von durch die Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (Mouvement pour l’unicité du djihad en Afrique de l’ouest – MUJAO) vorgenommenen Entführungen und willkürlichen Tötungen von Zivilpersonen, denen vorgeworfen wurde, die französische oder malische Armee zu unterstützen.

Bewaffneten Oppostionsgruppen wie z. B. der MUJAO und der aus Tuareg bestehenden Nationalen Bewegung für die Befreiung des Azawad (Mouvement national de libération de l’Azawad – MNLA) wird darüber hinaus vorgeworfen, Frauen und Mädchen sexuell missbraucht und Kinder zum Tragen von Waffen, zur Kontrolle an Kontrollpunkten und zum Kochen angeheuert zu haben. In einigen Fällen wurden Kinder auch in den Kampf geschickt.

Gaëtan Mootoo folgert: "Wir stehen kurz vor dem Entsenden einer Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen nach Mali. Es muss daher unbedingt sichergestellt werden, dass die malische Armee und alle anderen Streitkräfte die Menschenrechte achten und schützen. Nur so können sich die Menschen im Norden des Landes wirklich sicher fühlen."

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