Amnesty 22. Mai 2023

Mitgliedschaft: Die ehrenamtliche Türkei-Ländergruppe der deutschen Amnesty-Sektion

EIn Schild wird hochgehalten

Amnesty-Protestaktion für die Meinungsfreiheit in der Türkei vor der türkischen Botschaft in Berlin am 10. September 2018

Die deutsche Amnesty-Sektion hat rund 70 Länder- und Themenkoordinationsgruppen, genannt Kogruppen. Sie unterstützen die Mitglieder bei Aktionen, Veranstaltungen und Einzelfallarbeit, halten Kontakt zu Presse und Politik und sind als Referent*innen bei Veranstaltungen präsent. Eine davon ist die Kogruppe Türkei in Hamburg.

In der Kogruppe Türkei fließen viele menschenrechtliche Themen zusammen: Frauenrechte, Meinungsfreiheit, die Lage politischer Gefangener, Folter und Asylrecht. Seit mehr als 40 Jahren versorgt die Kogruppe Amnesty-Mitglieder in ganz Deutschland mit Informationen und Materialien zu diesen und anderen Themen. Unzählige Gruppen haben seither von dieser Recherche- und Koordinationsarbeit profitiert. Gegründet wurde die Kogruppe 1980 von Amke Dietert in Hamburg, derzeit hat sie sechs aktive Mitglieder.

Barbara Neppert schloss sich 1991 der Türkei-Kogruppe an. Sie war zuvor vor allem in der Asylarbeit aktiv und hatte viele Türk*innen betreut, die nach dem Putsch 1980 geflohen waren. Neppert hat die Türkei oft bereist und viele Menschenrechtsverteidiger*innen vor Ort kennengelernt. Für die Arbeit in der Kogruppe ist das sehr hilfreich: "Wir haben enge Kontakte in die Türkei, und das motiviert uns ganz besonders", erzählt sie.

Eine dieser Kontaktpersonen, die Gerichtsmedizinerin Şebnem Korur Fincancı, war im vergangenen Jahr in Deutschland zu Besuch und wurde von der Kogruppe bei ihren Treffen mit Politiker*innen begleitet. Korur Fincancı setzt sich seit vielen Jahren für Menschenrechte ein. Kurz nach ihrer Rückkehr in die Türkei wurde sie festgenommen, weil sie in einem Fernsehinterview in Deutschland gefordert hatte, die mutmaßlichen Giftgasangriffe auf die PKK im Nordirak müssten unabhängig untersucht werden. Im Januar 2023 wurde sie zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt "Das hat uns sehr bedrückt, denn sie war unser Gast", erzählt Barbara Neppert. Nach internationalen Protesten, auch von Amnesty, ist Korur Fincancı zwar für die Dauer des Berufungsverfahrens wieder auf freiem Fuß, doch ihre strafrechtliche Verfolgung geht weiter.

Die Türkei-Kogruppe engagierte sich 2022 auch für viele andere Menschen, zum Beispiel für die Rechtsanwältin Eren Keskin, den Amnesty-Ehrenvorsitzenden Taner Kılıç und den Journalisten Nedim Türfent. "Bei den Mitgliedern gibt es ein großes Interesse, sich für Menschen einzusetzen, deren Gesicht man kennt, deren Fall man weiterverfolgen kann", sagt Barbara Neppert. Die Petitionen werden daher oft in Form von Postkarten durchgeführt, auf denen ein Porträt der betreffenden Person abgedruckt ist.

Das Bild zeigt eine Collage mit mehreren Portätfotos

Setzen sich für die Menschenrechte ein und gerieten deshalb ins Visier der türkischen Behörden: Özlem Dalkıran, Taner Kılıç, İdil Eser und Günal Kurşun (v.l.n.r.).

Der Ausstieg der Türkei aus der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, war 2022 ebenfalls ein wichtiges Thema. "Es gab dazu eine ganze Reihe von Veranstaltungen, Postkarten und ein Faltblatt", berichtet Neppert, "aber leider hatten wir letztendlich keinen Erfolg – der Austritt wurde nicht zurückgezogen und trat zum 1. Juni 2022 in Kraft."

Die Kogruppe Türkei ist aber auch ganz praktisch aktiv, indem sie Geflüchtete in Deutschland bei ihren Asylverfahren unterstützt. In Absprache mit den Anwält*innen recherchiert sie den Kontext. Wenn politisch Verfolgte zum Beispiel berichten, dass sie bei einer Demonstration festgenommen wurden, greift die Kogruppe auf ihr umfangreiches Archiv zurück: "Wir versuchen, mit Dokumenten und Vergleichsfällen zu belegen, dass tatsächlich eine Verfolgungsgefahr besteht", so Neppert.

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