Amnesty Report Turkmenistan 21. Mai 2017

Turkmenistan 2017

Amnesty Report 2016 / 2017

2016 zeichnete sich keine Verbesserung der Menschenrechtssituation ab, obwohl ein Nationaler Menschenrechtsplan für den Zeitraum von 2016 bis 2020 ins Leben gerufen wurde. Unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen konnten nicht frei tätig sein. Die Regierung verweigerte unabhängigen Kontrollorganen zur Überwachung der Menschenrechtslage nach wie vor die Einreise. Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Religionsfreiheit waren weiterhin massiv eingeschränkt, ebenso das Recht auf Freizügigkeit. Sexuelle Beziehungen zwischen Männern stellten nach wie vor einen Straftatbestand dar.

RECHT AUF FREIE MEINUNGSÄUßERUNG

Die Medien blieben 2016 staatlicher Kontrolle unterworfen. Unabhängige Medien zu betreiben war nicht möglich. Journalisten waren unvermindert Schikanen und Einschüchterungen durch die Behörden ausgesetzt. Dies galt auch für diejenigen, die im Exil lebten.

Der freiberufliche Journalist Saparmamed Nepeskuliev blieb weiter in Haft. Er hatte über Korruption berichtet und war im August 2015 wegen Drogendelikten schuldig gesprochen worden.

Der Zugang zum Internet wurde überwacht und eingeschränkt; die Seiten sozialer Netzwerke wurden regelmäßig blockiert.

ZWANGSARBEIT

Die Regierung setzte in der Baumwollindustrie, die weltweit zu den größten zählt, nach wie vor Zwangsarbeit ein. Für die Ernte zwangen lokale Behörden Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, darunter Lehrkräfte, medizinisches Personal und andere Staatsbedienstete, Baumwolle zu pflücken und dabei individuelle, von der Regierung festgelegte Quoten zu erfüllen – andernfalls drohte ihnen die Entlassung. Oft halfen Kinder ihren Eltern, damit diese die Quoten erfüllen konnten. Der Sachverständigenausschuss zur Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation drängte Turkmenistan, alle Maßnahmen zu beenden, die zur Zwangsarbeit in der Baumwollindustrie führen.

GESETZLICHE, VERFASSUNGSRECHTLICHE UND INSTITUTIONELLE ENTWICKLUNGEN

Die gesetzlichen Voraussetzungen für das Amt eines Menschenrechtskommissars im Sinne einer Ombudsstelle waren noch nicht geschaffen.

Am 14. September 2016 wurde eine neue Verfassung verabschiedet. Darin wurde die Amtszeit des Präsidenten auf sieben Jahre verlängert und die zuvor bestehende Altersgrenze für Präsidenten gestrichen.

VERSCHWINDENLASSEN

Der Verbleib von Gefangenen, die nach einem mutmaßlichen Mordanschlag auf den früheren Staatspräsidenten Saparmurat Nijasow im Jahr 2002 dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen waren, blieb weiterhin ungeklärt.

RECHT AUF RELIGIONS- UND GLAUBENSFREIHEIT

Laut dem Nachrichtendienst Alternative Turkmenistan News wurden in Dashoguz bärtige Männer unter 50 Jahren festgenommen, zu ihrem Glauben und ihrer Religionsausübung befragt und in einigen Fällen gegen ihren Willen rasiert.

Das neue Gesetz über Gewissensfreiheit und religiöse Organisationen trat im März 2016 in Kraft. Darin wurde die bestehende Regelung beibehalten, wonach die Ausübung des Rechts auf Religions- und Glaubensfreiheit gemeinsam mit anderen ohne staatliche Registrierung verboten ist. Nach dem neuen Gesetz müssen Religionsgemeinschaften mindestens 50 Gründungsmitglieder haben, um sich registrieren lassen zu können, zuvor waren fünf Personen ausreichend.

Wehrdienstverweigerer waren strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt. Nach Informationen der Menschenrechtsorganisation Forum 18, die sich für Religionsfreiheit einsetzt, wurde ein junger Zeuge Jehovas zu Zwangsarbeit verurteilt, weil er sich geweigert hatte, den Militärdienst abzuleisten.

FOLTER UND ANDERE MISSHANDLUNGEN

Ehemalige Gefangene berichteten dem Nachrichtendienst Alternative Turkmenistan News von schlechten Haftbedingungen und einer Behandlung in Gewahrsam, die Folter und anderen Misshandlungen gleichkam. Den Angaben zufolge schlugen Vollzugsbeamte Gefangene und zwangen sie, bei hohen Temperaturen über lange Zeiträume hinweg im Freien zu stehen. Außerdem erpressten sie Gefängnisinsassen. Die Haftanstalten waren überbelegt, und die Gefangenen wurden nicht ausreichend mit Nahrung versorgt. Manche Häftlinge mussten auf dem Fußboden oder im Hof des Gefängnisses schlafen. Tuberkulose war weit verbreitet, und erkrankte Insassen erhielten nicht immer eine angemessene Behandlung.

2016 gingen immer wieder Berichte über Ordnungskräfte ein, die Gefangene mit Folter und anderen Misshandlungen dazu zwangen, "Geständnisse" abzulegen oder andere Personen zu belasten.

Der Aktivist Mansur Mingelov blieb weiterhin in Haft. Er war 2012 in einem unfairen Gerichtsverfahren u. a. wegen Drogendelikten zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, nachdem er Informationen über die Folter und Misshandlung von Angehörigen der ethnischen Gemeinschaft der Belutschen in der Region Mary welaýaty veröffentlicht hatte.

INTERNATIONALE KONTROLLE

Turkmenistan verweigerte 2016 nach wie vor jede internationale Kontrolle. Anfragen von UN-Sonderberichterstattern, die das Land besuchen wollten, wurden entweder abgewiesen oder blieben unbeantwortet.

RECHT AUF FREIZÜGIGKEIT

Obwohl das Land im Jahr 2004 das System der Ausreisevisa abgeschafft hatte, gab es in der Praxis nach wie vor willkürliche Beschränkungen des Rechts, ins Ausland zu reisen. Davon betroffen waren u. a. Verwandte von Personen, denen eine Beteiligung an dem mutmaßlichen Mordanschlag auf den früheren Staatspräsidenten Nijasow im Jahr 2002 zur Last gelegt wurde, Verwandte von im Ausland lebenden Oppositionellen sowie politisch engagierte Personen, Studierende, Journalisten und ehemalige Arbeitsmigranten.

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