Amnesty Report Honduras 17. Februar 2017

Honduras 2017

Amnesty Report 2016 / 2017

Ein Klima allgegenwärtiger Gewalt zwang Tausende Honduraner zur Flucht aus ihrem Land. Gegen Frauen, Migranten, Binnenvertriebene und Menschenrechtsverteidiger und in besonderem Maße gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgeschlechtliche und Intersexuelle (LGBTI) sowie Umwelt- und Landrechtsaktivisten wurde gezielt Gewalt angewandt. Ein schwaches Strafrechtssystem begünstigte die in der Praxis bestehende Straflosigkeit.

HINTERGRUND

Um Gewalt, Korruption und organisiertes Verbrechen zu bekämpfen, übertrug die Regierung Einheiten, die aus Staatsbediensteten mit militärischer Ausbildung zusammengestellt wurden, mehrere Aufgaben der inneren Sicherheit. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission äußerte Besorgnis darüber, dass das Militär Einsätze zur Gewährleistung der inneren Sicherheit durchführte und dabei auch mit exzessiver Gewalt vorging. Die Präsenz militärischer Truppen in Territorien von Indigenen trug zur Entstehung sozialer Unruhen bei. In der Absicht, aus den Reihen der Polizei Personen zu entfernen, denen man Verbindungen zum organisierten Verbrechen vorwarf, wurden über 100 hochrangige Polizeibedienstete entlassen.

RECHTE VON FLÜCHTLINGEN UND MIGRANTEN

Die im ganzen Land verbreitete Gewalt zwang zahlreiche Menschen zur Flucht – zumeist Frauen, Kinder, Jugendliche und LGBTI. Menschen, die sich nach Ansicht krimineller Banden ihrer Autorität widersetzten oder die ein von ihnen verübtes Verbrechen beobachtet hatten, wurden routinemäßig schikaniert, angegriffen und erpresst. Zudem wurden insbesondere junge Menschen gezwungen, sich kriminellen Banden anzuschließen.

Aus Mexiko oder den USA abgeschobene Personen sahen sich denselben lebensbedrohlichen Situationen gegenüber, derentwegen sie Honduras ursprünglich verlassen hatten. Im Juli 2016 wurde ein Asylsuchender ermordet, der drei Wochen zuvor nach der Ablehnung seines Asylantrags aus Mexiko nach Honduras abgeschoben worden war.

MENSCHENRECHTSVERTEIDIGER

Honduras blieb für Menschenrechtsverteidiger – insbesondere für Umwelt- und Landrechtsaktivisten – eines der gefährlichsten Länder Lateinamerikas. Der internationalen NGO Global Witness zufolge war Honduras, gemessen an seiner Bevölkerung, das Land mit der weltweit höchsten Tötungsrate von Umwelt- und Landrechtsaktivisten. In der Nacht vom 2. auf den 3. März 2016 wurde Berta Cáceres, Sprecherin und Gründungsmitglied der Indigenenorganisation Consejo Cívico de Organizaciones Populares e Indígenas de Honduras (COPINH), in ihrem Haus erschossen. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hatte seit 2009 Schutzmaßnahmen für sie angeordnet, die Behörden ergriffen jedoch keine wirksamen Maßnahmen zu ihrem Schutz. Wie auch die anderen COPINH-Mitglieder, die gegen den Bau des Agua-Zarca-Staudamms in der Gemeinde Río Blanco protestierten, war Berta Cáceres vor ihrem Tod von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren fortlaufend bedroht und angegriffen worden. Laut Angaben der NGO Asociación para una Ciudadanía Participativa blieben 2016 mehr als 90% der an Menschenrechtsverteidigern verübten Tötungen und Menschenrechtsverstöße straffrei.

Am 18. Oktober 2016 wurden José Ángel Flores und Silmer Dionisio George vom Kleinbauernverband Movimiento Unificado Campesino del Aguán getötet. Die beiden Menschenrechtsverteidiger wurden im Anschluss an ein Treffen mit mehreren Angehörigen kleinbäuerlicher Gemeinschaften in der Siedlung La Confianza in der Region Bajo Aguán im Nordosten von Honduras erschossen. Im November wurde Bertha Oliva, Koordinatorin der Organisation COFADEH (Comité de Familiares de Detenidos Desaparecidos en Honduras), die sich für die Familienangehörigen von Inhaftierten und "Verschwundenen" einsetzt, zum Ziel einer Hetzkampagne. Es wurde versucht, ihr Verbindungen zu Drogenkartellen zu unterstellen und ihre Menschenrechtsarbeit zu diskreditieren. COFADEH setzt sich bereits seit Langem für die Menschenrechte kleinbäuerlicher Gemeinschaften in der Region Bajo Aguán ein.

Insbesondere Personen, die die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgeschlechtlichen und Intersexuellen (LGBTI) verteidigten, waren Drohungen und Angriffen ausgesetzt. Am 3. Juni 2016 wurde René Martínez, Präsident der LGBTI-Organisation Comunidad Gay Sampedrana, in der Stadt San Pedro Sula tot aufgefunden. Sein Leichnam wies Anzeichen von Folter auf. Nach Angaben der internationalen NGO Worldwide Movement for Human Rights wurden zwischen Juli 2015 und Januar 2016 insgesamt 36 Angriffe auf Mitglieder der NGO Asociación LGTB Arcoiris de Honduras verübt. Dazu gehörten Drohungen, Überwachungen, Drangsalierungen und Tötungen. Das Militär wurde beschuldigt, soziale Bewegungen zu infiltrieren und Menschenrechtsverteidiger anzugreifen.

Das Gesetz zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern, Journalisten, Sozialkommunikatoren und Mitarbeitern im Justizsystem (Ley de Protección para las y los Defensores de Derechos Humanos, Periodistas, Comunicadores Sociales y Operadores de Justicia) wurde bisher noch nicht in angemessener Weise umgesetzt.

RECHTE INDIGENER BEVÖLKERUNGSGRUPPEN

Die mangelhafte Ressourcenausstattung der für die Unterstützung indigener Bevölkerungsgruppen zuständigen Institutionen gab weiterhin Anlass zur Besorgnis. Mehrere indigene Bevölkerungsgruppen erhoben den Vorwurf, dass ihre Rechte auf Anhörung und freiwillige, vorherige und informierte Zustimmung im Zusammenhang mit Projekten zur Erschließung und Ausbeutung von Bodenschätzen auf ihren angestammten Territorien verletzt wurden. Eine Herausforderung war nach wie vor der fehlende Zugang indigener Bevölkerungsgruppen zur Justiz im Fall von Angriffen, einschließlich Tötungen. Am 21. Februar 2016 wurde ein Sprecher der indigenen Gruppe der Tolupán getötet. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hatte –wie auch zuvor für Berta Cáceres – im Dezember 2015 Schutzmaßnahmen für ihn angeordnet. Die Verantwortlichen für seinen Tod wurden bislang nicht zur Verantwortung gezogen.

FRAUENRECHTE

Frauen waren regelmäßig Gewalt ausgesetzt. Zwischen Januar und Juni 2016 wurden 227 Frauen ermordet. Im selben Zeitraum wurden 1498 Angriffe und 1375 sexuelle Übergriffe gegen Frauen registriert. Angriffe auf Frauen kamen nur selten zur Anzeige. Honduras verfügte noch immer nicht über spezielle Mechanismen zur Erhebung und Disaggregation von Daten bezüglich der Tötung von Frauen.

Schwangerschaftsabbrüche galten ausnahmslos als Straftaten, auch dann, wenn das Leben bzw. die Gesundheit der Frau gefährdet waren oder die Schwangerschaft das Ergebnis einer Vergewaltigung war. Notfallverhütung war weiterhin verboten.

JUSTIZSYSTEM

Im Februar 2016 wählte der Nationalkongress 15 neue Mitglieder des Obersten Gerichtshofs für eine Amtszeit von sieben Jahren. Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen kritisierten den Auswahlprozess, der ihrer Ansicht nach nicht im Einklang mit den internationalen Standards der Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Transparenz stand.

Honduras hat bisher einer Entscheidung des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Oktober 2015 nicht Folge geleistet. Der Gerichtshof hatte entschieden, dass die Rechte von vier Richtern, die sich dem Militärputsch von 2009 widersetzt hatten und deshalb entlassen worden waren, verletzt wurden. Bisher wurden die Richter jedoch weder wieder eingestellt noch entschädigt.

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