Amnesty Report Haiti 16. Mai 2017

Haiti 2017

Amnesty Report 2016 / 2017

Die Wahlen wurden mehrmals verschoben. Ein Hurrikan, der Haiti im Oktober 2016 heimsuchte, verursachte eine schwere humanitäre Krise. Tausende Menschen, unter ihnen auch Staatenlose, kehrten entweder freiwillig aus der Dominikanischen Republik nach Haiti zurück oder wurden aus dem Nachbarland abgeschoben. Humanitäre Probleme waren die Folge. Die Situation der Menschen, die wegen des Erdbebens im Jahr 2010 ihre Heimatgebiete verlassen mussten, verbesserte sich nur geringfügig.

HINTERGRUND

Im Januar 2016 verschob der Provisorische Wahlrat (Conseil Electoral Provisoire – CEP) die zunächst für den 17. Januar und dann für den 24. Januar angesetzten Präsidentschaftswahlen. Zuvor hatten als Reaktion auf mutmaßliche Wahlfälschungen bei den ersten Wahlrunden der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Jahr 2015 gewalttätige Proteste stattgefunden, gegen die die Polizei gewaltsam vorgegangen sein soll.

Am 5. Februar 2016 wurde eine nationale Vereinbarung zur Bildung einer Übergangsregierung erzielt, mit der eine Lösung der politischen Krise erreicht werden sollte. Präsident Michel Jospeh Martelly legte sein Mandat am 7. Februar verfassungsgemäß nieder. Jocelerme Privert wurde vom Parlament zum Übergangspräsidenten gewählt und, nachdem der erste Kandidat die Zustimmung des Parlaments verfehlte, Enex Jean-Charles zum Ministerpräsidenten der Übergangsregierung ernannt. Die für April vorgesehenen Präsidentschaftswahlen wurden ein weiteres Mal verschoben, nachdem die im selben Monat eingesetzte Unabhängige Wahlprüfungskommission bestätigt hatte, dass es während der im August und Oktober 2015 durchgeführten Wahlen weitverbreiteten Betrug gegeben habe. Sie empfahl deshalb die Festsetzung eines neuen Wahltermins. Der CEP gab schließlich einen neuen Wahlkalender mit Wahlterminen im Oktober 2016 und Januar 2017 heraus.

Im Oktober 2016 verursachte der Hurrikan Matthew die schwerste humanitäre Notlage seit dem Erdbeben von 2010. Besonders betroffen waren die südlichen Départements. Mehr als 500 Menschen kamen zu Tode und fast ebenso viele wurden verletzt. Großflächige Überschwemmungen und Schlammlawinen beschädigten Infrastruktureinrichtungen und Gebäude und verursachten Wasserknappheit. In einigen Gebieten wurde die Lebensgrundlagen fast vollständig zerstört, und 1,4 Mio. Menschen benötigten dringend humanitäre Hilfe. Eine Folge des Hurrikans war auch die Zunahme der inländischen Migration aus ländlichen Gebieten in die überfüllten Städte, wo ohnehin kaum noch angemessener Wohnraum verfügbar war. Angesichts dieser Situation wurden die Präsidentschaftswahlen erneut verschoben und fanden schließlich am 20. November 2016 statt. Jovenel Moïse wurde zum Präsidenten gewählt und seine Vereidigung für den 7. Februar 2017 angesetzt. Am 14. Juni 2016 endete die Amtszeit von Interimspräsident Privert, der jedoch weiterhin interimistisch im Amt blieb. Die politische Krise beeinträchtigte in hohem Maße die Fähigkeit des Landes, dringend notwendige Gesetze und politische Strategien zum besseren Schutz und zur Förderung der Menschenrechte zu beschließen.

Das Mandat der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Haiti (MINUSTAH) wurde im Oktober um sechs Monate verlängert.

Im November wurde die Situation der Menschenrechte in Haiti im Rahmen der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) durch den UN-Menschenrechtsrat begutachtet. Haiti akzeptierte mehrere Empfehlungen. Dazu gehörten der Beitritt zum UN-Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen sowie zum UN-Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit. Außerdem erklärte Haiti sich dazu bereit, sein rechtliches Rahmenwerk gegen geschlechtsspezifische Gewalt zu stärken und den Schutz von Menschenrechtsverteidigern zu verbessern. Es lehnte jedoch Empfehlungen zum Schutz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgeschlechtlichen und Intersexuellen (LGBTI) sowie den Beitritt zum Internationalen Strafgerichtshof ab.

BINNENVERTRIEBENE

Hurrikan Matthew beeinträchtigte die Lebensbedingungen von 2,1 Mio. Menschen in allen Teilen des Landes, darunter fast 900000 Kinder. 175000 Menschen wurden obdachlos. Erschwerend kam hinzu, dass 55107 Menschen, die infolge des Erdbebens von 2010 obdachlos geworden waren, im November 2016 noch immer in 31 Übergangslagern lebten. Seit Juni 2015 hat sich diese Zahl nur unwesentlich verringert.

RECHTE VON FLÜCHTLINGEN UND MIGRANTEN

Weiterhin kamen Menschen haitianischer Herkunft freiwillig aus der Dominikanischen Republik nach Haiti, während andere von den dominikanischen Behörden abgeschoben wurden. Ungefähr 2200 von ihnen fanden Unterkunft in Übergangslagern in der südlichen Grenzregion von Anse-à-Pitres, wo sie unter erbärmlichen Bedingungen lebten und nur unzulänglichen Zugang zu Wasser, sanitären Einrichtungen, Gesundheitsversorgung und Bildung hatten. Trotz eines noch bis Ende Juni existierenden Umsiedlungsprogramms waren zum Jahresende noch zahlreiche Familien in Lagern untergebracht.

RECHT AUF GESUNDHEIT – CHOLERAEPIDEMIE

Bis Juli 2016 wurden 21661 Verdachtsfälle von Cholera und 200 damit zusammenhängende Todesfälle registriert. Fast 9000 Fälle wurden in den zwei auf den Hurrikan Matthew folgenden Wochen erfasst. Im August räumten die Vereinten Nationen zum ersten Mal ihre Mitverantwortung für den ersten Ausbruch der Cholera ein, und der UN-Generalsekretär entschuldigte sich im Dezember öffentlich dafür. Er kündigte auch einen neuen Plan für den Umgang mit dem Cholera-Ausbruch an. Die UN verweigerten Opfern jedoch weiterhin jeden Zugang zu Rechtsbehelfen.

RECHTE VON LESBEN, SCHWULEN, BISEXUELLEN, TRANSGESCHLECHTLICHEN UND INTERSEXUELLEN

Im September 2016 wurden Einzelpersonen und NGOs, die ein LGBTI-Filmfestival planten, öffentlich bedroht. Auch Parlamentsabgeordnete waren daran beteiligt. Im selben Monat ordnete die Staatsanwaltschaft von Port-au-Prince aus Sicherheitsgründen die Absage des Festivals an. Während der darauffolgenden Tage kam es zu einem merklichen Anstieg der Berichte über homofeindliche Übergriffe.

STRAFLOSIGKEIT

Die Ermittlungen gegen den ehemaligen Präsidenten Jean-Claude Duvalier und seine Mitarbeiter wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit machten keine Fortschritte.

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