Amnesty Report Paraguay 08. Juni 2016

Paraguay 2016

 

Indigenen Bevölkerungsgruppen wurde der Zugang zu ihrem angestammten Land nach wie vor verwehrt. Der Zugang zu sexuellen und reproduktiven Rechten war nicht gewährleistet, und Schwangerschaftsabbrüche waren weiterhin nur in wenigen Fällen straffrei.

Hintergrund

Im Oktober 2015 betonte der UN-Sonderberichterstatter über das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit, dass die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zur hohen Rate an frühen Schwangerschaften und unsicheren Schwangerschaftsabbrüchen beitrage. Zudem bedrohe die weitverbreitete Diskriminierung und massive Ungleichbehandlung das Recht auf Gesundheit.

Eine gesetzliche Regelung zur Verhinderung und Bekämpfung aller Formen von Diskriminierung stand weiterhin aus. Ende 2014 hatte der Senat einen entsprechenden Gesetzentwurf abgelehnt, weil keine Einigung darüber erzielt werden konnte, welche Bereiche der Diskriminierung das Gesetz umfassen soll. Im November 2015 wurden zwei neue Gesetzentwürfe zur Bekämpfung von Diskriminierung ins Parlament eingebracht.

Rechte indigener Bevölkerungsgruppen

Indigene Bevölkerungsgruppen, die Anspruch auf ihr angestammtes Land und entsprechende Besitztitel erhoben, wurden weiterhin jahrelang hingehalten.

Ein Landbesitzer, der bereits zum zweiten Mal gegen das Enteignungsgesetz aus dem Jahr 2014 geklagt hatte, erlitt im Juni 2015 vor dem Obersten Gerichtshof eine Niederlage. Aufgrund des Gesetzes hatte die indigene Gemeinschaft der Sawhoyamaxa ihr angestammtes Land zurückerhalten. Über eine Beschwerde der Sawhoyamaxa gegen die Besetzung ihres Landes durch Angestellte des Landbesitzers war Ende 2015 noch keine gerichtliche Entscheidung gefallen.

Die indigene Gemeinschaft der Yakye Axa konnte sich 2015 noch immer nicht auf ihrem angestammten Land niederlassen, weil die Zugangsstraße nach wie vor nicht fertiggestellt war. Dabei war eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Behörden und dem Landbesitzer bereits im Januar 2012 getroffen worden. Die Regierung stellte der indigenen Gemeinschaft der Xákmok Kásek keine finanziellen Mittel zur Verfügung, um ihr Land von einem Unternehmen zurückkaufen zu können, obwohl 2014 eine diesbezügliche Vereinbarung getroffen worden war.

Die indigene Gemeinschaft der Ayoreo Totobiegosode kritisierte scharf, dass Viehzuchtbetriebe in ihr angestammtes Gebiet eindrangen, Wälder rodeten und Menschen in Gefahr brachten, die dort in freiwilliger Isolation lebten.

Die indigene Gemeinschaft der Ayoreo Atetadiegosode prangerte Abholzung, Angriffe durch privates Sicherheitspersonal und Verzögerungen bei der Rückübertragung ihres angestammten Landes an.

Straflosigkeit und Justizwesen

Das Verfahren gegen 13 Kleinbauern, denen im Zusammenhang mit Landkonflikten im Bezirk Curuguaty im Jahr 2012 vorgeworfen wurde, an der Tötung von sechs Polizisten und weiteren Straftaten beteiligt gewesen zu sein, wurde fortgesetzt. Bei den Zusammenstößen mit der Polizei waren auch elf Kleinbauern zu Tode gekommen. Wegen dieser Todesfälle war jedoch niemand angeklagt worden, was Zweifel an der Unparteilichkeit der Ermittlungen aufkommen ließ.

Im Juli 2015 beantragten 12 der 13 angeklagten Kleinbauern, die Auswechslung ihrer Verteidiger. Gegen die Rechtsbeistände war im Jahr 2014 ein Verwaltungsverfahren wegen mutmaßlicher Prozessverschleppung eingeleitet worden. Eine Entscheidung stand Ende 2015 noch aus. Im Oktober 2015 wurde der Prozess gegen die Kleinbauern zum neunten Mal unterbrochen, nachdem die Verteidigung dem Gericht Befangenheit vorgeworfen hatte. Ende 2015 ging der Prozess weiter, nachdem der Antrag der Verteidigung abgelehnt worden war.

Im Fall von Lucía Sandoval bestätigte ein Berufungsgericht im Juli 2015 das Urteil der ersten Instanz, das festgestellt hatte, für eine Beteiligung an der Tötung ihres Ehemanns im Jahr 2011 lägen keine ausreichenden Beweise vor. Lucía Sandoval hatte vor dem Tod ihres Ehemanns Anzeige wegen der Misshandlungen erstattet, die sie durch ihn erlitten hatte. Zum Jahresende war ihr das Sorgerecht für ihre Kinder noch nicht wieder zugesprochen worden.

Folter und andere Misshandlungen

Die Ermittlungen zur mutmaßlichen Folterung von Kleinbauern im Polizeigewahrsam nach den Zusammenstößen im Bezirk Curuguaty im Jahr 2012 waren Ende 2015 immer noch nicht abgeschlossen. Die Rechtsbeistände der Betroffenen warfen der Staatsanwaltschaft Verzögerung und unzureichende Ermittlungsmethoden vor.

Im Juni 2015 wurde ein Gerichtsprozess gegen drei Gefängnisbeamte angekündigt, die im Verdacht standen, für den Tod von zwei Jugendlichen im April 2014 in der Jugendstrafanstalt Centro Educativo de Itauguá verantwortlich zu sein.

Rechte von Frauen und Mädchen

Im März 2015 wurde ein Gesetzentwurf zur Verhinderung und Bestrafung von Gewalt gegen Frauen in die Abgeordnetenkammer eingebracht. Bis zum Jahresende war er jedoch noch nicht abschließend beraten worden. Im Juni 2015 fand eine öffentliche Anhörung statt, bei der zivilgesellschaftliche Organisationen zu dem Gesetzentwurf Stellung nehmen konnten. Im Mai 2015 wurde der Abgeordnetenkammer ein Gesetzentwurf vorgelegt, der Maßnahmen zur Verhinderung und Bestrafung sexueller Gewalt sowie zur umfassenden Unterstützung von Opfern sexuellen Missbrauchs vorsieht. Zum Jahresende war die Debatte darüber noch nicht abgeschlossen.

Ein Schwangerschaftsabbruch war nur erlaubt, wenn das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren bedroht war. In allen anderen Fällen war ein Schwangerschaftsabbruch strafbar, selbst dann, wenn die Frau durch Vergewaltigung oder Inzest schwanger geworden oder zu befürchten war, dass der Fötus außerhalb des Mutterleibs nicht überlebensfähig sein würde.

Im April 2015 wurde einer Zehnjährigen, die nach einer mutmaßlich von ihrem Stiefvater verübten Vergewaltigung schwanger geworden war, ein Schwangerschaftsabbruch verweigert. Der Fall löste im In- und Ausland einen Sturm der Entrüstung aus. Ein Jahr zuvor hatte die Mutter Anzeige wegen des sexuellen Missbrauchs ihrer Tochter erstattet, die Staatsanwaltschaft hatte jedoch keine Ermittlungen eingeleitet. Die Schwangerschaft blieb bei mehreren Untersuchungen in staatlichen Gesundheitszentren unbemerkt. Nachdem das Mädchen ihr Kind im August 2015 auf die Welt gebracht hatte, beklagten sich ihre Angehörigen über fehlende medizinische, schulische und finanzielle Unterstützung, die von den Behörden zugesichert worden war. Die Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Täter, der sich in Haft befand, waren Ende des Jahres noch nicht abgeschlossen. Die Ermittlungen gegen die Mutter wegen mangelnder Fürsorgepflicht wurden im November 2015 eingestellt.

Menschenrechtsverteidiger

Rechtsanwälte, die sich für die Rechte indigener Gemeinschaften und Kleinbauern einsetzten, wurden durch Disziplinarverfahren in ihrer Arbeit behindert. Im Dezember 2015 wurde eine Rechtsanwältin, die die indigenen Gemeinschaften der Sawhoyamaxa und Yakye Axa vertrat, nach einem Disziplinarverfahren vom Obersten Gericht verwarnt. Sie hatte im Zusammenhang mit dem für die indigenen Gemeinschaften positiven Enteignungsgesetz Kritik an der Entscheidung einer Richterin geübt. Sie legte ein Rechtsmittel gegen die Verwarnung ein, über das Ende 2015 noch nicht entschieden war.

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