Amnesty Report Norwegen 08. Juni 2016

Norwegen 2016

 

Es wurde eine neue unabhängige nationale Menschenrechtsinstitution gegründet. Das Gesundheitsministerium legte einen Gesetzentwurf vor, um den Zugang zur Änderung des amtlichen Geschlechts für Transgeschlechtliche zu verbessern. Vergewaltigungen und andere Gewalttaten gegen Frauen gaben weiterhin Anlass zu großer Besorgnis.

Gesetzliche, verfassungsrechtliche und institutionelle Entwicklungen

Am 1. Juli 2015 wurde das Nationale Institut für Menschenrechte als unabhängiger Mechanismus eingerichtet, der dem Parlament Bericht erstattet. Bis dahin war das Institut – seit seiner Gründung im Jahr 2002 – Teil des Norwegischen Zentrums für Menschenrechte gewesen, das der Juristischen Fakultät der Universität Oslo angegliedert ist.

Internationale Strafgerichtsbarkeit

Am 19. Januar 2015 wies das Berufungsgericht das Rechtsmittel ab, das ein ruandischer Staatsbürger gegen seine Verurteilung wegen Mordes während des Völkermords in Ruanda im Jahr 1994 eingelegt hatte. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Osloer Bezirksgerichts, das ihn 2013 zu 21 Jahren Haft wegen vorsätzlicher Mittäterschaft an der Ermordung von 2000 Menschen bei zwei Massakern und von sieben weiteren Menschen in einem weiteren Fall verurteilt hatte. Er legte gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts beim Obersten Gerichtshof Rechtsmittel ein. Die Anklage gegen ihn lautete nicht auf Völkermord, da der Artikel zur Definition von Völkermord erst im Jahr 2008 in Kraft trat und keine rückwirkende Anwendung findet.

Diskriminierung – Transgeschlechtliche

Im Juni 2015 legte das Gesundheitsministerium einen Gesetzentwurf vor, der Transgeschlechtlichen ab einem Alter von 16 Jahren auf Grundlage ihrer Selbstidentifikation die Änderung des amtlichen Geschlechts ermöglichen soll. Kinder und Jugendliche zwischen sieben und 16 Jahren sollen nach dem Gesetz mit der Zustimmung ihrer Eltern oder Erziehungsberechtigten ebenfalls Zugang zur Änderung des amtlichen Geschlechts erhalten. Der Gesetzentwurf soll im Laufe des Jahres 2016 dem Parlament vorgelegt werden und zur Abstimmung kommen.

Trotz dieser positiven Entwicklung wurden Gewalttaten, die auf diskriminierende Haltungen gegenüber Transgeschlechtlichen zurückgehen, nach wie vor nicht als Hassverbrechen unter Strafe gestellt.

Gewalt gegen Frauen

Vergewaltigungen und anderweitige Gewalt gegen Frauen stellten weiterhin ein großes Problem dar. Insbesondere die Legaldefinition von Vergewaltigung im Strafgesetzbuch, die niedrige Verurteilungsquote und der unzureichende Zugang zu Wiedergutmachung und Rehabilitierung für Vergewaltigungsopfer boten Anlass zu Besorgnis. Im Januar 2015 veröffentlichte die Nationale Polizeidirektion eine Erhebung, wonach in 40 % der Fälle von sexueller Gewalt die polizeilichen Ermittlungen unzureichend waren.

Flüchtlinge und Asylsuchende

2015 beantragten Angaben der Regierung zufolge 31 145 Menschen – und somit dreimal so viele wie im Jahr 2014 – Asyl in Norwegen.

Im April 2015 gab die Regierung bekannt, dass Kinder von Asyl-suchenden, deren Anträge abgelehnt worden waren und die zwischen dem 1. Juli 2014 und dem 18. März 2015 in ihre Herkunftsländer zurückgeführt wurden, die Wiederaufnahme ihres Asylverfahrens fordern können, sofern sie sich viereinhalb Jahre oder länger in Norwegen aufgehalten hatten. Der Schritt erfolgte nach heftiger Kritik an der früheren engen Auslegung des Grundsatzes des besten Interesses des Kindes bei Asyl- und Abschiebungsverfahren durch die Zuwanderungsbehörden.

Anfang November 2015 verabschiedete das Parlament Änderungen zu Paragraph 32 des Einwanderungsgesetzes von 2008, die zur Folge hatten, dass die norwegischen Behörden nicht mehr prüfen mussten, ob Asylsuchende vor ihrer Einreise nach Norwegen bereits in einem anderen Land einen Antrag auf Schutz gestellt hatten. Am 25. November 2015 erließ das Justizministerium jedoch eine Anweisung, wonach alle Personen, die vor Einreichen ihres Asylantrags in Norwegen in Russland gelebt hatten oder durch Russland gereist waren, nicht zum Asylverfahren zugelassen waren. Drittstaatsangehörigen, darunter auch solche ohne regulären Rechtsstatus in Russland, drohte somit die Rückführung nach Russland. Dies rief große Besorgnis im Hinblick auf syrische Flüchtlinge hervor.

Unternehmensverantwortung

Mit zwei Jahren Verspätung legte die Regierung im Oktober 2015 einen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte vor. Der Aktionsplan enthielt jedoch keine klaren Richtlinien bezüglich der Sorgfaltspflicht und des Umfangs, in dem die Leitprinzipien für norwegische Unternehmen im In- und Ausland gelten sollen.

Weitere Artikel