Amnesty Report Malaysia 07. Juni 2016

Malaysia 2016

 

Das Recht auf freie Meinungsäußerung und andere bürgerliche und politische Rechte waren 2015 massiv eingeschränkt. Das Gesetz gegen staatsgefährdende Aktivitäten wurde erweitert und ein neues Antiterrorgesetz verabschiedet. Die Polizei setzte bei der Festnahme von Oppositionellen und Aktivisten unnötige und exzessive Gewalt ein.

Hintergrund

Im Februar 2015 bestätigte das Bundesgericht das Urteil gegen den Oppositionsführer und gewaltlosen politischen Gefangenen Anwar Ibrahim, der 2008 wegen homosexueller Handlungen zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Die Anklage wurde als politisch motiviert und als Versuch gewertet, Kritik an der Regierung zu unterbinden. Im Dezember 2015 verabschiedete das Parlament ein Gesetz über den Nationalen Sicherheitsrat, das diesem Gremium und den Sicherheitskräften umfangreiche Befugnisse zusprach.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Durch eine Verschärfung des Gesetzes gegen staatsgefährdende Aktivitäten im April 2015 wurde das Recht auf freie Meinungsäußerung weiter untergraben. Der Anwendungsbereich des Gesetzes wurde auf elektronische Medien ausgedehnt. Außerdem sind härtere Strafen vorgesehen, darunter zwingende und längere Haftstrafen. Das Gesetz diente dazu, Regierungskritiker zum Schweigen zu bringen. Mindestens 15 Personen wurden auf Grundlage dieses Gesetzes angeklagt, darunter der politische Karikaturist Zulkiflee Anwar Ulhaque (bekannt unter dem Namen Zunar). Alle Fälle waren Ende 2015 noch anhängig. Am 6. Oktober 2015 wiesen fünf Bundesrichter einstimmig eine Eingabe des Rechtsdozenten Azmi Sharom ab, der die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes gegen staatsge-fährdende Aktivitäten in Zweifel gezogen hatte.

Im März 2015 nahmen Polizisten und Angehörige der Kommunikations- und Multimediakommission drei Journalisten fest. Diese hatten einen Bericht über ein Gesetz (Hudud Bill) im Bundesstaat Kelantan veröffentlicht, das bestimmte Handlungen unter Strafe stellt, indem es sich vorgeblich auf islamische Prinzipien beruft. Eine vorgeschlagene Änderung dieses Gesetzes sieht vor, künftig Körperstrafen und die Todesstrafe u. a. für "Ehebruch" zu erlauben.

Die Behörden nutzten weiterhin das Gesetz für Printmedien und Publikationen, um Medienunternehmen und Verlage zu gängeln oder zu schließen und regierungskritische Veröffentlichungen zu unterbinden. Nach wie vor waren für gedruckte Publikationen Genehmigungen erforderlich, die vom Innenministerium willkürlich widerrufen werden konnten. Insbesondere unabhängige Medien hatten Schwierigkeiten, die entsprechenden Lizenzen zu erhalten.

Rechte auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Während des gesamten Jahres 2015 wurden Organisatoren und Teilnehmer friedlicher Proteste auf Grundlage zahlreicher Gesetze strafrechtlich verfolgt. Personen, die an einer Demonstration im Februar, an der Kundgebung #KitaLawan ("Wir kämpfen") im März oder an Kundgebungen zum 1. Mai teilgenommen hatten, mussten sich wegen Verstößen gegen das Gesetz über friedliche Versammlungen, das Gesetz gegen staatsgefährdende Aktivitäten sowie die Paragraphen 120, 124b, 124c, 141 und 143 des Strafgesetzbuchs verantworten, die entweder einzeln oder in Kombination für die Anklage herangezogen wurden. Häufig wurden friedliche Demonstrierende nach Paragraph 124 des Strafgesetzbuchs angeklagt, wegen Aktivitäten, die "die parlamentarische Demokratie gefährden".

Die Regierung belegte einige Oppositionspolitiker mit einem Reiseverbot. Am 29. und 30. August 2015 fanden in Kuala Lumpur, Kuching und Kota Kinabalu Kundgebungen der Bersih-4-Bewegung statt, die u. a. freie und faire Wahlen forderte, obwohl die Regierung die Demonstrationen verboten hatte.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Am 7. April 2015 wurde ein Gesetz zur Verhütung von Terror (Prevention of Terrorism Act) verabschiedet. Demnach können Personen, die terroristischer Straftaten verdächtigt werden, bis zu zwei Jahre lang ohne Anklage oder Verfahren inhaftiert werden. Die Frist kann ohne richterliche Prüfung der Haftgründe verlängert werden. Mit dem Gesetz wurde außerdem ein Ausschuss zur Terrorverhütung (Prevention of Terrorism Board) eingesetzt, der Inhaftierungen oder restriktive Maßnahmen "im Interesse der Sicherheit Malaysias" anordnen kann. Der Ausschuss wird dabei von Ermittlungsbeamten beraten, die sich jede Art von Beweismaterial verschaffen dürfen, auch Beweismaterial, das vor Gericht nicht zugelassen ist. Die Rechtsanwaltskammer und Menschenrechtsgruppen befürchteten, dass das Gesetz zur Folter von Inhaftierten führen könnte. Auch die freie Meinungsäußerung könnte dadurch noch stärker unterdrückt werden.

Das Sicherheitsgesetz (Security Offences [Special Measures] Act) wurde 2015 weiterhin eingesetzt, um Personen willkürlich festzunehmen und zu inhaftieren, die Vergehen im Zusammenhang mit der Sicherheit begangen haben sollen. Das Gesetz erlaubt es, Verdächtige präventiv auf unbefristete Zeit ohne Anklage oder Verfahren festzuhalten, und hebelt damit grundlegende Rechte eines fairen Verfahrens aus.

Polizei und Sicherheitskräfte

Der Polizei wurden 2015 weiterhin unnötiger und exzessiver Einsatz von Gewalt sowie Folter und andere Misshandlungen inhaftierter Personen vorgeworfen. Nach wie vor wurden Schläge als Strafe eingesetzt. Es gab Berichte über elf Todesfälle infolge mutmaßlicher Folter oder anderer Misshandlungen in Polizeigewahrsam. Die Regierung lehnte es weiterhin ab, eine unabhängige Kommission für Beschwerden gegen die Polizei und deren Fehlverhalten einzusetzen, wie dies die Königliche Kommission in ihrem Bericht im Jahr 2005 empfohlen hatte.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Malaysia sah sich internationaler Kritik ausgesetzt, als im Mai 2015 Tausende Flüchtlinge und Migranten aus Myanmar und Bangladesch auf der Insel Langkawi im Bundesstaat Kedah anzulanden versuchten. Schließlich einigten sich Malaysia und Indonesien darauf, für bis zu 7000 Flüchtlinge und Migranten maximal ein Jahr lang humanitäre Hilfe und Behelfsunterkünfte bereitzustellen.

Die Entdeckung von mehr als 100 Massengräbern an der thailändisch-malaysischen Grenze im Mai und August 2015 verstärkte Befürchtungen im Hinblick auf Menschenhandel.

Todesstrafe

Die Todesstrafe war weiterhin zwingend vorgesehen für Drogenhandel, Mord und unter bestimmten Umständen für vorsätzlichen Schusswaffengebrauch. Im November 2015 kündigte die Regierung für Anfang 2016 eine Reform der Gesetze zur obligatorischen Verhängung der Todesstrafe an. Offiziellen Angaben zufolge wurden von 1998 bis 2015 insgesamt 33 Hinrichtungen vollstreckt, weitere Details wurden nicht genannt.

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