Amnesty Report Peru 08. Mai 2015

Peru 2015

 

Aktivisten und Regierungskritiker wurden tätlich angegriffen. Sicherheitskräfte gingen Berichten zufolge mit unangemessener Gewalt gegen Proteste vor. Das Recht indigener Bevölkerungsgruppen auf angemessene Konsultation sowie freiwillige und vorherige Zustimmung nach Inkenntnissetzung wurde missachtet. Sexuelle und reproduktive Rechte waren nicht gewährleistet. Die weitverbreitete Straffreiheit gab weiterhin Anlass zu Besorgnis.

Hintergrund

In Gemeinden, die von Industrievorhaben zur Rohstoffgewinnung betroffen waren, gab es 2014 weiterhin zahlreiche soziale Konflikte und Proteste. Bei einigen Demonstrationen kam es zu Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften.

Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen mit immer noch aktiven Kämpfern der bewaffneten Oppositionsgruppe Leuchtender Pfad (Sendero Luminoso) wurden mindestens vier Angehörige der Sicherheitskräfte getötet und sieben verletzt.

Im Juni 2014 beschloss das Parlament, einen nationalen Präventionsmechanismus zum Schutz vor Folter einzurichten. Die Umsetzung stand zum Jahresende noch aus, da der Präsident die Vereinbarung noch nicht unterzeichnet hatte.

Die Haftbedingungen im Gefängnis von Challapalca waren besorgniserregend. Das Gefängnis, in dem mehr als 100 Inhaftierte untergebracht sind, befindet sich in der andinen Region Tacna, mehr als 4600 m über dem Meeresspiegel. Weil es für Familienmitglieder, Ärzte und Rechtsanwälte nur sehr schwer zu erreichen ist, blieb das Recht der Gefangenen auf Besuch eingeschränkt, was grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gleichkommt.

Im Juli 2014 verabschiedete das Parlament zum zweiten Mal einen zweijährigen Nationalplan für Menschenrechte (Plan Nacional de Derechos Humanos). Kritiker bemängelten, dass darin die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen nicht berücksichtigt wurden und die finanziellen Mittel zur Umsetzung des Plans nicht ausreichend waren. Über einen Gesetzentwurf zur Gleichstellung homosexueller Paare war bis Ende 2014 im Parlament noch nicht debattiert worden.

Unterdrückung Andersdenkender

Menschenrechtsverteidiger und andere Aktivisten und Regierungskritiker wurden 2014 weiterhin tätlich angegriffen. Dies betraf insbesondere Personen, die die Rechte von Gemeinden verteidigten, die von Projekten zur Rohstoffgewinnung betroffen waren. Máxima Chaupe, ihre Familie und weitere Mitglieder indigener und kleinbäuerlicher Gemeinschaften in den Provinzen Cajamarca, Celendín und Hualgayoc-Bambamarca wurden von staatlichen Sicherheitskräften und dem privaten Sicherheitspersonal der Goldmine Yanacocha eingeschüchtert und angegriffen.

Sie leisteten Widerstand gegen Bergbauaktivitäten auf ihrem angestammten Land, weil diese ihr Recht auf Wasser und ihre Lebensgrundlagen gefährdeten. Außerdem kritisierten sie, nicht einbezogen worden zu sein. Im Mai 2014 forderte die Interamerikanische Menschenrechtskommission im Namen der Betroffenen vorbeugende Maßnahmen zu ihrem Schutz. Bis zum Jahresende waren jedoch noch keine derartigen Vorkehrungen getroffen worden.

Rechte indigener Bevölkerungsgruppen

Im September 2014 wurden die Indigenensprecher Edwin Chota Valera, Jorge Ríos Pérez, Leoncio Quinticima Meléndez und Francisco Pinedo getötet. Sie gehörten zur Gemeinschaft der Asháninka aus Alto Tamaya-Soweto in der Region Ucayali und hatten sich gegen die illegale Rodung ihres angestammten Landes zur Wehr gesetzt. Es wurde vermutet, dass sie von illegalen Holzfällern als Vergeltungsmaßnahme getötet wurden. Vor dem Überfall hatte die indigene Gemeinschaft bereits darauf aufmerksam gemacht, dass die Sicherheit der Männer gefährdet sei, die Behörden hatten jedoch keinerlei Maßnahmen zu ihrem Schutz ergriffen. Ende 2014 waren Ermittlungen eingeleitet worden. Die Sicherheit der Familienangehörigen der Ermordeten war jedoch weiterhin bedroht.

Trotz gewisser Bemühungen, vor der Genehmigung von Bergbau- und Infrastrukturprojekten das Gesetz über das Recht auf vorherige Konsultation der indigenen Bevölkerungsgruppen aus dem Jahr 2011 umzusetzen, war das konkrete Vorgehen immer noch von Unklarheiten und Widersprüchen geprägt. Im Januar 2014 erteilten die Behörden eine Konzession zur Erweiterung des Erdgasförderprojekts Camisea in der Region Cusco, obwohl keine der vermutlich betroffenen indigenen Gemeinschaften ihre Zustimmung erteilt hatte und das Vorhaben fast ein Viertel des Landes beanspruchen könnte, auf dem bisher indigene Völker in freiwilliger Isolation leben.

Im Mai 2014 begann ein Gerichtsprozess gegen 53 Personen, zu denen auch Angehörige indigener Gemeinschaften sowie einige ihrer Sprecher zählten. Gegenstand waren die Ereignisse in Bagua im Amazonasgebiet im Jahr 2009, als Polizei und Militär gewaltsam eine Straßenblockade indigener Gemeinschaften auflösten. Dabei wurden insgesamt 33 Personen getötet, darunter 23 Polizeibeamte; mehr als 200 Personen wurden verletzt. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, für den Tod von zwölf Polizisten verantwortlich zu sein. Für die Menschenrechtsverletzungen, die an Zivilpersonen verübt worden waren, wurde kein Angehöriger der Polizei oder des Militärs zur Verantwortung gezogen.

Straflosigkeit

Exzessive Anwendung von Gewalt Im Jahr 2014 wurden bei Protesten mindestens neun Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt, was auf einen Einsatz exzessiver Gewalt durch die Polizei hindeutete. Bis zum Jahresende lagen keine Informationen darüber vor, ob die Todesfälle untersucht wurden.

Es wurden Befürchtungen laut, ein im Januar 2014 erlassenes Gesetz könnte das Klima der Straflosigkeit weiter fördern. Das Gesetz nahm Sicherheitskräfte, die bei der Dienstausübung Personen töteten oder verletzten, von strafrechtlicher Verfolgung aus. Im Februar 2014 wurden vier Polizeibeamte, die wegen des Todes von drei Protestierenden in Huancavelica im Jahr 2011 vor Gericht standen, freigesprochen, da der Richter das Gesetz rückwirkend anwendete. Angesichts der hohen Anzahl an Verletzten bei Demonstrationen wurden Vorwürfe laut, die Sicherheitskräfte würden unverhältnismäßige Gewalt einsetzen.

Interner bewaffneter Konflikt Elf Jahre nach der Veröffentlichung des Berichts der Wahrheits- und Versöhnungskommission über Menschenrechtsverletzungen, die während des internen bewaffneten Konflikts (1980–2000) verübt wurden, gab es kaum Fortschritte, was die Rechte der Opfer auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung betraf. Es bestand die Sorge, dass das Verteidigungsministerium weiterhin nicht mit der Justiz zusammenarbeitete und einige Verfahren eingestellt wurden, weil die Richter die Verbrechen als verjährt betrachteten.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Im Januar 2014 stellte die Staatsanwaltschaft von Lima die Verfahren wegen mutmaßlicher Zwangssterilisierungen von mehr als 2000 indigenen Frauen und Kleinbäuerinnen in den 1990er Jahren ein. Nach fast zehnjährigen Ermittlungen erhob die Staatsanwaltschaft lediglich Anklage gegen einige medizinische Fachkräfte, die an einem einzigen Fall von Zwangssterilisierung beteiligt gewesen sein sollen. Gegen die Vertreter der Regierungsbehörden, die für die zu den Zwangssterilisierungen führende Familienplanungspolitik verantwortlich waren, wurde keine Anklage erhoben.

Im Juni 2014 veröffentlichte das Gesundheitsministerium technische Richtlinien zum Schwangerschaftsabbruch aus gesundheitlichen Gründen. Darin werden als Bedingungen für einen straffreien Abbruch die Anwesenheit und Unterschrift eines Zeugen sowie die Genehmigung durch eine medizinische Kommission genannt. Es wurde befürchtet, dass die enge Auslegung der medizinischen Indikation und die geforderten Bedingungen Frauen davon abhalten könnten, einen sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen, und sie stattdessen unsichere und gesetzwidrige Möglichkeiten vorziehen könnten.

Der Abbruch von Schwangerschaften nach Vergewaltigung oder Inzest war nach wie vor strafbar. Staatlichen Gesundheitseinrichtungen war die freie Verteilung von Notfallverhütungsmitteln ("Pille danach") weiterhin verboten, selbst in Fällen sexueller Gewalt. Ende 2014 lag ein Gesetzentwurf zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs für Vergewaltigungsopfer vor, den 60000 Menschen mit ihrer Unterschrift unterstützten. Das Parlament hatte jedoch noch nicht über den Reformvorschlag debattiert.

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